Auch Käse-Weltmeister habens nicht leicht

Im abgelegenen Vorderfultigen BE machte Urs Leuenberger Gruyère AOP, der 2022 an den World Cheese Awards den Gesamtsieg holte. Heute führt Pius Hitz die Käserei – trotz Ruhm steht er vor Schwierigkeiten. Man könnte meinen, dass der Sieg an den World Cheese Awards vor drei Jahren ein Aufschwung und Lichtblick für die kleine Bergkäserei war.

Julia Spahr |

Auf der Postautofahrt reiht sich Kurve an Kurve. Die grünen, menschenleeren Hügel geben das nächste Dorf nicht preis. Schliesslich hält das Gefährt. Vor einem grossen Haus in Vorderfultigen. «Käserei» steht in Neonbuchstaben am alten Haus direkt neben der Bushaltestelle. Am Fuss der Treppe, die ausserhalb der Fassade in den ersten Stock führt, wo die Betriebsleiterwohnung über der Produktionsstätte liegt, ein Selbstbedienungskühlschrank mit den Spezialitäten.

Darunter auch der Käse, der 2022 an den World Cheese Awards den Weltmeistertitel geholt hat. Urs Leuenberger steht neben dem Kühlschrank vor der Bergkäserei Vorderfultigen. Er war es, der den Käse damals gemacht hat, und erzählt, wie er vom Sieg erfuhr. Er hatte seinen Käse im Sommer 2022 abgeliefert, liess ihn nach Wales schicken und dachte nicht mehr daran.

Über 4’000 Käsen

An einem Novemberabend, er war gerade in der Käserei beschäftigt, klingelte sein Handy. Jemand gratulierte ihm per SMS zum besten Käse. Merkwürdig. Ein paar Minuten später erneut eine Nachricht dieser Art. Am nächsten Tag stand es im «Blick». Und er begriff langsam. Leuenbergers ohnehin freundliches Gesicht wird noch freundlicher, wenn er davon spricht.

Überrascht sei er gewesen. «Ich wusste, dass mein Käse gut ist, ich habe das aber nicht überbewertet.» Er wisse, dass es auch Glück brauche und dass viel zusammenkommen müsse, damit das eigene Produkt aus über 4’000 Käsen als bestes hervorgehe.

Schwerer Schritt

Trotzdem sei es eine Genugtuung gewesen. Vor allem, weil er in der Käserei Vorderfultigen bereits gekündigt hatte. Es war ein würdiger Abschluss der acht Jahre, die er in der Bergkäserei verbracht hatte. Für den heute 60-Jährigen war der Entscheid damals ein schwerer. Er schätzte die Selbstständigkeit und die gute Zusammenarbeit mit den sieben Bauern, die ihn aus dem nächsten Umkreis mit Milch belieferten und gleichzeitig Genossenschafter der Käserei sind.

Er hatte aber zunehmend Probleme, Mitarbeitende zu finden. Als der heute 44-jährige Pius Hitz, ein erfahrener Käsermeister, bei ihm anfing, sah Leuenberger seine Chance. Er übergab dem jüngeren Mann die Leitung der Käserei und ging. Heute ist er in Trubschachen BE in einer anderen Käserei angestellt. Hitz lebt mit seiner Familie in der Wohnung oberhalb der Produktionsstätte. Am Küchentisch erzählt er, dass er den Schritt, den Leuenberger vor drei Jahren getroffen hat, heute gut nachvollziehen könne.

Auch er hat Probleme, gutes Personal zu finden. Das sei zermürbend. Kaum jemand wolle mehr regelmässig an den abgelegenen Ort reisen und die schwere Arbeit verrichten. Die Käserei sei alt und mache die Arbeit nicht unbedingt attraktiv. Schmierroboter hätten sie keinen, und auch die Platzverhältnisse seien sehr beengt. Ein Umbau und eine Erweiterung wären nötig. Die Genossenschafter seien aber keine Grossbauern, für sie würde eine solche Investition zumindest kurzfristig gewaltige Einschränkungen bedeuten.

Bewilligung der Sortenorganisation nötig

Eine Lösung wäre, mehr Milchproduzenten aus der Umgebung zu gewinnen. Das ist aber nicht so einfach. Vorderfultigen liegt eigentlich nicht im Gruyère-AOP-Gebiet. Die Käserei gilt als Satellitenbetrieb, und nur Bauern aus der unmittelbaren Nähe kommen infrage. Für die Erweiterung des Einzugsgebiets braucht es eine Bewilligung der Sortenorganisation. Das entsprechende Gesuch ist dort bereits eingegangen. Noch steht die Entscheidung darüber aus.

Auch die aktuelle Situation mit den US-Zöllen macht Hitz’ Arbeit nicht einfacher. Der Gruyère ist stark davon betroffen. Die Kontingente der Käsereien sind bereits zurückgegangen. «Zum Glück produzieren wir schon seit jeher eigene Spezialitäten», sagt Hitz. Die Bauern seien normalerweise nicht begeistert, wenn aus ihrer Milch etwas anderes als Gruyère AOP entstehe, weil sie dafür einen etwas kleineren Milchpreis bekämen. «Jetzt sind sie aber froh, dass ich ihnen die gleiche Milchmenge abnehmen kann, obwohl ich nicht mehr so viel Gruyère AOP mache», sagt Hitz.

Titel als Aufschwung?

Man könnte meinen, dass der Sieg an den World Cheese Awards vor drei Jahren ein Aufschwung und Lichtblick für die kleine Bergkäserei war. Das war er aber nur bedingt. Nach der Bekanntgabe seines Siegs bekam Leuenberger viele Anfragen. Die Leute bestellten den Käse aus der ganzen Schweiz. Grossen finanziellen Vorteil hatte er davon aber nicht. Er konnte aufgrund der Kontingente nicht mehr produzieren als in anderen Jahren. Deshalb lieferte er weniger Käse ab und verkaufte ihn privat. Mit Mehraufwand.

Der Ruhm ist aber geblieben – bis heute. Der Selbstbedienungskühlschrank vor der Tür kam zustande, weil noch immer Leute anreisen, die den Weltmeisterkäse kaufen wollen. Auch sonst sei es schön gewesen, so viel Wertschätzung für den Käse zu erfahren. Hitz sagt ebenfalls, dass solche Auszeichnungen zwar keinen finanziellen Nutzen bringen. Dass es aber schön sei, den Käse in so gutem Licht zu sehen. Deshalb hat Hitz auch dieses Jahr wieder Gruyère und Spezialitäten eingereicht und ist gespannt, was an den World Cheese Awards in Bern damit passieren wird

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