
In Sigriswil BE, über dem Thunersee gelegen, halten Fritz und Kathrin Bühler Heidschnucken.
Christian Zufferey
Von ihrer Wohnung aus und dem gepachteten Schafstall direkt daneben haben Fritz und Kathrin Bühler eine herrliche Panoramaaussicht über den Thunersee. Doch in Sigriswil BE, wo sie wohnen, halten sie nur noch wenige Schafe.
Heidschnucken
Es sind Heidschnucken, eine gehörnte, extensive Rasse, für die der Schweizerische Schafzuchtverband (SSZV) erst seit drei Jahren das Herdebuch führt. Sechs weitere Mutterschafe und deren Lämmer besitzen sie dagegen auf einer weit entfernten Insel – in Irland.
Fritz Bühler hat 2006 den Verein Schweizer Heidschnucken-Halter (VSHH) gegründet und stand diesem 17 Jahre lang als Präsident vor. Davor war er 12 Jahre lang Präsident der örtlichen Schafzuchtgenossenschaft für das Braunköpfige Fleischschaf (BFS). «Ich hatte schon an meinen BFS Freude und habe an Ausstellungen teilgenommen, doch haben meine Schafe da mehr als einmal Krankheiten aufgelesen», erinnert er sich. Als ihm in seiner Nähe eine Herde Heidschnucken ins Auge gestochen ist, war für ihn klar, dass er umstellen will. An den Heidschnucken gefiel ihm vor allem, dass sie sehr leicht ablammen.
Ein Traum wird wahr
Eine Eigenschaft, die auch auf die nach einer Halbinsel in Wales (Grossbritannien) benannte Schafrasse Lleyn zutrifft. Sie bringen allerdings meist Drillinge oder Vierlinge zur Welt – Zwillinge oder gar Einlinge sind selten. Auf die Rasse wurde er aufmerksam, als er seine Frau Kathrin auf einer ihrer zahlreichen Reisen begleitete. Kathrin Bühler ist seit 21 Jahren als Reiseleiterin für Landwirtschaftsreisen tätig und begleitete auch «Schweizer Bauer»-Leserreisen.

Im Westen von Irland haben sich Fritz und Kathrin Bühler eine kleine Farm gekauft, auf der sie Lleyn-Schafe halten.
Sheila Mahon
Auf einer ihrer gemeinsamen Reisen nach Schottland fiel ihnen auf, wie viele Farmen zum Verkauf ausgeschrieben sind. «Jedes Mal, wenn wir von einer solchen Reise nach Hause zurückkehrten, sprachen wir darüber, wie schön es doch wäre, eine kleine Farm zu haben», erinnern sich die beiden heute. Doch erst nach seiner Pensionierung wurde die Idee konkret. Fritz Bühler war beim Militärdepartement tätig. Heute ist er 74, sie 69 Jahre alt. Nachdem das Vereinigte Königreich jedoch bereits den Brexit beschlossen hatte, konzentrierten sie sich auf der Suche nach einer zu ihnen passenden Farm auf das in der EU verbleibende Irland.
Bei Stadt Galway
In der Nähe der an der irischen Westküste gelegenen Stadt Galway fanden sie schliesslich die Cloongownagh-Farm. Der irische Name bedeutet «Kälberweide, um die ein Fluss fliesst». 2018 konnten sie diese erwerben. Fritz Bühler erzählt: «Wir haben unser Haus in Sigriswil unserem Sohn verkauft, damit wir uns die Farm kaufen konnten.» Von ihm mieten sie nun, während sie in der Schweiz sind, ihre kleine Wohnung.
Insgesamt umfasst die Farm in Irland etwa 16 Hektaren, wovon Bühlers das meiste einem Bauern verpachten, der Mutterkühe hält und während ihres Aufenthalts in der Schweiz zu ihren Schafen schaut. Etwa eine halbe Hektare haben sie für sich selbst behalten, worauf sie nun ihre Lleyn-Schafe halten.
Hausmilch für die Bauernfamilien
Äusserlich ähnelt das Lleyn-Schaf dem Texelschaf, doch sind der Kopf und die Beine zierlicher. Ihr Schlachtgewicht von 42 bis 45 Kilo erreichen sie innert vier bis fünf Monaten, obschon sie nur Gras, Heu und Mineralstoffe fressen. Lleyn-Schafe geben sehr viel Milch. «Es sind ursprünglich Zweinutzungsschafe», weiss Fritz Bühler. «Sie hatten genug Milch, um Lämmer grosszuziehen, Hausmilch für die Bauernfamilien zu haben und den Rest sogar noch zu verkäsen.» Heute werden sie auf den Britischen Inseln meist als Fleischschafe gehalten.
«Selbst wenn wir unsere Schafe zwei Monate lang nicht mehr gesehen haben, erkennen sie uns gleich wieder an unseren Stimmen.»
Um die Auen vor Euterverbiss zu bewahren, separieren Bühlers die dritt- und viertgeborenen Lämmer und ziehen sie mit Lämmermilch gross. Deshalb halten sich Bühlers, wenn ihre Lleyn-Schafe jeweils ab Mitte Februar ablammen, bis etwa April in Irland auf.
«Ein Paradies»
Wenn sie in Irland eintreffen, wird eine weitere Eigenschaft der Lleyn-Schafe deutlich. «Sie sind ausgesprochen zahm», ist Kathrin Bühler begeistert. «Selbst wenn wir unsere Schafe zwei Monate lang nicht mehr gesehen haben, erkennen sie uns gleich wieder an unseren Stimmen.» Im April kehren sie nach Sigriswil zurück, weil dann ihre Heidschnucken ablammen, um die sich während ihrer Abwesenheit ihre Kinder und Enkel kümmern. Diese halten Bühlers derzeit noch davon ab, definitiv nach Irland auszuwandern.
In Irland haben Bühlers zwar keine Aussicht mehr auf einen See und auch nicht aufs Meer. Denn die Küste liegt etwa 30 bis 40 Kilometer von ihrer Farm entfernt. «Es ist ein anderes Paradies», vergleicht Kathrin Bühler, während sie über den Thunersee schaut und auf der gegenüberliegenden Seite des Sees das zunehmend dichter überbaute Spiez sieht, und sagt: «Irland ist nicht ganz doppelt so gross wie die Schweiz, hat aber nur halb so viele Einwohner, die dazu noch überwiegend in den vier grössten Städten leben.» Galway, Irlands drittgrösste Stadt, liegt etwa 20 Minuten Autofahrt von ihrer Farm entfernt.