
Lino Guzzella sprach vor Führungskräften der Land- und Ernährungswirtschaft.
Daniel Salzmann
Das Swiss Forum Agro.Food ist bekannt dafür, dass es den Blick auch über die Land- und Ernährungswirtschaft hinaus richtet. Das war auch bei der heurigen Durchführung in Bern der Fall. Der frühere ETH-Professor Lino Guzzella sprach zur Energieversorgung. Er zeigte die Prognosen des Bundes zur Energiestrategie, zu der die Stimmbevölkerung im Jahr 2017 Ja gesagt hatte.
Demzufolge sollen die Kernkraftwerke abgestellt werden. Der heute noch von ihnen gelieferte Strom und der im Jahr 2050 zusätzlich benötigte Strom für neue E-Autos, neue Wärmepumpen, für das Bevölkerungswachstum und für neue Verbraucher wie Rechenzentren sollen zu einem sehr grossen Teil aus neuen Anlagen der Photovoltaik (PV) stammen.
Ein Problem sucht nach einer Lösung
Doch im Winter, wenn es fürs Heizen viel Strom brauchen werde, lieferten die PV-Anlagen nur sehr wenig Strom, so Guzzella. Also müsste in den Alpen PV mit 60 Gigawatt installierter Leistung gebaut werden, was 4600-mal das bekannte Projekt Gondosolar wäre. Doch am Mittag würden diese vielen Solaranlagen einen gigantischen Stromüberschuss liefern, der für die Nacht zwischengespeichert werden müsste.
Die Pumpspeicherkraftwerke könnten nur etwa einen Siebtel der am Mittag anfallenden Leistung aufnehmen. Batterielösungen würden sehr teuer, so Guzzella. Für die Speicherung in Elektroautos müssten 2 Millionen E-Fahrzeuge zwischen 10 und 15 Uhr an einer Ladestation geladen und zwischen 18 und 6 Uhr zum Entladen wieder an einer Station hängen. Das ist für ihn unrealistisch.
Fürs Strom produzieren bezahlen
Zudem erhöhen solch hohe Schwankungen im Netz das Risiko eines Blackouts. «Es ist kein Zufall, dass kürzlich in Spanien das Netz um 12.30 Uhr zusammengebrochen ist. Sie hatten zu dieser Zeit unheimlich viel Sonne und Wind», so Guzzella. «Also ist Kernkraft, die beständig Strom liefert, die Zukunft?», fragte ihn Matthias Zurflüh, der Organisator und Moderator des Forums. «Über diese Frage muss das Stimmvolk entscheiden. Ich habe Ihnen Vorteile und Nachteile aufgezeigt.» Guzzella empfahl die Investition in Klimaanlagen, mit denen man im Sommer am Mittag kühl haben und gleichzeitig Geld für den Stromverbrauch bekommen werde, weil von den Solaranlagen her zu viel Strom im Netz sein werde.
Guzzellas Prognose: «Ihre Photovoltaikanlage wird in Zukunft vom Elektrizitätswerk abgeregelt werden. Sie werden keine Einspeisevergütung mehr erhalten. Sie werden viel Geld bekommen, wenn Sie im Winter liefern können, und im Sommer werden Sie bezahlen müssen, wenn Sie Strom ins Netz einspeisen wollen.» Auf Nachfrage von Zurflüh sagte Guzzella, mit Eigenverbrauch und eventuell einem Speicher kombiniert, könnten neue PV-Anlagen für Unternehmen aber durchaus noch Sinn machen.