
Marina Bösch auf der Gartenbank vor dem Elternhaus in Urnäsch.
Ramona Riedener
Am Fuss des Säntismassivs, eingebettet in die sanfte Hügellandschaft des Appenzellerlands, liegt Urnäsch. In diesem Dorf ist das Leben tief verwurzelt im Brauchtum. Das Silvesterklausen, der Jodelgesang und die Alpfahrten prägen das Jahr wie Frühling, Sommer, Herbst und Winter. In diesem lebendigen Kulturgut ist Marina Bösch aufgewachsen. Die 19-Jährige trägt das Appenzeller Erbe im Herzen ‒ und verkörpert es dieses Jahr als Ehrendame am Schwägalp-Schwinget.
Fester Bestandteil sind Tiere
Bereits am frühen Sonntagmorgen beginnt ihr grosser Tag. Gemeinsam mit einer Kollegin aus dem Appenzellerland und zwei Vertreterinnen aus dem Kanton St. Gallen steht sie mittendrin ‒ bei der Begrüssung, beim Apéro, beim Festakt bis hin zur feierlichen Siegerehrung nach dem Schlussgang. In traditioneller Appenzell Ausserrhoder Sonntagstracht und mit ihrem natürlichen Lächeln begleitet sie den Anlass mit viel Charme. Ein Ehrenamt, von dem manche junge Frau träumt.
Mit ihren zwei jüngeren Brüdern ist Marina Bösch in einem schmucken Appenzellerhaus rund zwei Kilometer ausserhalb des Dorfes aufgewachsen. Ein fester Bestandteil der Familie Bösch sind Tiere – fast ein kleiner Zoo: «Wir hatten immer Haustiere ‒ mal mehr, mal weniger. Heute sind es zwei Zwerggeissen, vier Katzen, einige Hühner und Border Collie Bobby», erzählt Bösch mit einem Lächeln. Wie viele Kinder auf dem Land verbrachte sie viel Zeit draussen in der Natur.
Unregelmässigen Arbeitszeiten
«Ich war am liebsten draussen am Spielen, Herumtollen und auf Entdeckungsreise. Im Winter war ich so oft wie möglich auf den Skiern. Der Skilift ist ganz in der Nähe ‒ auf der letzten Abfahrt konnten wir fast bis vors Haus fahren.» Das Skifahren zählt bis heute zu ihren liebsten Hobbys. Ebenso die Jugi, der sie bereits im Kindergartenalter beigetreten ist. Heute leitet sie als engagierte Jugileiterin die Mädchenriege des Turnvereins Urnäsch.
Nachdem sie vor einem Jahr ihre Ausbildung zur Detailhandelsfachfrau EFZ erfolgreich abgeschlossen hat, arbeitet Marina Bösch weiterhin bei ihrem Lehrbetrieb, der Bäckerei Böhli in der Filiale Gais. Mit den unregelmässigen Arbeitszeiten inklusive Wochenenddienst hat sich die junge Frau gut arrangiert. «Ich geniesse es, freizuhaben, wenn andere arbeiten», sagt sie schmunzelnd. Und an Begleitung für ihre Freizeitaktivitäten fehlt es der fröhlichen Urnäscherin nicht.
Vom Schwingen begleitet
Dass Marina Bösch am diesjährigen Schwägalp-Schwinget Ehrendame ist, kommt nicht von ungefähr. Zwar ist sie selbst nie in die Schwingerhose gestiegen, doch ihre Begeisterung für den Sport der «Bösen» begleitet sie seit früher Kindheit. Ihr Vater, ihr Grossvater und ihr Onkel waren schon diesem Sport verfallen. Ihre aktive Zeit war jedoch bereits vorbei, als Marina Bösch als kleines Mädchen am Sägemehlring stand. «Ich war an vielen Schwingfesten ganz vorne dabei und habe besonders meinen beiden Brüdern, fest die Daumen gedrückt», erinnert sie sich.

Das waren die Ehrendamen vom diesjährigen Schwägalp-Schwinget. Und Marina Bösch ist mittendrin.
zvg
Ihre Augen beginnen zu leuchten ‒ ein Blick, der verrät, wie viel ihr der Schwingsport bis heute bedeutet. Heute ist nur noch ihr 14-jähriger Bruder als Jungschwinger aktiv. Doch Bösch ist weiterhin an Schwingfesten anzutreffen, als Helferin hinter den Kulissen oder als Zuschauerin direkt am Ring. Umso grösser war die Freude, als ihr Vater, OK-Mitglied des Schwägalp-Schwingets, ihr eröffnete: «Du bist als Ehrendame vorgesehen.» Ein Moment, der alles veränderte.
Vorfreude auf Hühnerhaut-Momente
Als Erstes musste eine passende Tracht her ‒ aus der Kindertracht war sie längst herausgewachsen. Die Überraschung war perfekt, als die Tracht ihrer Gotte, inklusive Schuhen, wie angegossen passte. Jetzt heisst es warten auf den grossen Tag. Noch bleibt die Ehrendame ruhig, doch sie ahnt: Die Nervosität wird kommen.
Spätestens, wenn sie an den vielen Zuschauerinnen und Zuschauern vorbei durchs Zelt schreiten wird. Ab dann werden Hühnerhaut-Momente und Highlights Schlag auf Schlag folgen. «Ich freue mich auf den ganzen Tag – aufs Anschwingen am Morgen, auf die Siegerehrung nach dem Schlussgang am Abend, auf alles dazwischen. Es sind diese besonderen Momente, die bleiben.»