
Annamarie und Erwin Brechbühl mit Pipo, einem ihrer Lamawallache.
Christine Bieri
Vor 24 Jahren haben Brechbühls den Hof von Annamarie Brechbühls Eltern in Wiggen LU übernommen. Angefangen hat ihre Geschichte in der Nachbargemeinde Marbach. Im Hotel-Restaurant Sporting absolvierte Annamarie Brechbühl ihre Lehre zur Servicefachfrau. Im Ausgang besuchte sie gerne die Bar des Sporting.
Tiefe Naturverbundenheit
Genau diese Bar besuchte auch der zwei Jahre ältere Erwin Brechbühl nach Abschluss der Unteroffiziersschule mit seinen Kollegen. Nach diesem Abend kam der junge Mann aus Trub BE auch an weiteren Abenden gerne wieder in die Bar. Heute sind sie seit 42 Jahren zusammen. 34 Jahre sind sie verheiratet.
«Wir haben die gleichen Interessen und Leidenschaften. Allein geht das, was wir machen, nicht.»
«An unserer Beziehung schätze ich die gute Zusammenarbeit und die Loyalität einander gegenüber. Wir haben die gleichen Interessen und Leidenschaften. Allein geht das, was wir machen, nicht», sagt Erwin Brechbühl, und Annamarie ergänzt: «Wir haben beide eine tiefe Naturverbundenheit und Freude an Pflanzen und Tieren. Es ist schön, dass er alles gerne macht, was ich gerne mache.» Dieser Zusammenhalt hat die beiden zu diversen Unternehmen beflügelt. Nach Abschluss der Servicelehre zogen die beiden nach Bern.
Stadt und Land
Der Berner arbeitete bei der Post, die Luzernerin trat eine Stelle in der Abteilung für Accessoires im Kaufhaus Globus an. 11 Jahre später kamen sie auf den Hof Grossfeld in Wiggen. Er arbeitete mit ihren Eltern zusammen und absolvierte die Winterschule im Selbststudium.
Die Hofübergabe stand dann aber noch nicht unmittelbar bevor. Aus diesem Grund trat Erwin Brechbühl eine Stelle bei einer Versicherung an und absolvierte die Ausbildung zum Versicherungsfachmann. Annamarie Brechbühl gefiel die Arbeit als Beraterin im Kaufhaus. Auch als sie im Jahr 1997 auf den elterlichen Betrieb zogen, blieb sie weiter in der Hauptstadt tätig, reduzierte ihr Pensum aber auf 60 Prozent.

Die beiden Kamele gehören für Annamarie und Erwin Brechbühl zur Familie.
Christine Bieri
Ein wenig Sehnsucht nach ihrem alten Beruf packte sie dann doch. Brechbühls hatten die Idee eines Barbetriebes am Wochenende. Sie gaben ein anonymes Inserat auf «Bar zu pachten gesucht». «In unserer Traumvorstellung hatten wir die Bar im Sporting im Kopf», erzählt die Bäuerin. «Und genau die haben sich auf die Chiffrenummer gemeldet.» Sie übernahmen die Bar. «Die Bar war ein Treffpunkt für die Einheimischen. Da kamen Jung und Alt zusammen», sagt Erwin Brechbühl.
«Im Leben ist es schön, verschiedene Sachen zu haben. Ich war mitten in der Stadt und auf dem Land. Wir konnten so viele Leute kennen lernen», sagt Annamarie Brechbühl. Von 1997 bis 2007 führten Brechbühls gemeinsam die Bar. «Ich arbeitete Montag bis Mittwoch in Bern, Freitag und Samstag hatten wir die Bar, und das neben dem Hof.» 2001 übernahmen sie den Hof. Da Erwin weiterhin in einem Vollpensum auswärts arbeitete, verpachteten sie einen Teil des Landes und führten den Kernbetrieb auf 5 Hektaren weiter.
Weder Kühe noch Pferde
«Wir begannen mit der Erhaltungszucht von Skudden-Schafen. In Zusammenarbeit mit Pro Specie Rara pflanzten wir 34 Obstbäume.» In dieser Anlage wachsen Bäume wie der Grüter Edelapfel, an dem grosse Tafeläpfel heranreifen. Einige Sorten eignen sich eher zum Kochen, andere für den Direktverzehr. Die Kombination der Äpfel ergibt einen schmackhaften, süssen Most. Den verkaufen Brechbühls direkt an Bekannte und Verwandte, aber auch Feriengäste.
Bald nach der Hofübernahme zogen auch die ersten Lamas ein. «Für uns war klar, dass wir weder Kühe noch Pferde wollten. Da ist man einfach viel mehr angebunden», sagt Annamarie Brechbühl. Mit diesen Kamelen der Neuen Welt wollten sie Trekkingtouren anbieten. Zusammen mit der Ferienwohnung im alten Bauernhaus konnten Brechbühls hier ein gutes Angebot auf die Beine stellen.
Kamele aus der Wüste Gobi
Nach den Skudden und Lamas zogen zwei grosse Trampeltiere ins Grossfeld. Um sie halten zu können, brauchte es eine Wildtierhaltegenehmigung. Damit sie das nötige Wissen für die grossen Kamele aus der Wüste Gobi hatten, besuchte Erwin Brechbühl Kurse im Walter-Zoo in Gossau SG, von wo er schliesslich auch die beiden Tiere kaufen konnte.
«Im Frühling, wenn die beiden im Fellwechsel sind, arbeite ich täglich ungefähr drei Stunden bei den Trampeltieren», sagt der Bauer. Für die Fellpflege bracht es etwa eineinhalb Stunden. «Zuerst putze ich die Tiere, und dann greife ich die lose Unterwolle aus dem Fell. Die sammeln wir, um sie zu Bettdecken verarbeiten zu lassen. Von den beiden Kamelen gibt es in einem guten Jahr bis zu sieben Decken.» Für die Skudden ist hauptsächlich Annamarie Brechbühl zuständig.
«Um die Lamas kümmern wir uns gemeinsam», sagt sie und fügt an: «Seit sieben Jahren arbeite ich jetzt nicht mehr im Globus. Es waren immer mehr Trekkingtouren und Übernachtungen. Das geht einfach nicht alles.»
Sich Zeit nehmen
Im März, als ihr ältester Wallach starb, beschlossen die beiden, mit den Touren aufzuhören. «Wir halten einfach noch die Lamas, die wir haben, und die sind jetzt halt einfach schon etwas alt», sagt Erwin Brechbühl. Die Ferienwohnung vermieten sie weiterhin. Mit Blick auf die eigene Pensionierung, die in wenigen Jahren ansteht, wollen die beiden ihren Arbeitsalltag nicht überladen.
«Es ist gut, haben wir das gemacht, es gibt uns Weitsicht. Wir konnten zurück zu den Wurzeln und das dann auch geniessen, weil wir das andere eben auch kennen», sagt die 61-Jährige.Vielleicht bekommen sie jetzt auch wieder mehr Freiraum für Reisen nach Kanada.
«Alles, was wir gemacht haben, haben wir mit Freude gemacht.»
«Bevor wir den Hof übernahmen, zogen wir eine Auswanderung ernsthaft in Betracht», sagt der 63-Jährige und ergänzt: «Wir haben nie bereut, nicht gegangen zu sein.» Und seine Frau ergänzt: «Wir hatten auch nicht mehr das Bedürfnis nach grossen Ferien. Alles, was wir wollten, war hier. Die Tiere, die Natur, die Menschen.»
Sie sind dankbar für alles, was sie bis heute erlebt haben, und freuen sich auf etwas mehr Ruhe, auch wenn sie nichts bereuen, was sie erarbeitet haben.