KB rettet Rasse: 20 Stiere für rund 500 Kühe

Vor dreissig Jahren waren die Evolèner akut vom Aussterben bedroht. Dann kam die künstliche Besamung. Ein Meilenstein. Dennoch ist die Rasse weiterhin gefährdet.

Anja Tschannen |

Mitte der 1990er-Jahre zählte die Population des Evolèner Rinds kaum mehr als 85 Tiere: Die alte Walliser Rinderrasse war akut vom Aussterben bedroht. Verschiedene Akteure aus Zucht, Forschung und Tierschutz setzten sich für ihren Erhalt ein.

Neben dem Aufbau eines Herdebuchs – zunächst über die Schweizerische Stiftung für die kulturhistorische und genetische Vielfalt von Pflanzen und Tieren, Pro Specie Rara, später über den Züchterverband für seltene Nutztierrassen – wurde früh erkannt, wie entscheidend die künstliche Besamung (KB) und die Konservierung von Stiergenetik für die langfristige Erhaltungszucht ist. «Stierenhaltung ist nicht jedermanns Sache», erklärt Hansueli von Steiger, Zuchtleiter des Evolèner Zuchtvereins (EZV). Und die KB ermöglicht die Rassenzucht auch dort, wo keine Stiere gehalten werden.

Pionierarbeit in Zürich

Da anfangs keine Zusammenarbeit mit Swissgenetics möglich war, suchte man nach kurzfristigen Lösungen. In Kooperation mit Tierarzt Fredi Janett vom Tierspital Zürich konnten erste Evolèner Stiere abgesamt werden. Die Nutzung dieser Samendosen sei jedoch streng reglementiert gewesen, erinnert sich von Steiger: Nur Mitglieder der Zuchtorganisation durften sie verwenden, und zwar ausschliesslich für reinrassige Paarungen. Zudem durften die Besamungen nur von ausgewählten Tierärzten durchgeführt werden. Ein aufwendiges, aber wirkungsvolles Verfahren.

«Diese frühen KB-Aktivitäten legten den Grundstein für die Erhaltung der Rasse», so von Steiger. Durch die gewonnenen genetischen Ressourcen habe der kleine Bestand allmählich wachsen und sich auch genetisch stabilisieren können. Da das Zürcher Modell für die Züchter sehr aufwendig war, wuchs der Wunsch nach einer einfacheren Lösung. 2003 entschied sich der Evolèner Zuchtverein, erstmals Stiere durch Swissgenetics absamen zu lassen.

Direkte Erhaltungszuchtbeiträge

Die Wahl fiel auf die Stiere Eiger und Chlaus. Der Weg dorthin war nicht ohne Risiko: Der Sommer 2003 war extrem heiss, die Samenqualität liess zunächst zu wünschen übrig. Nach einer längeren Quarantänephase verbesserten sich die Werte aber deutlich, und im Januar 2004 standen die ersten Evolèner Stiere offiziell im Angebot von Swissgenetics. Diese Zusammenarbeit war ein Meilenstein: Zum ersten Mal erhielten die Evolèner nicht nur züchterische Unterstützung, sondern auch mediale Aufmerksamkeit.

«Mit knapp über 500 Herdebuchtieren weltweit ist das Evolèner Rind nach wie vor stark gefährdet»

Hansueli von Steiger, Evolèner-Zuchtverein

Fachzeitschriften berichteten über die Rasse, was ihren Bekanntheitsgrad erheblich steigerte. Mittlerweile bietet Swissgenetics Dosen von über 20 Stieren der Rasse an, und das Bundesamt für Landwirtschaft stellt direkte Erhaltungszuchtbeiträge zur Verfügung. Bei der Beurteilung des Gefährdungsstatus stützt sich der Bund auf verschiedene Indikatoren, darunter die genetische Vielfalt. Mit rund 20 KB-Stieren im Angebot wird die Rasse vom Bund nicht mehr als «stark gefährdet» eingestuft – aus Sicht des EZV ein fragwürdiger Entscheid.

Weiterhin bedroht

«Mit knapp über 500 Herdebuchtieren weltweit ist das Evolèner Rind nach wie vor stark gefährdet», betont von Steiger. Da diese Einstufung direkt Einfluss auf die Höhe der Beiträge hat, sorgt sie in der Züchterschaft für Diskussionen. Man hofft, dass die Kriterien künftig zugunsten der Züchter angepasst werden. Für den EZV ist das Angebot an KB-Stieren eine grosse Errungenschaft.

Wäre die Reproduktion nur über Natursprung möglich, gäbe es heute noch weniger Evolèner Rinder, sind die Verantwortlichen überzeugt. «Auch wenn die Rasse noch lange nicht über den Berg ist, kann man stolz auf das Erreichte sein», sagt von Steiger. Es sei ein steiniger Weg gewesen – doch im Zuchtverein herrscht die Überzeugung: «Die Geschichte dieser Rasse geht weiter.»

Die Stierenauswahl

Das Angebot an Evolèner Stieren für die künstliche Besamung (KB) wird laufend erneuert, um die genetische Vielfalt zu sichern und den Züchtern optimale Möglichkeiten zu bieten. Eine Fachkommission wählt jährlich ein bis zwei Stiere für die KB aus.

Zur Vermeidung von Inzucht wurden zudem Samendosen der beiden Valdostana-Pezzata-Nera-Stiere, Dante und Donatello, einer eng verwandten Rasse aus dem Aostatal (I) importiert. Damit steht die Rasse der Evolèner heute auch genetisch auf einem soliden Fundament. Die Stiere sind im Reservationsangebot, das heisst, Samendosen müssen vorgängig reserviert werden. ats

Das Wetter heute in

Lesershop

Hier gehts zum Lesershop

Umfrage

Setzt Ihr auf Natursprung?

30.6 % Ja, ausschliesslich
17.7 % Nein, nie
25.8 % Ja, je nach Kuh
12.9 % Ja, als letzte Chance (wenn KB mehrfach erfolglos)
12.9 % Manchmal

Teilnehmer insgesamt 62

Zur aktuellen Umfrage

Bekanntschaften

Suchen Sie Kollegen und Kolleginnen für Freizeit und Hobbies? Oder eine Lebenspartnerin oder einen Lebenspartner?