«Den richtig guten Käse findet man leicht»

Christian Zürcher ist Käser und Direktor der Fromco. Er war bereits als Superjudge in der Expertenjury an den World Cheese Awards. Im Interview spricht Christian Zürcher darüber, was einen hervorragenden Käse auszeichnet, wie unterschiedlich Geschmäcker weltweit sind und weshalb die Schweiz zu Recht als Käseland gefeiert wird.

Julia Spahr |

Im Interview spricht Käseexperte Christian Zürcher über seine Arbeit als Jurymitglied und Superjudge bei den World Cheese Awards. Er erklärt, worauf es bei der Beurteilung eines guten Käses wirklich ankommt – von Aussehen und Textur bis zur geschmacklichen Komplexität. Zürcher betont den Respekt gegenüber der handwerklichen Arbeit hinter jedem Produkt und zeigt, wie offen und vielfältig die internationale Käsewelt heute ist. Dabei verrät er auch, warum die Schweiz als Gastgeberland des Wettbewerbs besonders motiviert ist.

Was macht einen guten Käse aus? Christian Zürcher: Beim Degustieren achtet man zunächst aufs Aussehen. Der Käse soll schön sein und einen «gluschte». Dann sollte er sich im Gaumen gut anfühlen und ein angenehmes Mundgefühl auslösen. Er sollte auf der Zunge schmelzen fast wie ein Nidletäfeli. Und zuletzt geht es um den Geschmack. Der soll gut und rein sein. Zudem sollten sich wie bei einem guten Wein viele unterschiedliche Essenzen und Aromen im Käse finden. Da sollten milchige, fruchtige, grasige, geröstete Noten darin auftreten, und der Käse sollte eine gewisse Komplexität aufweisen und Geschmäcke zeigen, die sich auch in der Natur wiederfinden. Idealerweise kommt es zu einer regelrechten Geschmacksexplosion im Mund. Man sagt ja immer, dass Schokolade glücklich mache. Aber Käse macht mindestens genauso glücklich.

Sie waren in Wales in der Expertenjury, der sogenannten Superjury. Die andern Judges kommen dort zum Teil aus Ländern wie Mexiko oder Indien. Merkt man die kulturellen Unterschiede und persönlichen Vorlieben in der Degustation? Natürlich kann man einen gewissen Käse mögen oder weniger mögen. Da spielen sicher auch kulturelle Prägungen eine Rolle. Aber als Judge gilt es, das Potenzial des Produkts zu sehen, zu schauen, ob die mitgelieferte Beschreibung mit dem Käse übereinstimmt. Und man prüft, ob die oben beschriebenen Kriterien erfüllt sind. Wenn man so viel Käse degustiert, merkt man schnell, welche Produkte obenaus schwingen. Wenn man einen Wow-Effekt spürt und sagt, «encore», davon will ich mehr. Die richtig guten Käse findet man leicht, ebenso wie die richtig schlechten. Im Mittelfeld ist es schwieriger, sachlich zu beurteilen.

Als Superjudge müssen Sie am  Tag des Wettbewerbs etwa 70 verschiedene Käse von unterschiedlicher Qualität und aus allen Herren Ländern probieren. Wie ist das? Wenn ich das vor fünfzehn Jahren gemacht hätte, hätte ich nicht alles degustieren wollen. Aber jetzt bin ich offener geworden. Man lernt spannende Produkte kennen und merkt, dass es nicht nur wir in der Schweiz gut machen.

Führen Sie aus. Wir können von anderen Ländern lernen. Und es ist wichtig, sich immer wieder mit anderen Leuten zu konfrontieren und zu hören, was sie sagen. In der Jury sind nicht nur Käseexpertinnen aus aller Welt, sondern auch Leute aus der Presse. Auch deren Feedback ist spannend. Für mich ist es wie eine Weiterbildung und eine Möglichkeit, zu sehen, wohin sich die Käsewelt bewegt. Zudem muss man sich immer vergegenwärtigen, dass hinter den Produkten Leute stehen, die Milch produzieren und Käse herstellen. Beim Degustieren geht es auch um den Respekt gegenüber dieser Arbeit – ob man den Käse nun als gut befindet oder nicht.

Gibt es auch für Sie Grenzen? In Sardinien gibt es einen Käse mit lebenden Maden drin. Das ist auch mir zu extrem. Ansonsten bin ich offen – auch wenn ich bei gewissen Käsen sicher vorsichtiger bin, als wenn ich einen Gruyère oder einen Emmentaler vor mir habe.

Was halten Sie von Käse, der etwa mit Kräutern, Chili oder Trüffeln versehen wurde? Dieses Vorgehen ist ja in der Branche zum Teil etwas verpönt.

Zum Teil finde ich es interessant, zum Teil wirkt es fast kitschig. Und es kann schwierig sein, wenn das Gewürz überhandnimmt. Da sich der Käse ausserdem im Laufe der Zeit entwickelt und das Gewürz nicht, ist es schwierig, zu wissen, an welchem Punkt man die richtige Balance hat. Denn es ist wichtig, dass man den Käse immer herausschmeckt. Beim Raclette ist es deshalb eigentlich besser, das Gewürz erst am Schluss nach dem Schmelzen hinzuzufügen. Aber ich finde diese Entwicklung grundsätzlich gut für die Käsebranche, weil es Bewegung bringt. Neuheiten sind willkommen, sie verdrängen ja das Traditionelle nicht.

Zurück zu den World Cheese Awards. Freuen Sie sich, dass sie dieses Jahr in der Schweiz stattfinden? Ja, sehr. Es war nötig, dass dieser renommierte Wettbewerb endlich in die Schweiz kommt, und es ist eine Ehre, dass wir als Käseland sie durchführen können. Wir werden den Käse zelebrieren. Das wird toll.

Sind die Chancen grösser, dass ein Schweizer Käse gewinnt, weil der Wettbewerb bei uns stattfindet? Ja, ich denke schon. Weil die Motivation der hiesigen Branche grösser war, mitzumachen, und weil deshalb mehr Schweizer Käse eingereicht wurde. Zudem vermute ich, dass unter den Juroren mehr Schweizerinnen und Schweizer sind, die natürlich eine kulturell geprägte Vorliebe für den Schweizer Käse haben. Letztes Jahr hat in Portugal ein portugiesischer Käse gewonnen und davor in Norwegen ein norwegischer. Aber natürlich gibt es keine Garantie, dass dieses Jahr ein Schweizer Käse gewinnt.

In Wales 2022 waren Sie Superjudge. Sie haben aus den besten 16 Käse einen Gruyère AOP gewählt und ihn den anderen 15 Superjudges vorgestellt. Danach haben alle abgestimmt, und «Ihr» Gruyère hat den Weltmeistertitel geholt. Wie war das für Sie? Das war ein gutes Gefühl. Ich war stolz, und ich hoffe, dass sich das wiederholt. Aber natürlich geht es vor allem ums Fest. Einer wird gewinnen, aber viel wichtiger ist es, dass die Schweiz eine gute Präsenz zeigt und dass möglichst viel Supergold-Auszeichnungen an Schweizer Käse gehen.

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