Leonard Melly züchtet Valdostaine Pie Rouge. Aktuell sind rund 20 dieser kleinrahmigen Tiere bei ihm eingestallt. Die kleinen Kühe eignen sich hervorragend auf den steilen Hängen.
Die Beziehungen zwischen dem Wallis und dem südlichen Nachbarn, dem Aostatal (I), sind seit je her gut. Davon zeugen auch die Eringer-Kühe, deren Temperament beidseits der Grenze Tausende von Zuschauern in die Ringkuhkampf-Arenen lockt.
Jahrelanger Traum
Über die hohen Berge hinweg wurden Tiere ausgetauscht – oft illegal. «Auch mein Onkel hat noch vor wenigen Jahrzehnten Tiere aus dem Aostatal geholt», gibt Léonard Melly zu, der heute in Ayer VS im Val d' Anniviers einen 40 ha grossen Betrieb in den Bergzonen III und IV bewirtschaftet. Doch sein Onkel brachte nicht nur Eringer über die Grenze, sondern auch die rostbraunen, gefleckten und kleinrahmigen Valdostaine Pie Rouge, sodass Melly schon früh auf diese Rasse aufmerksam wurde.
Jahrelang träumte Melly davon, selbst einige dieser roten Kühe zu besitzen – sein Grossvater und schliesslich sein Vater, ein Bauunternehmer, besassen aber nur etwa drei, vier Eringer-Kühe, die in einem Gemeinschaftsstall untergebracht waren. Seit den 1970er-Jahren suchten viele Bewohnerinnen und Bewohner des Val d’Anniviers eine sicherere Einkommensquelle.
Gemeinschaftsstall erworben
Um ihre Böden nicht brachliegen zu lassen, schlossen sich einige Tierbesitzer zusammen, bauten Gemeinschaftsställe und stellten für die Tierbetreuung einen Hirten ein. In Ayer arbeitete auch Léonard Melly etwa 1½ Jahre lang als Angestellter, um Kühe in einem Gemeinschaftsstall zu betreuen. Weil ihm die Tiere nicht gehörten, konnte er kaum mitentscheiden. So begann er darüber nachzudenken, sich selbstständig zu machen und einen eigenen Stall zu bauen.
Ihm kam entgegen, dass die meisten Tierbesitzer schon älter waren und dass das Interesse an der Viehzucht allmählich nachliess. Sie boten ihm an, den bisherigen Gemeinschaftsstall zu erwerben – worüber Melly nicht lange nachzudenken brauchte. Es ist das erste Mal, dass ein Gemeinschaftsstall in private Hände gekommen ist – sieben funktionierende Gemeinschaftsställe existieren im Val d’Anniviers noch heute. «Der Kauf des Gemeinschaftsstalls in Ayer ermöglichte es mir nun, nicht nur Bauer zu werden, sondern sogar in dem Dorf zu bleiben, wo ich zu Hause bin», freut sich Melly.
150 Samendosen
Noch im selben Jahr, 2017, holte er sich «als erster legaler Importeur» die kleinen, roten Kühe aus dem Aostatal. Die Kühe selbst waren mit bis zu 2500 Franken vergleichsweise günstig. «Es war viel aufwendiger, sie beidseits der Grenze in Quarantäne zu bringen und alle für den Import benötigten Papiere zu besorgen», erinnert sich Melly.
Nebst ein paar weiblichen Tieren kaufte er auch einen grossen Vorrat von etwa 150 Samendosen verschiedener Stiere, um zu Hause selbst besamen zu können. Insgesamt besitzt Melly heute, einschliesslich Kälbern, etwa 60 Tiere, ein Drittel davon sind Valdostaine Pie Rouge.
Leichte Alpin-Rasse
Für ihn sind sie die für das Val d’Anniviers richtige Rasse, genauso wie Eringer. «Es ist eine robuste, leichte Alpin-Rasse, die für unsere kargen Bergweiden und die oft steilen Alpen hervorragend geeignet ist», betont Melly. Vor allem erlauben es ihm die kleinen Kühe, dass er in seinem Stall keine teuren baulichen Anpassungen vornehmen muss, um den Tierschutzvorschriften für immer grösser werdende Kühe zu entsprechen.
Zusammen macht das sogar die vergleichsweise geringe Milchleistung von nur rund 5000 bis 5500 Kilo Milch pro Jahr wett. Zumal er seine Milch zu einem guten Preis an eine Käserei nach Vissoie liefern kann. Die Milch wird täglich abgeholt und zu Walliser Raclette AOP verkäst. Die Valdostaine Pie Rouge sind weniger temperamentvoll als Eringer. «Sie messen sich gar nicht erst im Kampf, sondern akzeptieren die ihnen überlegenen Eringer problemlos», beobachtete Melly. «Es sind keine kleinen Ringkühe. Sie sind einfach nur eine Zweinutzungsrasse mit Milch und gutem Fleisch.»

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