Keine Energie für eine Gegenklage

Die Brand-Katastrophe auf dem Hof von Familie Wüthrich sorgte schweizweit für Schlagzeilen – und für grosse Empörung.

Familie Wüthrich war voller Tatendrang, als sie im Jahr 2015 direkt hinter ihrem alten Emmentaler Bauernhaus im Berner Jura einen neuen Laufstall für 115 Kühe, Rinder und Kälber anbaute.

Schicksalsschlag

Doch schon im Jahr darauf erkrankte Christine Wüthrichs Ehemann Thomas an Krebs. Neun Monate später verlor er den Kampf gegen die Krankheit. Christine Wüthrich stand nun allein mit zwei Töchtern und zwei Söhnen da. «Meine Kinder gaben mir die Kraft, weiter zu machen», erzählt sie heute. Ihr zweitältester Sohn André hatte gerade eine Lehre zum Landwirt angetreten.

Inzwischen hat er seine Lehre abgeschlossen und arbeitet als Angestellter auf dem Betrieb seiner Mutter. Ihr jüngster Sohn Damien lernt ebenfalls Landwirt, die älteste Tochter Lisa und ihre Schwester Coralie haben einen anderen Beruf gelernt, arbeiteten aber ebenfalls häufig auf dem Betrieb mit.

Er blieb zu lange im Stall

In der Nacht vom 21. auf den 22. Januar 2021, kurz nach Mitternacht, wurde die Familie von einem weiteren Schicksalsschlag heimgesucht. Ein technischer Defekt löste ein Feuer aus. «Es blies in jener Nacht ein kräftiger Wind», erinnert sich Christine Wüthrich, sodass das ganze Gebäude sehr rasch in Flammen stand. Das alte Wohnhaus, der ehemalige Stall, wo ihre Landmaschinen eingestellt waren, und auch der noch fast neue Laufstall. In jener Nacht fürchtete Christine Wüthrich auch um das Leben ihres Sohnes André, der alles daran setzte, die Tiere im Stall zu retten.

Das Bauernhaus wurde durch die Flammen zerstört.
Feuerwehr Biel

«Er blieb viel zu lange im Stall», erinnert sie sich, «erlitt aber glücklicherweise nur leichte Verbrennungen an der Hand und auch keine Rauchvergiftung.» Doch es gelang ihm nur, die Milchkühe zu retten – er hatte keine Chance, das Jungvieh zu retten. Die Brand-Katastrophe wurde schweizweit bekannt. Für Schlagzeilen sorgte zusätzlich die Tierrechtsorganisation Peta, die eine Anzeige gegen die Familie wegen angeblicher Fahrlässigkeit eingereicht hat – nachdem die Familie ihr gesamtes Hab und Gut verloren hatte. «Wir besassen nur noch das, was wir auf dem Leib trugen, und vier Paar Ski», so Wüthrich.

Aus den Medien erfahren

«Wir standen unter so grossem Stress, dass wir von der Anzeige gegen uns erst spät aus den Medien und sozialen Netzwerken erfahren haben», erzählt Christine Wüthrich. Die Gemeinde Cortébert und viele andere haben das Vorgehen der Tierrechtsorganisation scharf kritisiert. Es wurden über 23’000 Unterschriften für eine Petition gesammelt, mit der die Tierrechtsorganisation aufgefordert wurde, nicht nur die Anzeige zurückzuziehen, sondern sich auch bei Familie Wüthrich zu entschuldigen.

Doch die Tierrechtsorganisation hat sich bis heute kein einziges Mal bei ihnen gemeldet, geschweige denn sich entschuldigt. Die Klage wurde inzwischen abgewiesen – umgekehrt verzichtete Familie Wüthrich auf eine Gegenklage. «Es wäre so widersinnig, dass es den Aufwand nicht wert ist», betont Wüthrich, «wir setzen unsere Kraft und Energie besser für den Wiederaufbau ein.»

Der Stall wurde zu einer Ruine.
Monika Gerlach

Grosse Solidarität

Zahlreiche Bauern aus der Region haben die Kühe von Wüthrichs eingestallt. Fast vier Monate lang waren die Tiere auf 16 Bauernhöfen untergebracht – bis Familie Wüthrich von einem Bauern einen Stall zur Zwischennutzung bekam, als dessen Besitzer seine eigenen Kühe für die Sommermonate auf eine Métairie am Chasseral gebracht hatte. Für die Familie organisierte die Gemeinde Cortébert eine vorübergehende Bleibe in einem ehemaligen Hotel, wo sie heute noch lebt.

Weil beim Architekten alle Pläne des Laufstalls noch vorhanden waren, konnte man mit dem Wiederaufbau rasch beginnen. Schon im September, nur fünf Tage bevor die Tiere von der Métairie ins Tal zurückkehrten, konnten die Kühe den wieder aufgebauten Stall beziehen. Einziger Unterschied zum ersten Laufstall: über dem Laufbereich für die Kühe und Rinder haben sie eine grosse Bühne für Heu und Stroh gebaut, die dieser Tage erst fertiggestellt wurde.

Die Familie Wüthrich erlebte eine Welle beispielloser Solidarität aus der ganzen Schweiz. «Wir haben viele Geld- und Sachspenden bekommen, sogar von Menschen, die uns nicht kennen», erzählt Christine Wüthrich. Darunter sämtliche Möbel. Der Wiederaufbau eines Wohnhauses und einer Maschinenhalle steht noch bevor. Das Wohnhaus soll etwas oberhalb vom neuen Stall gebaut werden. «Die Pläne liegen derzeit noch bei den Behörden, und wir warten auf eine Baubewilligung», meint Wüthrich in guter Hoffnung, dass sie mit ihrer Familie noch vor Weihnachten in ihre neue Wohnung einziehen kann.

Kommentare (3)

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  • Landwirt | 18.02.2022
    Eine Geschichte, die einem berührt und wieder einmal zeigt, dass nichts selbstverständlich ist. Ich wünsche der Familie viel Kraft und gute Gesundheit!
  • Burri | 17.02.2022
    diese " Tierschützer " haben keine Skrupel Leute anzuzeigen und jahrelange Prozesse zu führen, sie haben Geld genug von Spenden, um gegen Personen vorzugehen, welche mit harter Arbeit ihr Leben verdienen müssen!
    • Irene Wenger | 18.02.2022
      Ist genau so und diese Personen
      haben meistens keine Ahnung
      von der Landwirtschaft.
      I. Wenger

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