Der EU-Agrar- und Lebensmittelsektor hat sich in der Corona-Krise bewährt und soll in Zukunft mit verstärkter lokaler Vermarktung und einem europäischen Tierwohlkennzeichen robuster werden
"Die Verbraucher in der EU haben in der Corona-Krise ihre Einkaufsgewohnheiten verändert und zeigen ein grösseres Interesse für die Herkunft von Lebensmitteln", erklärte die deutsche Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner auf dem von Deutschland ausgerichteten informellen EU-Agrarministertreffen in Koblenz.
Sie regte deshalb an, dass die Herkunft von Molkereiprodukten in allen EU-Mitgliedstaaten verpflichtend gekennzeichnet werden muss. Das gilt bisher nur für Fleisch sowie für Obst und Gemüse. Die Herkunftskennzeichnung für Milchprodukte in der EU haben bisher schon Österreich, Italien sowie Frankreich gefordert und zum Teil national umgesetzt.
Rahmenbedingungen schaffen
"Das schafft Transparenz", kündigte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger in Koblenz an, weiterhin für eine verpflichtende EU-weite Herkunftskennzeichnung, insbesondere für Fleisch, Milch und Eier in verarbeiteten Erzeugnissen, einzutreten. "Die EU-Kommission muss die Rahmenbedingungen dafür schaffen. Eine 'Farm to Fork'-Strategie ohne eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung ist für mich eine klare Themenverfehlung, kritisierte Köstinger. Die eindeutige Auslobung sei der einzige logische Schritt, damit die Konsumenten entscheiden können, welches Lebensmittel mit welchen Produktionsstandards sie kaufen.
Vermarktungsschwierigkeiten beim Export von Milcherzeugnissen aus Österreich durch die Kennzeichnung befürchtet die Ministerin nicht. Schliesslich hätte diese zu Recht einen guten Ruf, meinte Köstinger. Jannes Mars , Präsident der Europäischen Jungbauern (CEJA), warnte dagegen vor Hürden auf dem EU-Binnenmarkt. Die Herkunftskennzeichnung dürfe nicht dazu führen, dass einer europäischen Vermarktung Hindernisse in den Weg gelegt werden, betonte Mars in der Aussprache der Minister.
EU-Label
Bessere Informationen sollen die Verbraucher auch über das Wohl der Tiere beim Fleischkauf bekommen. Ein EU-Label soll zukünftig über Haltungsmethoden, den Transport und die Schlachtung Auskunft geben, regte Klöckner an. Deutschland sei mit seinen strengen Auflagen für die Ferkelkastration und dem Verbot des Kükentötens schon vorangeschritten, führte die Ministerin aus.
Aber ein langfristiges Ziel müsse ein europäisches Label für das Tierwohl bleiben. Dabei räumte Klöckner ein, es sei ein langer Weg, bis sich die EU-Mitgliedstaaten auf gemeinsame Kriterien im Stall oder beim Tiertransport einigen werden. Aber in Koblenz sei ein Anfang gemacht worden, hob die Ministerin hervor.
"Österreich ist bei den Tiertransporten vielen EU-Staaten um mehrere Schritte voraus und das ist gut so. Ich fordere diese strengen Regeln für alle", sprach sich Köstinger für ein EU-weites Exportverbot von Schlachtvieh in Drittstaaten sowie eine Absenkung der Höchstdauer für Lebendtiertransporte und Angleichung an österreichisches Recht aus. Auch der ungleiche Vollzug in verschiedenen Mitgliedstaaten sowie fehlende Kontrollen müssten ein Ende haben.
GAP-Reform: Die Zeit drängt
Klöckner stimmte zudem ihre Kollegen auf eine Entscheidung im Oktober über die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ein. Sie nutzte das informelle Treffen, um mögliche Mehrheiten auszuloten. "Die Präsenz der Minister ist wichtig, um Vertrauen zu schaffen", betonte die deutsche Ministerin.
Auf dem Rat im Oktober in Luxemburg möchte sie die Position der EU-Mitgliedstaaten zur GAP-Reform herbeiführen. Ihr Zeitplan wird von den anderen EU-Agrarministern unterstützt. Die Zeit drängt, steht doch nicht einmal fest, ob die Minister zum Rat am 21. September in Brüssel zusammenkommen werden, seitdem die belgische Hauptstadt als Corona-Risikogebiet ausgewiesen wurde.
Umso wichtiger war es, dass sich die Mehrzahl der Minister jetzt in Koblenz sah und dort auch einige bilaterale Treffen zur GAP-Reform abgehalten wurden. "Die Positionen lägen noch auseinander", berichtete Klöckner, besonders bei den Ökoregelungen (Eco-Schemes). Deutschland, Frankreich, Spanien und die Niederlande setzen sich für verpflichtende Ökoregelungen in allen EU-Mitgliedstaaten ein. Viele osteuropäische Länder lehnen dies ab.
Strengere Auflagen
Klöckner ist entschlossen, mit der Reform die Umwelt- und Klimaauflagen für die landwirtschaftlichen Betriebe zu verstärken. Mit dem ausreichend ausgestatteten EU-Agrarbudget sei es möglich, die strengeren Auflagen mit finanziellen Anreizen zu verbinden. Landwirte bräuchten also gegenüber der Reform keine Befürchtungen zu haben, ist Klöckner überzeugt.
Dagegen mahnte Joachim Rukwied , Präsident des Europäischen Bauernverbandes COPA, in Koblenz die Minister, sie sollen vor allem die Einkommen und die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte im Auge behalten. Bei den Umweltauflagen sollten sie dagegen Augenmaß bewahren. Aber die Landwirte seien bereit, ihre Pflanzenschutzmittel zu vermindern und den Düngereinsatz zu optimieren, räumte Rukwied ein.
In der Diskussion über das geplante Freihandelsabkommen Mercosur sprach sich Köstinger erneut gegen die Vereinbarung aus. "In Österreich lehnen wir Freihandelsabkommen auf dem Rücken unserer Bäuerinnen und Bauern ab. Wir lassen uns unsere Lebensmittelstandards nicht untergraben Unser Weg sind kurze Transportwege von Lebensmitteln, während Mercosur genau das Gegenteil ist, denn durch Billigstimporte schaden wir unserer Qualitätsproduktion."