«Lenkungsabgaben stürzen Produzenten in Dilemma»

Stefan Müller, Präsident der Landwirtschaftsdirektorenkonferenz, stellt fest, dass die erhofften Vereinfachungen bei der Weiterentwicklung der Agrarpolitik 2030+ weitgehend ausbleiben. Der «Schweizer Bauer» hat nachgefragt. 

Adrian Haldimann |

Die Reform sei untauglich, müsse beerdigt oder sonst massiv umgestaltet werden. Das sagte kürzlich Roger Bisig, Sekretär der Landwirtschaftsdirektorenkonferenz (LDK), an der Versammlung der Sals zu den Plänen des Bundes zur AP 2030+. Teilen Sie als LDK-Präsident seine Meinung?

Stefan Müller: Als Präsident gebe ich die Meinung der LDK zum aktuellen Stand der AP 30+ wieder. Auch wenn noch keine Vorlage zur AP 30+ vorliegt, müssen wir klar festhalten, dass noch viel erarbeitet und korrigiert werden muss. Ich sage aber nicht, dass die Reform gar nichts taugt.

Sie stören sich vor allem daran, dass der Bund zu wenig auf die Vereinfachung des kantonalen Agrarvollzugs abzielt.

Der Zwischenstand der Arbeiten macht den Anschein, dass bisher kaum Fortschritte in diese Richtung erzielt wurden.

In Zusammenarbeit mit der Konferenz der Landwirtschaftsämter der Schweiz (Kolas) hat die LDK ein Konzept zur AP 2030 erarbeitet. Darin werden Vorschläge zur Vereinfachung des Direktzahlungssystems gemacht. Welche Direktzahlungsinstrumente sollen gestrichen werden?

In den Details haben wir noch keine konsolidierte Haltung formuliert. Folgende Beispiele zeigen aber, wie gross der Dschungel an Vorschriften ist und wie sie den Vollzug wegen seiner Komplexität schwierig machen. Stichwort Biodiversitätsbeiträge: Ursprünglich gab es mit den Biodiversitätsförderflächen (BFF) nur eine Kategorie. Heute kennen wir über 20 verschiedene Kategorien in diesem Bereich. Ohne die Biodiversität schmälern zu müssen, könnte dieses Programm gestrafft werden. Ein weiteres Beispiel ist der ökologische Leistungsnachweis (ÖLN). Das jüngste Beispiel ist der Sozialversicherungsschutz, der Bestandteil des ÖLN werden soll. Auch wenn das grundsätzlich eine gute Idee ist, bläht es die Administration immer weiter auf.

Die LDK schlägt eine Nachhaltigkeitsprämie vor. Was muss man sich darunter vorstellen?

Wir befinden uns in einer Projektierungsphase, wo Ideen in den Raum gestellt werden. Es sind Ideen, die anregen sollen. Der Grundgedanke mit einer Nachhaltigkeitsprämie ist, dass wir uns im Nachhaltigkeitsdreieck mit den Achsen Ökonomie, Ökologie und Soziales bewegen müssen. Betriebe, die sich darin gut positionieren, sollen honoriert werden. Im Gegenzug müssten verschiedene Instrumente abgeschafft werden, um dem administrativen Aufwand entgegenwirken zu können.

«Umsetzung jeder Lenkungsabgabe erfordert Bürokratie.»

Stefan Müller, LDK-Präsident

Welche Nachhaltigkeitsachse hat aus Ihrer Sicht am meisten Nachholbedarf?

Die ökonomische Nachhaltigkeit ist eng mit der sozialen Nachhaltigkeit verbunden. Beide müssen in Zukunft mehr Gewicht erhalten. In den vergangenen Reformen standen diese Themen im Hintergrund. Die Bauern und Bäuerinnen müssen möglichst eine gute Wertschöpfung mit ihren Produkten erzielen können. Je mehr Eigenkapital gebildet werden kann, umso mehr Innovationen werden geschaffen. Gleichzeitig hilft das auch im sozialen Bereich, zum Beispiel, indem die Altersvorsorge und die Stellung innerhalb der Gesellschaft verbessert werden.

Der Bund verfolgt die Idee mit einer Lenkungsabgabe. Die LDK lehnt diese auf Sticksoff und Pflanzenschutzmitteln ab. Aus welchen Gründen?

Je konkreter wir das Thema Lenkungsabgaben behandelten, umso schwieriger wurde für uns dieses Instrument. Staatlich verordnete finanzielle Abreize, die auf den Verzicht von essenziellen Betriebsmitteln wie Pflanzenschutzmitteln, Dünger oder Futtermitteln abzielen, widersprechen dem Grundsatz einer unternehmerisch motivierten Landwirtschaft. Die Wirkung dieser Lenkungsabgaben wird infrage gestellt, da bei unverzichtbaren Produktionsmitteln einzig eine Verteuerung der Produktion entsteht. Die Lenkungsabgaben stürzen die Produzenten in ein Dilemma: Entweder sie schützen die Kulturen und nehmen dafür die Lenkungsabgaben in Kauf, oder sie ersparen sich die Lenkungsabgaben, schützen so das Einkommen, nehmen aber eine kleinere Ernte und weniger Einkommen in Kauf. Die Wertschöpfung wird auf jeden Fall leiden.

«Bürokratie auf den Betrieben muss dringend reduziert werden.»

Stefan Müller, LDK-Präsident

Sie befürchten eine tiefere Wertschöpfung für Bauernfamilien.

Nach den Plänen des Bundesamts für Landwirtschaft sollen die Lenkungsabgaben ein Volumen von 600 Mio. Franken erreichen. Besonders betroffen sind produktionsstarke Betriebe, deren Wertschöpfung sinken wird, was den Zielen der LDK für die AP 2030 widerspricht. Die Umsetzung jeder Lenkungsabgabe erfordert Bürokratie, bringt also vermutlich keine Vereinfachung.

Sie waren selbst praktizierender Landwirt. Wie nahmen Sie die Bürokratie auf Ihrem Betrieb wahr?

Ich habe 30 Jahre einen Betrieb im Nebenerwerb geführt, den ich per Anfang dieses Jahres in jüngere Hände gegeben habe. Für diesen einfach geführten Betrieb war der administrative Aufwand keine Belastung. Ich habe aber das Verständnis für all diejenigen Bauern und Bäuerinnen, die mit der Bürokratie zu kämpfen haben und auf deren Betrieben sie deutlich komplexer und aufwendiger ist. Deshalb braucht es auf politischer Ebene Mut zu Veränderungen. Die Bürokratie auf den Betrieben muss dringend reduziert werden.

Zur Person

Stefan Müller ist seit 2015 Landeshauptmann – sprich Land- und Forstwirtschaftsdirektor – des Kantons Appenzell Innerrhoden. Seit drei Jahren ist der 54-Jährige Präsident der Landwirtschaftsdirektorenkonferenz (LDK). Die LDK vertritt die Landwirtschaft der Kantone gegenüber dem Bund sowie den Branchenpartnern innerhalb und ausserhalb der Landwirtschaft. Müller bewirtschaftete in Weissbad AI bis Ende 2024 einen Nebenerwerbsbetrieb in der Bergzone II mit Mutterkühen, Schafen und Hühnern. hal

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