Was taugt die im vergangenen Jahr aktualisierte Schweizer Lebensmittelpyramide, in der die Hülsenfrüchte in den Vordergrund gerückt und das Steak, das früher in der Mitte der Pyramide war, durch ein Pouletfilet und Linsen ersetzt wurde? Laut Carna Libertas, dem Verein für einen verantwortungsvollen Fleischgenuss, hat das überarbeitete Werk des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen bereits ausgedient.
«Abgelöst wird die Pyramide durch ein neues, streng nach wissenschaftlichen Kriterien erarbeitetes Ernährungstableau», schreibt der Verein in einer Mitteilung und weist auf die internationale Wissensplattform «Nourish your choice» hin, die vor kurzem das Ernährungstableau präsentierte. Dieses verwendet zwei Indikatoren: den Verarbeitungsgrad der Lebensmittel und die Nährstoffdichte. Hauptautor ist der Belgier Frédéric Leroy, wobei auch der Wissenschaftler und Unternehmer Peer Ederer aus Rapperswil SG mitgewirkt hat.
Der Hauptbestandteil
Folgt man der Darstellung, stehen im grün und damit als gesund markierten Bereich vielfältige, ursprüngliche und traditionelle Ernährungsweisen. Das bedeutet laut Carna Libertas, dass nährstoffdichte Lebensmittel tierischen oder pflanzlichen Ursprungs als Hauptbestandteil eines Gerichts mit stärke- oder kohlenhydratreichen Lebensmitteln ergänzt werden für eine höhere Energiezufuhr.

Laut Carna Libertas hat die im vergangenen Herbst neu erstellte Lebensmittelpyramide bereits ausgedient.
zvg
Früchte und Nüsse stellten je nach Region gängige Ergänzungen dar. Zudem werde eine Vielfalt an traditionellen Verarbeitungsmethoden genutzt, wobei auf hochtechnologische Prozesse verzichtet werde. Für sinnvoll werden in der Mitteilung beispielsweise Fermentieren und Trocknen befunden, da sie gerade bei pflanzlichen Nahrungsmitteln die Nährstoffverfügbarkeit verbesserten.
Ernährungstableau
Schlechter schneiden gemäss dem Ernährungstableau eine stärke- oder getreidebasierte Ernährung mit kaum tierischen Lebensmitteln oder verschiedene Formen der veganen Diät ab. «Während globale Organisationen und Regierungen die ‹grosse Ernährungswende› hin zu einer pflanzlichen Ernährung vorantreiben, setzt sich das neue Ernährungstableau für einen ausgewogenen Ansatz ein, der auf individuellen Entscheidungen, lokalen kulturellen Werten und wirtschaftlichen Realitäten beruht», schreibt Carna Libertas.
Für viele Bevölkerungsgruppen, zum Beispiel in Ländern wie Pakistan, Ägypten und Mexiko, führe eine Ernährung mit wenig tierischen Lebensmitteln zu Nährstoffmangel und werde mit Krankheiten wie Typ-2-Diabetes in Verbindung gebracht. Laut Carna Libertas ist der Ansatz vielseitig genug, um verschiedenen Bedürfnissen gerecht zu werden, so auch jenen von Schwangeren, Kleinkindern oder älteren Erwachsenen.
Effekt schwer erkennbar
«Angesichts der Tatsache, dass Personen, die sich an die empfohlenen Ernährungsweisen halten, häufig auch andere gesundheitsbewusste Verhaltensweisen an den Tag legen, ist es zunehmend komplexer geworden, den tatsächlichen Einfluss der Ernährung auf die Gesundheit zu erkennen», schreibt «Nourish your choice» zur Beurteilung von Ernährungsempfehlungen. Trotz der Bemühungen, «vermeintlich gesunde» Ernährungsrichtlinien zu erstellen, nähmen ernährungsbedingte, nicht übertragbare Krankheiten weltweit weiter zu.
Auch bei Schweizer Parlamentariern sind die hiesigen Ernährungsempfehlungen ein Thema (siehe Kasten unten). Der Hauptautor des Ernährungstableaus wird von Carna Libertas zur Rolle des Ernährungstableaus zitiert: «Wir wollen einen Rahmen schaffen, der die individuelle Wahl respektiert und es den Verbrauchern erleichtert, in ihrem täglichen Leben eine nahrhafte Auswahl an Lebensmitteln zu treffen.»
Im Parlament
Ständerat Josef Dittli (FDP, UR) wollte vom Bundesrat wissen, ob die neuen Schweizer Ernährungsempfehlungen wirklich evidenzbasiert sind. Der Bundesrat schrieb als Antwort auf die Frage von Dittli, wie die Forschungsinstitution ausgewählt werde, er habe 2020 eine Ausschreibung publiziert. «Der Auftrag wurde an das Centre Hospitalier Universitaire Vaudois vergeben, das ein Angebot in der Höhe von 209’900 Franken eingereicht hatte.»
Dittli wollte weiter wissen, weshalb das Steak durch Pouletbrust ersetzt wurde und das Fleisch bei der Nennung der verschiedenen Eiweissträger nach hinten verschoben wurde. Der Bundesrat sagte, Schweizerinnen und Schweizer konsumierten durchschnittlich 111 Gramm Fleisch pro Tag, was mehr als dreimal der empfohlenen Menge entspricht, die bei zwei bis maximal drei Portionen Fleisch pro Woche liege. «Die neuen Empfehlungen unterscheiden nicht zwischen verschiedenen Fleischsorten, um die Wahlfreiheit der Konsumentinnen und Konsumenten zu respektieren und gleichzeitig transparent über die Auswirkungen der Ernährung auf die Gesundheit zu informieren», so der Bundesrat weiter. Er sagte auch, die Empfehlungen förderten den vielfältigen Genuss von pflanzlichen und tierischen Proteinquellen, ohne diese in Konkurrenz zueinander zu stellen. hun
