
Die Erstausbildung von Andy Tobler ist die zum Zimmermann.
Susanne Sigrist
«Es ist allerdings streng, das muss ich schon zugeben», sagt Andy Tobler, während er auf der Weide oberhalb des Hofs Zaunpfähle einschlägt. «Dieses Jahr ist es zum Glück etwas ruhiger, aber letztes Jahr war ich gelegentlich am Limit.» Seit sechs Jahren ist er nun mit seiner Frau und den drei Kindern im Loorenhof daheim. 2019 übernahm er die Pacht des Wernetshauser Demeterhofes zusammen mit seinem Kollegen Alfred Schädeli. Vier Jahre später lösten sie ihre Hofgemeinschaft auf, und seither ist er alleiniger Pächter.
Andy Tobler: «Eine Hofgemeinschaft ist schön, aber anspruchsvoll. Es ist nicht einfach, die anfallenden Arbeiten so aufzuteilen, dass alle Freude daran haben. Auch braucht es ständig Absprachen.» Der Hof gehört Brigitta Züst, die auch das Übersetzerhaus Looren besitzt. Angedacht ist, den Hof wie dieses in eine Stiftung zu überführen. Zum Hof gehören 40 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche in voralpiner Zone, östlich des Dorfes am Fuss des Bachtels gelegen.
Keine spezielle Herausforderung
Bei klarem Wetter glitzert unweit der Zürichsee, während die Alpen den Horizont säumen. Seit 2005 wird der Loorenhof nach Demeterrichtlinien geführt, Andy Tobler musste also nichts umstellen. Im Pachtvertrag ist festgehalten, dass die Milch seiner Kühe in der dorfeigenen Chäsi, der Sennerei Bachtel, abgeliefert werden muss. Diese nimmt von Betrieben in der näheren Umgebung Milch an, die von silofrei ernährten, horntragenden Kühen stammt. Daraus produziert die Käserei feine Spezialitäten in Demeterqualität.
Diese Vorgaben sind für Andy Tobler keine spezielle Herausforderung. «Ich bin ein leidenschaftlicher Melker, und Hörner sind schön», sagt er und lacht. Er zeigt den Melkstand, der für fünf Kühe Platz bietet. «100 Schwänze» habe er auf seinem Betrieb, sagt er: Mutterkühe, alle Rätisches Grauvieh und gut unterwegs in der hügeligen Gegend. Dazu Rinder, welche auch diesen Sommer auf der Alp im Tessin oder in Graubünden weideten. Die Kälber und die rund 30 Milchkühe bleiben auf dem Hof. Momentan hilft eine Praktikantin auf dem Betrieb mit, dazu mehrere Mitarbeitende in Teilzeit. Für die Ausbildung von Lehrlingen fehle ihm leider die Zeit und auch die Geduld, das habe er nach einem Versuch bald gemerkt, meint Tobler.
Auf der Alp hat es ihm den Ärmel reingezogen
Er selbst ist erst mit 36 Jahren zur Landwirtschaft gekommen. Obwohl, fremd war sie ihm eigentlich nicht, da er als Jugendlicher oft auf dem Hof des Grossvaters mitgeholfen hatte. «Damals auf der Alp hat es mir dann allerdings so richtig den Ärmel reingenommen», erzählt der 48-Jährige, der früher eine Ausbildung zum Zimmermann gemacht hatte und anschliessend den Techniker Holzbau. «Ich wusste: Ich muss Bauer werden.» So zog er mit seiner Familie nach Steckborn TG, wo er auf einem Biobetrieb mitarbeiten konnte.
2013 startete er mit anderen jungen Idealisten in der ersten Klasse der biodynamischen Ausbildung in Rheinau ZH. «Es war wie im Wilden Westen», sagt er und grinst in Erinnerung daran. «Alles neu und spannend. Wir hatten geniale Lehrer wie zum Beispiel Fredi Strasser, der uns im Fach Pflanzenbau unterrichtete. Er war eine Koryphäe. Auch die Zusammenarbeit mit dem Strickhof fand ich sehr gut. Wir hatten die überfachlichen Kurse dort und begegneten Berufskollegen, die die konventionelle Ausbildung gemacht haben. So schwebten wir als angehende Biobauern nicht in einer abgekapselten Wolke. Trotzdem war es für uns als erste Klasse des biodynamischen Lehrgangs ein permanentes Experimentieren mit allen möglichen Themen, richtig extrem war das.»
Mittlerweile sind ihm auch die Hühner ans Herz gewachsen
Auf dem Loorenhof ist der Alltag weniger spektakulär. Hier leben Kühe, einige Schweine und viele Hühner. Die Hühner legen pro Woche rund 1500 Eier, die sowohl extern wie auch im Hofladen verkauft werden. Andy Tobler fühlt zu den Zweibeinern zwar nicht die gleiche Nähe wie zu den Kühen. «Aber mittlerweile sind sie mir auch ans Herz gewachsen. Ich finde es vor allem schön, dass wir nicht Teil der Hühnerindustrie sind, da würde es einem ja schlecht. Unsere Tiere haben ein gutes Leben.»
«Ich besitze das nötige Wissen, um einen Demeterbetrieb zu führen, aber ehrlich gesagt lasse ich mich nicht nur von theoretischen Vorgaben leiten. Wichtiger ist mir, dass ich meine Tiere und meine Felder kenne und weiss, wann welche Arbeiten getan werden müssen.»
Für sie baut er Futterweizen an, während er die Gerste an die Schweine verfüttert. Die Auflagen für einen Demeterbetrieb sind anspruchsvoll. Andy Tobler hat die Ausbildung EFZ zum Biobauern absolviert. Ihm fehlt der Abschluss Fachperson biodynamische Landwirtschaft, weil während der Ausbildung seine Frau das dritte Kind gebar und er das vierte Lehrjahr nicht machte. «Aber die Ausbildung war sehr vielseitig. Wir lernten andere Höfe kennen, Demeterbetriebe und auch konventionelle», erzählt er. «Ich besitze das nötige Wissen, um einen Demeterbetrieb zu führen, aber ehrlich gesagt lasse ich mich nicht nur von theoretischen Vorgaben leiten. Wichtiger ist mir, dass ich meine Tiere und meine Felder kenne und weiss, wann welche Arbeiten getan werden müssen.»
Wohl der Tiere
Bei der Tierhaltung zum Beispiel, so Tobler, sei eine gute Beziehung zu den Tieren zentral, nur so könne man früh erkennen, wenn ihnen etwas fehle, und dann schnell reagieren. Überhaupt, einen guten Bauern erkenne man an seiner Arbeit. «Ich lasse mich nicht an einem Label festmachen. Klar, es kann dir Richtung geben, aber es engt dich auch ein.» Für ihn persönlich stimmt die Biorichtung, da er den Einsatz von chemischen Mitteln vermeiden möchte.
Auch das Wohl seiner Tiere liegt ihm am Herzen. «Aber ich denke, alle Bauern und Bäuerinnen müssen rationell arbeiten», meint er. «Generell wäre es – so denke ich – besser, wenn man die Entwicklung auf den Höfen verlangsamen würde. Ich weiss, der Mensch ist ein ungeduldiges Wesen, und natürlich möchten auch Schulen bei den aktuellen Trends dabei sein. Ich finde es jedoch besser, wenn nicht jeder neuste Schrei mitgemacht wird. Was wir in der Landwirtschaft brauchen, ist der Fokus auf eine solide Grundlage. Das fand ich vor 12 Jahren, als ich die Ausbildung machte, und das finde ich immer noch.»