
Nationalrat Jacques Nicolet in seinem Milchviehstall in Lignerolle VD. Er befürchtet eine Verwässerung seiner Motion «Zulagen für verkäste Milch an die Richtpreise der Branchen koppeln».
zvg
Die Politik bringt sich wieder in den Milchmarkt ein. Nach Jahren der Liberalisierung stimmte der Ständerat am 4. März 2024 einer Motion von Milchproduzent und SVP-Nationalrat Jacques Nicolet (SVP, VD) zu. Die Motion verlangt Mindestpreise für verkäste Milch, wenn die staatliche Verkäsungszulage in der Höhe von 10 Rp./kg bezogen wird.
Die heisseste Forderung: «Für Molkereimilch, die zu Käse für den inländischen Markt verarbeitet wird, muss der Preis, einschliesslich der Verkäsungszulage, demjenigen des A-Segments der Branchenorganisation Milch (BOM) entsprechen.» Das wären aktuell 82 Rp./kg franko Rampe. Verarbeiter, die auf Raclettekäse oder Mozzarella spezialisiert sind, wie die Strähl Käse AG oder die Züger Frischkäse AG, zahlen heute deutlich weniger.
Tiefe Wertschöpfung
Beide Kammern des Parlaments sagten zu Nicolets Motion Ja, auch Mitte-Ständerat und BOM-Präsident Peter Hegglin stimmte zu. Nun muss der Bundesrat beziehungsweise das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) einen Vorschlag für eine Gesetzesänderung ausarbeiten. Erst wenn das Parlament auch die Gesetzesänderung annimmt, treten Mindestpreise in Kraft. Dass sich die Politik wieder einbringt, ist nachvollziehbar.
Die Milchproduktion bleibt von der Wertschöpfung her innerhalb der Schweizer Landwirtschaft ein Sorgenkind, von den Stundenlöhnen her ohnehin. Das hat mit dem Ende der Kontingentierung und folglich Marktasymmetrien, dem Käsefreihandel mit der EU, den Direktzahlungsreformen und dem schwachen Euro zu tun.
BOM sieht zwei Segmente
Die BOM und der Käserverband Fromarte warnen vor den Folgen der Motion, die sie als gefährlich bezeichnen, weil mit ihr bedeutende Marktsegmente verloren gehen könnten. An der Fromarte-DV präsentierte der Direktor Paul Meier vor zwei Wochen den Umsetzungsvorschlag, den die BOM, der auch die grossen Milchproduzentenorganisationen angehören, kürzlich beim BLW eingereicht habe. Dieser unterscheidet beim Käse für den Inlandmarkt zwischen «Käse mit guter Wertschöpfung» und «Käse in preissensiblen Marktsegmenten».
Für letzteren soll ein Mindestpreis von LTO+ plus 2 Rp. gelten. Heute schon gilt laut BOM für verkäste Milch ein Richtpreis von LTO+, der von europäischen Preisen her abgeleitet ist, im März lag er bei 62,4 Rp./kg. Die Branche macht demnach ein Zugeständnis von 2 Rp./kg. Aber dieser Mindestpreis läge weit weg vom A-Richtpreis, den Nicolet fordert, und er wäre auch nicht gesetzlich an die Verkäsungszulage gekoppelt, diese Verknüpfung will die BOM nicht.
Bald alles preissensibel?
Was sagt Nicolet zu diesem Umsetzungsvorschlag? «Ich weiss, dass es zu grossen Diskussionen zwischen der BOM und den Schweizer Milchproduzenten (SMP) gekommen ist. Es gibt Verarbeiter, die mir gegenüber erklärt haben, dass sie für Molkereimilch, die zu Käse für den inländischen Markt verarbeitet wird, nicht den A-Richtpreis der BOM bezahlen können, weil der Markt so umkämpft sei und etwa beim Mozzarella sonst Importe drohten», so Nicolet. Mit dem Vorschlag der BOM aber, wonach für Käse in preissensiblen Marktsegmenten generell nur LTO+ plus 2 Rp./ kg bezahlt werden müsse, sei er nicht einverstanden.
Denn da bestehe die Gefahr, dass bald alle Segmente preissensibel wären, was den Preis nach unten zöge. «Besser wäre, wenn die einzelnen Unternehmen mit ihrer Ertragsrechnung beweisen müssten, dass der A-Richtpreis bei ihnen für ein bestimmtes Segment nicht möglich ist», so Nicolet. Wichtig sei immer, den gesamten Milchpreis zu betrachten, nicht nur den Teil der Milch, der im A-Segment liege. Und die Wertschöpfung für die Milchproduktion müsse dringend verbessert werden, die BOM habe da eine grosse Aufgabe.
Wirkung ist umstritten
Und dann fügt Nicolet noch an: «Die Zulage für verkäste Milch muss den Milchproduzenten ausbezahlt werden und gleichzeitig Wertschöpfung in der Schweiz generieren. Eine missbräuchliche Verwendung dieser öffentlichen Gelder (fast 400 Mio. Fr.) zur Unterstützung von zu billigen Käseexporten muss unbedingt verhindert werden.» Die reine Auszahlung bzw. Weiterleitung der Verkäsungszulage von den Käsern zu den Milchbauern wird von der Branche kontrolliert.
Was die Wirkung betrifft, haben zwei BLW-Angestellte in einer Studie namens «Wirkungsanalyse der Verkäsungszulage auf den Milchmarkt» von 2019 allerdings festgehalten: «Aufgrund der Auswirkungen der Zulage auf das Marktgleichgewicht von Preisen und Mengen werden vom Budgetaufwand (278 Mio. Fr.) nur 60 Prozent (168 Mio. Fr.) an die landwirtschaftlichen Produzentinnen und Produzenten weitergegeben, ca. 30 Prozent gehen an die Verarbeitungsbetriebe (81 Mio. Fr.).»