Klimagipfel im Zeichen graslandbasierter Landwirtschaft

Am Publikumstag des Klimagipfels in Landquart im Kanton Graubünden informierten sich die Besucher über klimafreundliche Produktion, Ernährung und Konsum. Weil in der Schweiz eine graslandbasierte Landwirtschaft vorherrscht, standen die Rinder im Mittelpunkt der Gespräche.

Jürg Vollmer, lid |

Ende November 2025 reisten 530 Interessierte zum Klimagipfel für Landwirtschaft und Esskultur nach Landquart GR. Der Anlass verband an zwei Tagen die Debatte über klimafreundliche Lebensmittelproduktion mit Fragen des Konsums – ein Format, das es in der Schweiz bisher nicht gab. Organisiert wurde der Anlass vom Projekt «Klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden» und dem Verein «Netzwerk Klima & Landwirtschaft».

Am Freitag diskutierten 250 Fachleute unter sich – am Samstag öffnete der Gipfel für die breite Öffentlichkeit: Ru nd 280 Besucherinnen und Besucher informierten sich über Pilotbetriebe, Beratungsangebote und Themeninseln und erfuhren, wie Klima, Ernährung und Landwirtschaft zusammenhängen.

Klimaforscher warnt vor den Folgen des Klimawandels

Zum Auftakt des Publikumstages setzte Klimaforscher Thomas Stocker den wissenschaftlichen Rahmen. Er gehört zu den international meistzitierten Klimaforschern und war langjähriger Leitautor des Weltklimarates IPCC. Thomas Stocker zeigte, dass die Welt heute im wärmsten Jahrzehnt seit Beginn der Messungen lebt. Seit 1900 hat sich die Schweiz um 2,9 Grad erwärmt und damit doppelt so stark wie der globale Durchschnitt von 1,5 Grad.

Haupttreiber sind Treibhausgase aus der Verbrennung fossiler Energieträger und aus der Abholzung von Wäldern. Sie lassen Sonnenlicht in die Atmosphäre, halten aber einen Teil der von der Erde abgestrahlten Wärme zurück. Die Folgen sind auch in der Schweiz längst sichtbar: Abwechselnd lange Trockenphasen, heftige Starkniederschläge, weniger Schnee und eine steigende Nullgradgrenze. «Bei plus 3 Grad bis 2050 wird die Nullgradgrenze im Sommer auf die Höhe des Matterhorns klettern», warnte Thomas Stocker.

Klimapreis «Prix Climat»

Im Rahmen des Klimagipfels in Landquart GR wurde auch der Klimapreis «Prix Climat» vergeben.  Der Prix Climat ist eine Auszeichnung für klimafreundliche Landwirtschaft. Der Preis würdigt innovative Betriebe mit messbaren Verbesserungen wie reduzierten Treibhausgasen, gesünderen Böden und effizienterem Ressourceneinsatz, die als Vorbild für andere dienen. ->  Pirmin Adler vom Hof «Adlerzart» in Oberrüti AG hat sowohl den Publikumspreis wie auch den Hauptpreis «Prix Climat 2025» gewonnen.   ome

Seine Botschaft war klar: «Die Konzentration von Treibhausgasen ist höher als in den letzten 800’000 Jahren – um die Vorgaben des Pariser Abkommens einzuhalten, müssen die Emissionen sofort sinken und bis spätestens 2050 netto null erreichen.» «Netto-Null ist nicht nur eine ökologische Notwendigkeit, sondern auch eine wirtschaftliche Chance», sagte Thomas Stocker. Voraussetzung ist ein rascher Umbau von Energieversorgung, Mobilität, Konsum und Ernährung.

Warum Wiederkäuer ein Teil der Lösung sind

Angesichts dieser Prognosen stellte Florian Leiber vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) die grundsätzliche Frage, ob die Landwirtschaft in einer klimaneutralen Zukunft überhaupt noch Nutztiere halten dürfe – und beantwortet sie mit einem klaren «Ja».

Florian Leiber gilt als einer der zuverlässigsten Forscher zur graslandbasierten Nutztierhaltung und ist einer, der lieber Daten sprechen lässt als Ideologien – wissenschaftliche Daten zur Ressourcennutzung, Bodengesundheit, Biodiversität und Ernährungssicherheit. «Wiederkäuer sind die einzige Tiergruppe, die Grasland in Lebensmittel umwandelt, ohne Ackerflächen zu verdrängen, die für den direkten menschlichen Konsum geeignet wären», sagte Florian Leiber. Rindermist liefert zudem Kohlenstoff und Stickstoff, gibt dem Boden Struktur und schafft Mikrohabitate für Insekten. Diese Effekte bauen langfristig Boden auf und fördern die Biodiversität.

Nutztiere gehören zur Mensch-Tier-Beziehung

Florian Leiber blendete aber die Klimafrage nicht aus. Er zeigte die Spannungen zwischen zwei Narrativen:

  • «Feed no Food»: Wiederkäuer fressen nur Futter, das Menschen nicht verwerten können. Das nutzt Grasland optimal, speichert Kohlenstoff und stützt die Biodiversität.
  • «Netto-Null»: Methan rückt in den Vordergrund, die Rinderhaltung bewegt sich Richtung Kraftfutter, Technologisierung und weniger Nutztiere.

In diesem Spannungsfeld plädierte Florian Leiber für eine konsequent graslandbasierte Produktion in der Schweiz – ergänzt mit gezielten Methanreduktionen. Dieses System sichert Ernährung, erhält Kohlenstoffspeicher und Kulturlandschaft, fördert die Biodiversität und ermöglicht artgerechte Tierhaltung. Unterstützung dafür erhalten die Landwirtschaftsbetriebe bereits über Beiträge für die graslandbasierte Milch- und Fleischproduktion und über die Bio-Suisse-Richtlinie von maximal fünf Prozent Kraftfutteranteil.

Zum Schluss erweiterte Florian Leiber den fachlichen Blick um kulturelle und ethische Aspekte. Nutztiere gehören seit Jahrhunderten zur Mensch-Tier-Beziehung und stärken die Resilienz von Berg- und Grünlandregionen. «Wir brauchen Nutztiere weiterhin – nicht im alten Mass, aber im richtigen Mass und graslandbasierte Nutztierhaltung ist die beste Möglichkeit, nachhaltig hochwertige Lebensmittel zu produzieren», fasste er zusammen.

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