Öffnung weisse Linie: IGAS sagt Nein

Die Interessengemeinschaft Agrarstandort Schweiz (Igas) setzt sich für einen Agrarfreihandel mit der EU ein. Einem sektoriellen Milchfreihandel aber stehe die Igas kritisch gegenüber, sagt Geschäftsführer Jürg Niklaus.

Samuel Krähenbühl |

Die Interessengemeinschaft Agrarstandort Schweiz (Igas) setzt sich für einen Agrarfreihandel mit der EU ein. Einem sektoriellen Milchfreihandel aber stehe die Igas kritisch gegenüber, sagt Geschäftsführer Jürg Niklaus.

«Schweizer Bauer»: Das Projekt EU-Agrarfreihandel scheint eingeschlafen zu sein. Oder ist es sogar bereits tot?
Jürg Niklaus: Der bilaterale Weg ist blockiert. Die Schweiz kann derzeit mit der EU nicht einmal in politisch konsensfähigen Bereichen wie Energie und Dienstleistungen verhandeln. Ein neues Agrarabkommen kann wieder aktuell werden, wenn das gesamte Verhältnis zur EU neu aufgerollt wird.

Die EU und die USA verhandeln über ein Transatlantisches Freihandelsabkommen (TTIP). Was würde ein Abschluss für die Schweizer Landwirtschaft bedeuten?
Unser Käse und unsere verarbeiteten Lebensmittel würden beim Export in die USA gegenüber der europäischen Konkurrenz ins Hintertreffen geraten. Der schärfere Wettbewerb würde auch auf unsere Exporte in die EU und unseren Heimmarkt durchschlagen. Verliert die Branche im In- und Ausland Marktanteile, trifft es schnell auch die Bauern. Der grassierende Einkaufstourismus lässt grüssen. Die Branche käme unter Druck, sich an diesen Markt anzudocken. Es gilt, die Auswirkungen solcher Szenarien abzuklären.

Schon heute ist sichtbar, dass die Schweizer Agrarwirtschaft bei Commodities wie Milchpulver oder Zucker, wo es nur noch einen geringen oder gar keinen Grenzschutz hat, einen sehr schweren Stand hat. Verschwinden mit einem Freihandel Rohstoffe wie Zucker oder Getreide ganz aus der Schweiz?
Unsere Land- und Ernährungswirtschaft hat mit Commodities kaum Perspektiven. Sie spürt den internationalen Wettbewerbsdruck ja gerade hier bereits heute sehr stark. Sie muss deshalb auf Produkte mit starkem Marktprofil setzen. Milchpulver ist keine blosse Commodity mehr. Babynahrung aus sicherer Schweizer Milch ist international sehr gefragt. Das Gleiche gilt für verschiedene Spezialitäten auf Getreidebasis. Wir sollten aus diesen ermutigenden Beispielen lernen.

Bereits seit dem Jahr 2007 ist der Käsemarkt mit der Europäischen Union liberalisiert. Ist deshalb eher eine weitere sektorielle Grenzöffnung zu erwarten?
Solange jede Vorbereitung auf verschiedene Öffnungsszenarien bereits im Ansatz blockiert ist, lassen sich willkürliche Breschen im Grenzschutz nicht ausschliessen. Wir sagen daher: Für die Landwirtschaft ist eine berechenbare, schrittweise und begleitete Annäherung an internationale Marktverhältnisse besser. Die schmerzlichen Erfahrungen beim Bankgeheimnis wollen wir in unserer Branche nicht wiederholen. Es braucht daher zukunftsorientierte Diskussionen unter Einbezug der gesamten Wertschöpfungskette. Nur so können wir die grossen Herausforderungen, welche vor uns liegen, meistern.

Eines der momentan am häufigsten diskutierten Szenarien ist eine Öffnung der sogenannten «weissen Linie» für Industriemilch. Was ist die Position der Igas zu einem solchen Abkommen zum Milchfreihandel?
Die IGAS fordert eine Rückbesinnung auf die Ziele der Agrarreform von 1992. Dazu gehört eine langfristig angelegte Öffnungsstrategie. Tendenziell ziehen wir einen umfassenden Öffnungsansatz mit Begleitung vor. Einer Öffnung der weissen Linie ohne entsprechende Rahmenbedingungen und Begleitmassnahmen erteilen wir eine klare Absage.

IGAS

Die Interessengemeinschaft Agrarstandort Schweiz IGAS ist gemäss eigenen Angaben eine breit abgestützte Plattform von Unternehmen und Organisationen, welche die Verhandlungen über ein Abkommen mit der EU im Agrar-, Lebensmittel- und Gesundheitsbereich befürworten. Sie will den politischen Prozess aktiv begleiten und mitgestalten.

Mitglieder der IGAS sind unter anderem Coop, Migros, Nestlé, Emmi, Elsa, MGB, Thur Milch Ring AG, Hiestand, Hug, IP-Suisse, Suisseporcs, Fromarte, Bio Suisse, Gastrosuisse, Swisscofel, Schweizer Fleisch-Fachverband, Mutterkuh Schweiz und die Stiftung für Konsumentenschutz.

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