
Wartezeiten kann man mit kreativen Tätigkeiten, dem Mobiltelefon oder Gesprächen verbringen.
Anna Wingeier
Da sass ich inmitten von vielen anderen Eltern und fühlte mich wie im falschen Film. Wir waren «Leidensgenossinnen» und warteten gemeinsam auf unsere Kinder. Weggehen ging nicht, also die Zeit so gut wie möglich überbrücken, und dies Woche für Woche. Das Bild, das sich mir bot, erschreckte mich doch schon sehr, auch weil ich weiss, dass auch ich das öfters gemacht habe.
Viele Augenpaare, den Kopf leicht gesenkt auf das Handy blickend, konsumierend, schreibend, um alle noch nicht beantworteten Nachrichten endlich zu erledigen und wahrscheinlich auch um den Kopf mal kurz abzuschalten und einfach die Seele baumeln zu lassen. Natürlich habe ich dafür volles Verständnis und weiss nur zu gut, wie erholsam es sein kann, einfach nichts bieten zu müssen, sondern sich etwas berieseln zu lassen. Da sass ich nun, meine Häkelarbeit vor mir, und mein Blick schweifte durch den Raum.
Stricken als Beschäftigung
Ich genoss es, dass ich bei meiner Häkeldecke für den Puppenwagen schnell vorankam, blickte zwischendurch mit Stolz auf meine beiden turnenden Kinder und dann wieder auf all die Eltern. Es gab keinen Blickkontakt, kein Gespräch, es herrschte Ruhe, und ich fragte mich, sehe ich da alles erschöpfte, ausgelaugte Eltern, was ich sehr gut verstehen kann, oder ist es eine Gewohnheit geworden, bei jeder Wartezeit das Handy zu zücken und etwas zu konsumieren? Ich häkelte weiter und erfreute mich an meiner wachsenden Decke.
Das nächste Mal strickte ich ein Stirnband, und auch die Sterne für den Basar konnte ich ausschneiden. Ich war glücklich und freue mich Woche für Woche über die geschenkte Zeit. Austausch mit anderen hatte ich in dieser Zeit nicht, obwohl sich meine Aktivität durchaus damit hätte vereinen lassen. Es wäre nicht so, dass ich mein Handy nie zücken würde, durchaus nicht.
Zeit bewusster nutzen
Oft bietet es mir eine kurze Verschnaufpause und gibt mir die Möglichkeit, dass ich mich weniger einsam fühle, oder ich geniesse es, eine Idee zu bekommen und diese dann umzusetzen. Aber ich entscheide mich immer mehr dazu, genau diese Zeit bewusster zu nutzen. So packe ich für die Wartezeit vor einem Arztbesuch stets eine Strickarbeit oder ein Uno ein, damit wir etwas zu tun haben.
Schon manch gutes Gespräch habe ich dadurch gehabt und somit einen guten Moment. Und dann frage ich mich immer wieder, was haben unsere Vorfahren in solchen Situationen gemacht? Ich schicke einen Gruss in den Himmel und würde mich freuen, wenn ich genau jetzt mit meinen Grosseltern über ihre Wartezeiten sprechen könnte.