Dass Berner «Mutzen» sind, Basler «Bebbis» und Zürcher «Hegel», weiss jeder. Wo aber wohnen die Kuhwürger, Schweineschwanzdreher und Leichenkneter? Und womit haben sie sich diese Spitznamen verdient?
Etliche Ortsnecknamen bezeichnen kulinarische Gewohnheiten: So werden die Bewohner von Bottmingen BL Brotfrässer genannt, die von Zernez GR Hundefrässer und die von Münster VS Bärufrässer.
Auch andere Tätigkeiten haben zu freundnachbarschaftlichen Spitznamen geführt. Die Bäsebinger im solothurnischen Wolfwil waren vermutlich eine geachtete Berufszunft und die Bhietigotten in Pontresina GR hatten wohl eine etwas auffällige Art zu grüssen.
Aber warum heissen die Laviner in Graubünden Kuhwürger und im Wallis die Unterbächer Schwieschwanzdrehär und die Ulricher Lichechnäter? Oft stecken Legenden dahinter, häufig ein unterstellter Schildbürgerstreich.
Misshandelte Tiere
In Unterbäch etwa erzählt man sich, dass einst zwei Männer um ein Schwein stritten. Der Klügere zog am Kopf, der Unterbächer am Schwanz des Tieres - der dann auch die einzige Trophäe war, die er nach Hause nehmen durfte.
Eine etwas glaubwürdigere Erklärung will, dass die beiden Bäche, zwischen denen Unterbäch liegt, wie Ringelschwänze durch die Landschaft schlängeln.
Seltsames wird den Luzernern nachgesagt, die den Spitznamen Chatzestrecker haben. Das Schweizerische Idiotikon zitiert eine Quelle, die behauptet, die Luzerner hätten auf Reisen gern Katzen gestreckt und ihnen das Fell abgezogen, um daraus Mützen zu machen. Auch hier ist die Erklärung viel banaler. Die Luzerner mussten früher, wenn sie nach Einsiedeln pilgerten, den Pass Katzenstrick überqueren.
Vom Aussterben bedroht
Dorfübernamen, ist auf Wikipedia zu lesen, seien eine kulturelle Spezialität des Engadins. Hier irrt die Plattform; gemäss dem Standardwerk «Volkskunde der Schweiz» von Richard Weiss waren Ortsnecknamen früher in der ganzen allemannischen Schweiz verbreitet. Diejenigen im Engadin sind allerdings besonders schön dokumentiert: in der Gedichtsammlung «Burlescas d'Engiadina» (1880) - Engadiner Possen, was uns zurück zu den Schildbürgern bringt.
Im Oberwallis wurden alte Spitznamen den Bewohnern vor ein paar Jahren wieder in Erinnerung gerufen, als eine Bank eine stilisierte Landkarte mit 61 Oberwalliser Ortsnecknamen auf Beizen-Tischsets drucken liess. Ebenfalls präsent bis heute sind die Gemeinde- Kosenamen im solothurnischen Gäu.
Neuschöpfungen
Naturgemäss am bekanntesten sind die Kantonsnecknamen: Zigerschlitz für Glarus, Mostindien für Thurgau, Rätisch-Kongo für (romanischsprachiges) Graubünden etwa oder - neueren Datums - Bonzischtan für Zug.
Die Obwaldner sind Tschifeler, weil sie den Lombardischen Tragkorb «civéra» benutzten, die Nidwaldner Reissäckler, weil sie das Säckchen für Reiseproviant in ihre Kantonstracht integrierten.
Der Aargau wird Rüeblikanton genannt - nicht etwa der Karotten wegen, sondern weil in Fabriken entlang der Aare der gerippte (Rippli) Manchester-Stoff gewoben wurde. Mit Gösgen kam die Bezeichnung Nukleaargau.
Puffer-Zone und Gaza-Streifen heisst der Kanton Aargau heute wenig schmeichelhaft im Jugendslang der benachbarten Metropole Zürich. Dort neckt man allerdings auch sonst recht derb, mit Bezeichnungen wie Golan-Höchi für das Enge-Quartier und Verballhornungen wie Gwaltstette und Gfoerlike.