«Sehe die Arbeit, kann aber nichts tun»

Mit einem künstlichen Kniegelenk habe sie 20 Jahre Ruhe, versprachen die Ärzte Bergbäuerin Josianne Mathieu. Doch stattdessen folgten sieben Operationen in neun Jahren – und die Bäuerin ist nicht schmerzfrei.

Christian Zufferey |

Während den Festtagen präsentieren wir euch in regelmässiger Folge Artikel, die 2024 auf reges Interesse gestossen sind. Dieser Artikel wurde am 15. April 2024 erstmals publiziert.

Ihr Betrieb liegt auf etwa 1’200 Metern über Meer. Das Landwirtepaar Albert und Josianne Mathieu aus Albinen VS einen Simmentaler-Reinzuchtbetrieb mit einer Fläche von rund 46 Hektaren in den Bergzonen III und IV. Sie melken 23 Milchkühe, mit derzeit 16 Rindern und 10 Aufzuchtkälbern.

Bis 2015 war sie fürs Melken zuständig, während er sich um andere notwendige Dinge in und um den Stall kümmern konnte. Auf ihrem Betrieb gab es immer schon viel zu tun, zumal sie ausschliesslich Flächen in Hanglagen bewirtschaften. Manche Flächen sind so steil, dass einachsige Maschinen mit Stachelrädern die einzigen Landmaschinen sind, die man da nutzen kann.

Trotz Schmerzen geheut

Heute jedoch schafft Josianne Mathieu das nicht mehr. «Ich muss mich im Sommer auf die Arbeit am Heukran beschränken», erzählt sie. Die Kühe melken ist, seit sie ihr Knie nicht mehr richtig beugen kann, ebenfalls nicht mehr möglich. «Es fällt manchmal schon schwer, wenn man die Arbeit sieht, aber nichts mehr tun kann», erzählt Mathieu.

«Es war im Sommer 2015, als mich starke Schmerzen im Knie zu plagen begannen», erzählt sie weiter. Trotzdem habe sie weiter geheut – und ihre Kniegelenke im steilen Gelände stark belastet. Es war ein trockener Sommer, sodass sie schon Ende Juli mit dem Heuen fertig waren. Danach lag sogar eine einwöchige Reise nach Rom drin – es sollte die letzte grössere Reise sein, die sie antreten konnte. Die Schmerzen zwangen sie danach, einen Arzt aufzusuchen – den ersten von sieben, wobei jeder eine andere Meinung vertrat.

Nach vier Operationen konnte ich mein Knie gar nicht mehr beugen

Josianne Mathieu

An Spezialisten überwiesen

Der Hausarzt schickte sie im Februar 2016 zunächst einmal zu einer Arthroskopie. Da wurde bereits festgestellt, dass sie an Arthrose leidet – mit einer starken Entzündung, die ihr das Melken bereits unmöglich machte. Die heute 47-jährige war damals erst 38 Jahre alt. «Nach drei erfolglosen Gelenkreinigungen wurde mir mitgeteilt, dass ich schon sehr bald ein neues Gelenk benötige», erzählt Mathieu.

Dazu wurde sie an einen Spezialisten nach Bern überwiesen. «Er sagte mir, dass ich eine halbe Prothese benötige und danach 20 Jahre Ruhe habe», erinnert sie sich. Das erste künstliche Kniegelenk wurde ihr eingesetzt, wenige Tage, bevor sie 41 Jahre alt wurde. Nach dieser bereits vierten Operation konnte sie das Knie aber gar nicht mehr beugen.

Mehrere Komplikationen

So musste sie sich sechs Wochen später ein fünftes Mal unters Messer legen – für eine «Narkosemobilisation», bei der das Knie unter Narkose gebeugt wurde. Doch es kam zu Komplikationen, sodass sie zehn statt nur vier Tage im Krankenhaus bleiben musste. Trotzdem ging es ihr nicht besser. So holte sie sich 2019 eine Zweitmeinung bei einem weiteren Arzt, einem Spezialisten in Zürich. Dieser stellte fest, dass das Gelenk, das sie bekommen hat, zu gross war und falsch eingesetzt wurde, und erklärte ihr, dass sie nun ein Vollgelenk bekomme, was zu einer sechsten Operation und anschliessender Rehabilitation in einer Reha-Klinik führte.

Doch sie hatte nach wie vor Mühe, das Knie zu beugen und litt weiter unter starken Schmerzen. So wurde sie vor etwas mehr als einem Jahr zu einem weiteren Spezialisten nach Bern geschickt. «Dieser stellte eine bakterielle Infektion fest und dass ich auf das Material in der Prothese, auf das Knochenzement, das aus Palladium und Nickel besteht, allergisch bin», erzählt Mathieu. Auf eine Prothese ohne Knochenzement musste sie allerdings ein paar Wochen warten und dann noch eine siebte, sechsstündige Operation über sich ergehen lassen. «Es war an genau dem Tag, als unsere Kühe auf die Alp gebracht wurden», erzählt sie.

Positiv eingestellt mit neuen Aufgaben

Seit der letzten Operation sind neun Monate vergangen. «Es ist besser geworden, ich bin aber nicht schmerzfrei», erklärt sie. Besonders bei nasskaltem Wetter. «Im Alltag und auf unserem Betrieb bin ich immer noch stark eingeschränkt.» Sie benötigt weiterhin regelmässig Physiotherapie.

Die gelernte Landwirtin kann daher praktisch nur noch zuschauen, wie ihr Mann Albert und ihr Sohn Frédéric die Arbeiten im Stall erledigen. Derweil bemüht sie sich, positiv eingestellt zu bleiben und sich darüber zu freuen, dass sie zumindest noch die Kälber tränken und ein paar Legehennen füttern kann. Dank neuer Aufgaben sorgt sie auch für etwas Abwechslung. Dazu gehören Führungen in der Augstbordkäserei in Turtmann, wo Mathieus ihre Milch abliefern.

Oberwalliser Landfrauen

2020 wurde sie ausserdem in den Vorstand der Oberwalliser Bäuerinnen gewählt – heute Oberwalliser Landfrauen. «Ich lerne dadurch viele interessante Leute kennen und erlebe viel Schönes», erzählt sie. Dieses Amt erlaubt ihr sogar wieder zu reisen – mehr als nur zu Ärzten und in Spitäler, sondern auch an Delegiertenversammlungen, wie etwa zu der am 24. und am 25. April stattfindenden DV der Schweizer Bäuerinnen und Landfrauen (SBLV) in Neuenburg.

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