Historisch: Erstmals mehr Käse importiert als exportiert

Schweizer Käsesorten wie Gruyère, Appenzeller oder Emmentaler sind auch international bekannt. Die Nachfrage war lange Zeit gut. Doch nun haben der starke Franken und die wirtschaftliche Entwicklung dazu geführt, dass die mengenmässige Handelsbilanz erstmals negativ ausfällt. Für die Branche eine schlechte Nachricht.

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Im Zuge der Bilateralen Verträge mit der Europäischen Union (EU) trat 2002 ein Abkommen zwischen der Schweiz und der EU über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen in Kraft. Die grössten Änderungen ergaben sich beim Handel mit Käse. Zwischen 2002 und 2007 bauten beide Parteien schrittweise Zölle ab, ab Juni 2007 ist der Warenverkehr von Käse zwischen der Schweiz und der EU zollfrei. Jeglicher Grenzschutz für das wichtigste Schweizer Milchprodukt ist seither gegenüber der EU aufgehoben. 

Euphorischer Wirtschaftsverband

In der Folge nahmen die Exporte, aber auch die Importe, deutlich zu. Die Wirtschaft zeigte sich bisweilen euphorisch. So schrieb der Dachverband der Schweizer Wirtschaft, Economiesuisse, im Oktober 2012. «Während sich Schweizer Betriebe im Qualitätswettbewerb erfolgreich positionieren, profitieren die Konsumentinnen und Konsumenten von einem grösseren Angebot zu tieferen Preisen. Die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Branche ist gestärkt worden. Es wäre an der Zeit, die Vorteile des Freihandels auch in anderen Branchen zu nutzen.»

Doch bereits vor 6 Jahren gab es warnende Stimme. Statt Markenkäse im Hochpreissegment werde vermehrt mehr No-Name-Billigkäse in die EU exportiert. Das relativiere die seit dem Freihandel gestiegenen Exportmengen. «Beim Freihandel stehen leider oft nur die Mengen im Fokus», sagte Pierre-André Pittet, Bereichsleiter Wirtschaft und Internationales bei den Schweizer Milchproduzenten (SMP», zum Landwirtschaftlichen Informationsdienst. «Viel zu selten werden die massiv steigenden Importe und der enorme Preisdruck, der bei gegenseitigem Marktzugang ausgelöst wird, thematisiert», führte er weiter aus.

Negative Handelsbilanz

Die Exporte haben bis 2021 stetig zugenommen. Auch der Import von Käse in die Schweiz haben zugenommen, mehr als der Export. Entsprechend hat sich die positive Handelsbilanz «zurückgebildet». 2014 lag diese noch 14'182 Tonnen, 2019 wurden noch mehr 11’741 Tonnen exportiert als importiert. Mit dem Ausbruch gab es einen regelrechten Einbruch. Die positive Handelsbilanz sank auf noch 5'460 Tonnen, 2022 betrug sich noch 3'875 Tonnen.

In diesem Jahr ist die mengenmässige Handelsbilanz nun erstmals negativ, wie TSM Treuhand und Switzerland Cheese Marketing (SCM) mitteilen. 2023 wurden 73'494 Tonnen ausgeführt, 4,5 Prozent oder 3'456 Tonnen weniger als im Jahr zuvor. Die Einfuhren stiegen hingegen 1'168 Tonnen oder 1,6% auf 74'266 Tonnen. Damit wurden 772 Tonnen mehr importiert als exportiert.

Starker Franken und hohe Inflation

TSM und SCM begründen die Exporteinbusse dies mit den «ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklungen» in den Hauptexportmärkten und dem Erstarken der Schweizer Frankens. Die anhaltende Inflation habe zudem die Kaufkraft der Konsumentinnen und Konsumenten beeinträchtigt.

Der Hauptexportmarkt Deutschland befinde sich am Rande einer Rezession, heisst es im Communiqué. Zusammen mit der Inflation habe das dazu geführt, dass der Konsum von Premium-Lebensmittel wie Schweizer Käse abgenommen habe.

Mit Ausnahme der Kategorie «Frischkäse und Quark» waren sämtliche Käsekategorien beim Export rückläufig. Am deutlichsten war der Rückgang beim Hartkäse (-1849 t, -5,5%), Halbhartkäse (-1147; -5%) und bei der Kategorie andere Käse (-535, -13,5%).

Importe für Industrie und Gastronomie

Nach den rückläufigen Importen im Jahr 2022 haben 2023 die Einfuhren wieder zugenommen. Insgesamt wurden 2023 74‘266 Tonnen Käse importiert, was einem Zuwachs von 1'168 Tonnen (+1.6%) im Vergleich zu 2022 entspricht. Bei den Einfuhren geht die Zunahme vor allem auf die Kategorie «Frischkäse und Quark» (1'235; +4%) und Hartkäse (339 t; +5,4%). Eine deutliche Abnahme gab es hingegen beim Halbhartkäse (-703t; -5,3%).

Ein bedeutender Anteil der Importe wird gemäss TSM und SCM durch die Nahrungsmittelindustrie und die Gastronomie verarbeitet. Zudem hätten sich preisgünstige Importprodukte sich seit der Pandemie im Detailhandel etabliert und seien fester Bestanteil des Käsesortiments. Die Importe stammten aus Europa. 78 Prozent entfielen auf drei Länder, aus Italien (26’707, +1.2%), aus Deutschland (18’769t, -2.2%) und aus Frankreich (12’626t, -0.1%).

Wertmässig noch deutlich im Plus

Rückläufig ist aber nicht nur der mengenmässige Export, sondern auch der wertmässige. 2023 wurde im Käse im Wert von 710,8 Mio. Fr. ausgeführt. Das ist ein Minus von 3,2 Prozent. Und eine schlechte Kunde für die Branche. «Der durchschnittliche Exportpreis ist aber um 13 Rappen auf 9.67 Fr./kg gestiegen», heisst es in der Mitteilung. Unverändert positiv zeige sich denn auch die wertmässige Handelsbilanz für 2023 von 177.4 Mio. Fr.

Denn 2023 wurde wertmässig für Importkäse 533.4 Mio. Fr (+6.3%) ausgegeben. Der durchschnittliche Importpreis im Grosshandel lag bei rund 7.18 Fr./kg. «Die Schweiz importiert Käse zu deutlich günstigerem Preis, als sie exportiert», halten SCM und TSM fest. Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Bilanz nicht weiter auf die hiesigen Käsereimilchproduzenten auswirkt.

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