Wie aus der Rübe Schweizer Zucker wird

Rund 230’000 Tonnen Zucker stammen jährlich aus Schweizer Zuckerrüben – und landen später in Schokolade, Joghurts, Getränken oder als Haushaltszucker in den Regalen. Doch wie wird aus einer unscheinbaren Wurzel eigentlich Zucker? Ein Blick hinter die Kulissen der Zuckerfabrik in Aarberg.

Renate Hodel, lid |

Zuckerrüben werden in der Schweiz seit über 100 Jahren angebaut. Quer durchs Mittelland, vom Genfersee bis ins Rheintal, wächst die Zuckerrübe heute – rund 3’800 Landwirtinnen und Landwirte kultivieren die Rübe auf einer Fläche von rund 17’500 Hektaren, etwa so viel wie der ganze Kanton Appenzell Innerrhoden.

Gesät wird ab März – auf Biobetrieben werden vermehrt Setzlinge statt Saatgut verwendet, um die Pflanzen robuster gegen Konkurrenz und Schädlinge zu machen.

Nach 180 Tagen erntereif

In rund 180 Tagen bildet die Pflanze bis zu 20 Blätter und speichert mithilfe von Photosynthese Zucker in der Wurzel. Der Zuckergehalt steigt im Herbst besonders stark an, sobald es nachts kühler wird und die Zuckerrübe auf den nahenden Winter reagiert. Nach rund 180 Tagen im Boden wiegt eine Rübe 700 bis 1’200 Gramm und enthält 15 bis 20 Prozent Zucker. Dann ist es Zeit für die Ernte.

Vollerntemaschinen holen die Rüben dann aus dem Boden und die sogenannte Rübenmaus reinigt, lädt und befördert diese dann in Transportfahrzeuge. Der Grossteil der Rüben bleibt in der Region: Innerhalb eines Radius von 30 Kilometern liefern viele Betriebe per Traktor direkt in die Fabrik. Aus entfernteren Regionen kommen Lastwagen oder die Bahn zum Einsatz. Jährlich treffen über 1,5 Millionen Tonnen Zuckerrüben in Aarberg und Frauenfeld ein – eine logistische Leistung, die einem 450 Kilometer langen Güterzug entspricht.

Analyse entscheidet über Vergütung

Im Waaghaus folgt das Wiegen und Probenziehen: Vor der Verarbeitung wird jede Lieferung gewogen und eine Probe im Labor untersucht. Dort werden Zuckergehalt, Fremdbesatz und Inhaltsstoffe analysiert. Diese Werte bestimmen die Vergütung der Landwirtinnen und Landwirte für die abgelieferten Zuckerrüben.

Um die Fabriken auch am Wochenende auszulasten, werden Rüben zwischengelagert. In Aarberg geschieht dies im noch oben offene Rübensilo. 

Vom Rübenstück zum Zuckerrohsaft

Bevor die Verarbeitung beginnt, werden die Rüben gewaschen. Das Wasser stammt grösstenteils aus den Rüben selbst, die zu zwei Dritteln aus Wasser bestehen. Die Erde wird nicht entsorgt, sondern nebenan in der Ricoter-Tochterfirma zu Gartensubstraten weiterverarbeitet.

Nach der Wäsche werden die Rüben in dünne Schnitzel geschnitten und im Extraktionsturm mit heissem Wasser ausgelaugt – ähnlich wie bei einem Teebeutel. Der entstehende Zuckerrohsaft wird weiterverarbeitet, die zurückbleibenden Pressschnitzel werden als energie- und faserreiches Viehfutter wieder in der Landwirtschaft eingesetzt. Die Zuckerfabrik in Frauenfeld gewinnt zusätzlich das begehrte «Swiss Beta Pektin» – ein natürlicher Gelier- und Bindestoff für Lebensmittel und Kosmetik.

Vom Saft zum Kristall

Mit Kalkmilch und Kohlendioxid wird der Zuckerrohsaft «gereinigt» respektive Fremdstoffe aus dem Rohsaft entfernt. Aus dem klaren Dünnsaft, der zirka 16 Prozent Zucker enthält, entsteht durch Eindampfen ein sirupartiger Dicksaft mit 65 Prozent Zucker.In den Kristallisatoren wird dem Dicksaft unter Vakuum weiteres Wasser entzogen, bis sich Zuckerkristalle bilden.

In Zentrifugen werden diese Kristalle anschliessend vom Sirup getrennt und getrocknet. Dabei entsteht neben Kristallzucker die Melasse. Sie wird als Tierfutter verwendet oder weiterverarbeitet, unter anderem zu Backhefe oder – in Aarberg – zu Schweizer Ethanol für Spirituosen, Kosmetik und Pharma.

Vom Silo in die Lebensmittelproduktion

Der fertige Zucker wird in Silos gelagert und ganzjährig weiterverarbeitet – zu verschiedenen Sorten und Körnungen, mit und ohne Label. Neben konventionellem Zucker werden Suisse-Garantie-, IP-Suisse- und Biozucker hergestellt. Biozucker entsteht ausschliesslich in Frauenfeld.

Rund 87 Prozent des inländischen Zuckers gehen direkt an die Lebensmittel- und Getränkeindustrie, nur 13 Prozent an den Detailhandel als Haushaltszucker. Der Inlandanteil deckt etwa 70 Prozent des Schweizer Bedarfs, der Rest wird mehrheitlich aus der EU importiert.

Die Schweizer Zucker AG

1899 nahm Aarberg als erste Schweizer Zuckerfabrik den Betrieb auf, 1963 folgte Frauenfeld. Seit 2014 firmieren sie gemeinsam als Schweizer Zucker AG, die heute rund 270 Mitarbeitende beschäftigt – während der Kampagne bis zu 350. Zudem bildet das Unternehmen etwa 30 Lernende aus.

Zuckerproduktion benötigt viel Dampf und Strom. Um Energie zu sparen, laufen die Fabriken während der Rübenkampagne von September bis Dezember darum rund um die Uhr, damit die Temperatur konstant hoch bleibt. Moderne Holzkraftwerke decken heute einen grossen Teil des Energiebedarfs – in Aarberg sind es bis zu 60 Prozent.

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