«Wenn man ganz früh am Morgen aufs Feld geht, um zu ernten. Wenn noch Tau liegt und man erlebt, wie der Tag langsam erwacht», ist laut Sabrina Gutknecht aus Ried bei Kerzers das Schönste an ihrem Beruf. «Das und die Gespräche auf dem Feld, wenn man bei der Arbeit zusammen lachen kann.» Lachen ist für die Gemüsegärtnerin keine Selbstverständlichkeit. «Heute bin ich wieder fröhlich und aufgestellt.»
Diese Unbeschwertheit hatte sie zu Beginn ihrer Selbstständigkeit beinahe verloren. «Alle haben einen Rucksack zu tragen. Ich habe vielleicht einfach einen etwas grösseren.» In ihrem sind Sachen drin, die andere vielleicht noch vor sich haben, sagt sie und ergänzt: «Wichtig ist nicht die Geschichte, sondern das, was man daraus macht.»
Zu leicht für den Setzsitz
Als Gutknecht 2023 den Betrieb mit Gemüse und Ackerbau von ihren Eltern übernahm, war sie 25 Jahre alt. Schon als Kind mochte sie die Arbeiten auf dem Feld und im Rüstraum. Tätigkeiten, bei denen die ganze Familie beisammen war. «Beim Lauchsetzen mit der alten Maschine war ich zu leicht für den Setzsitz. Ich durfte mich dann auf diese Holzvorrichtung setzen, wo die Kisten mit den Setzlingen waren. Dort habe ich dann alle in Grund und Boden gequatscht», erzählt sie und lacht.
Als es darum ging, einen Beruf zu lernen, war Gemüsegärtnerin für sie naheliegend. Nach dem Lehrabschluss arbeitete sie zwei Jahre auswärts, erst im Gemüsehandel und dann ein Jahr auf einem Gemüsebaubetrieb, bevor sie von ihrem Vater angestellt wurde. Im Oktober 2018 kam sie mit ihrem heutigen Partner zusammen. «Eigentlich wollten wir es langsam angehen lassen und es noch etwas für uns behalten.»
Partner hatte Unfall
Aber dann hatte ihr Partner einen Unfall. Beim Reinigen einer Kartoffelerntemaschine verfing sich sein Ärmel in den Walzen. In der Folge musste sein rechter Unterarm amputiert werden. Sabrina Gutknecht besuchte ihn im Spital. Das wars dann mit der Geheimniskrämerei. Drei Jahre später starb der Vater von Gutknechts Partner. In den folgenden Jahren starben die Grosseltern auf beiden Seiten. Die Hofübergabe stand an.

Als es für Sabrina Gutknecht darum ging, einen Beruf zu lernen, war Gemüsegärtnerin für sie naheliegend.
Julia Spahr
Sabrina Gutknecht und ihre Eltern waren im Dezember beim Notar. Am 18. Januar 2023 starb überraschend die Mutter der neuen Betriebsleiterin. Es war ein eisiger Morgen, als für die ganze Familie die Welt stillstand. In ihrem ersten Betriebsjahr musste sie voll einsteigen. Sie arbeitete bis an die Belastungsgrenze. «Mein Freund sagte, ich wäre ein guter Feldweibel geworden. So, wie ich mit meinen Mitmenschen umgegangen bin.»
Damals hatte sie ihre Leichtigkeit verloren. «Ich habe funktioniert.» Sie war voll im Strudel. «Ich war nicht mehr ich. Ich hatte keine Zeit, das alles zu verarbeiten. Es musste ja weitergehen. Ich hatte übernommen, hatte Schulden. Ich konnte mich nicht einfach verziehen. Es musste ja weitergehen.» Der Verlust der Mutter hat bei allen Spuren hinterlassen.
Loslassen und verarbeiten
Im Winter reisten Gutknecht und ihr Partner für zwei Wochen nach Dubai. Das hatten sie schon 2019 gemacht. «Im Taxi kamen die Tränen. Als wir zu unserem Hotel auf die Palme hinausfuhren, konnte ich loslassen.» Die zwei Wochen Ferien waren für das Paar nicht nur eine Pause, sondern die Möglichkeit, mit etwas Abstand alles zu verarbeiten, was geschehen war. «Es brach eine Last weg. Ich konnte die Ferien richtig geniessen.»
-> Sabrina Gutknecht präsentierte sich im Bauerkalender 2023
Sie begann ihr Leben und das vergangene Jahr zu überdenken. «Ich lag in der Sonne und machte mir Gedanken darüber, was ich in meinem Leben wollte und was nicht.» Diese Dinge trug sie dann in eine Liste auf ihrem Handy ein. «Ich wollte positiver denken und mehr Zeit für mich haben. Das erste Jahr hatte ich einfach überlebt. Jetzt musste sich etwas ändern!» Sie beschloss, mit der Direktvermarktung aufzuhören. «Dadurch fielen auch einige Kulturen weg, was die Arbeitsbelastung reduzierte.»
Positives sehen
Gutknechts Betrieb hat 23 Hektaren LN. Im Ackerbau produziert sie Kartoffeln, Zuckerrüben, Raps, Getreide und Futtermais. Auf etwa einem Drittel der Fläche baut sie Gemüse an. Für diverse Gemüsehändler produziert sie hauptsächlich Zwiebeln, Karotten, Pfälzer Karotten, Bohnen, Frühlingszwiebeln und Wirz. Auf dem Hof arbeiten hauptsächlich sie und ihr Vater. Auch ihre Schwester, die im gleichen Dorf wohnt, kommt ab und zu zur Unterstützung. Gutknechts Partner hilft, wo er kann.
«Er ist Landmaschinenmechaniker und Gemüsegärtner. Er unterstützt mich sehr. Die Maschinen überlasse ich ihm. Er repariert und unterhält alles und kümmert sich um Neuanschaffungen.» Der Tod der Mutter sei einschneidend gewesen. Heute sieht Gutknecht aber auch Positives darin. Ihre Mutter habe schon lange mit gesundheitlichen Problemen gekämpft, seit Jahren keine Nacht mehr durchgeschlafen und ihr Leben mit viel zu viel Arbeit verbracht.
Ein neuer Weg
«Ich denke, wenn sie noch da wäre, würde ich wohl genau so werden.» Genau so, das heisst, die eigenen Bedürfnisse hintenanzustellen, den Betrieb an erster Position zu haben, den Haushalt so nebenher bis zehn Uhr abends zu machen. «Ich bin so aufgewachsen: Wer einen halben Nachmittag auf einem Sofa liegt, ist faul», sagt die heute 27-Jährige. Ferien gab es nur im Winter, die Badi kannte sie nicht.
Auch zu ihrem Körper trägt Sabrina Gutknecht jetzt mehr Sorge. Ganz bewusst nimmt sie sich jeden Morgen 10 bis 15 Minuten Zeit für sich und ihr Training. «Es ist meine Morgenroutine. Seit ich sie mache, bin ich ausgeglichener, weniger impulsiv und habe Energie für den ganzen Tag.» Ausserdem hilft es ihr, die nötige Muskulatur aufzubauen, um ohne Rücken- und Knieschmerzen arbeiten zu können.
Prioritäten setzen
Grosse Ziele hat die Gemüsegärtnerin keine. «Wir machen nicht mehr viel Pläne. Man muss es nehmen, wie es kommt.» Über die Zukunft sprechen sie und ihr Partner aber schon. «Wir sichern uns besser ab. Das Thema Vorsorge ist wichtig. Wir sprechen auch offen darüber, was das Gegenüber möchte, wenn man einmal nicht mehr da ist.» Eines ist den beiden aber klar. Sie möchten leben. Und zwar nicht nur mit Arbeit. Sie nehmen sich bewusst Zeit für sich und möchten auch in Zukunft den Betreib so ausrichten, dass Freizeit möglich ist.
Dieses Herzensanliegen trägt Gutknecht auch in die Gesellschaft. Auf ihrem Instakanal @sabrina_gutknecht lässt sie Menschen an ihrem Alltag teilhaben. «Wenn ich auch nur eine Handvoll Leute aus dem Berufsfeld dazu bringen kann, einen Weg aus dem Strudel zu finden, bin ich happy.» Sabrina Gutknecht hat Freude an ihrem Beruf und ihrem Leben. Sie sagt: «Wenn ich daran denke, was alles passiert ist, kann ich es selbst kaum glauben.»

Ich kann ihnen nur sagen, ihr habt die Reißleine früher gezogen "schlapp" !
Danke Ruedi