
Laut einer Studie wären bei einem Kollaps der Population der Bestäuberinsekten Kosten von über 30 Milliarden Franken zu erwarten.
zvg
Der Zusammenbruch der europäischen Bestände von wild lebenden Bestäuberinsekten hätte weitreichende Folgen und wäre auch mit spürbaren Wohlstandsverlusten verbunden. Zu diesem Schluss kommt eine Studie, die Wissenschaftler der Universität Hohenheim jetzt veröffentlicht haben.
Dabei wurde mit Modellrechnungen untersucht, welche wirtschaftlichen Folgen es hätte, wenn die Populationen von Bestäubern wie Wildbienen und Fliegen in Europa im Jahr 2030 weitgehend kollabieren würden. Für sogenannte bewirtschaftete Bestäuber, also beispielsweise Honigbienen, wurden konstante Bestände angenommen.
Produktionsrückgänge bis zu 19,8%
Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass die Ernten im europäischen Durchschnitt ohne die betreffende Bestäubungsleistung um 7,8% kleiner als üblich ausfallen würden. Der Rückgang des gesamten pflanzlichen Produktionsvolumens soll mit 7,2% weniger stark zu Buche schlagen, da erwartet wird, dass als Reaktion auf schwindende Insektenpopulationen unter anderem die Ackerfläche leicht ausgedehnt wird.
Während windbestäubte Nutzpflanzen erwartungsgemäss kaum vom Verlust der Insekten beeinflusst würden, wird für die übrigen Kulturen ein Produktionsrückgang zwischen 10,7 und 19,8% erwartet. In der Konsequenz würden gemäss den Modellierungen die entsprechenden Erzeugerpreise zwischen 12,8 und 24,7% ansteigen. Gemittelt über alle Erzeugerpreise ist mit Anstiegen von 5,8 bis 11,2% zu rechnen, was laut den Wissenschaftlern die Ernteeinbussen auf betrieblicher Ebene mehr als kompensieren könnte.
Steigende Nahrungsmittelpreise als Folge
Die rückläufigen Erträge und die geringere Verfügbarkeit werden der Studie zufolge zu steigenden Nahrungsmittelpreisen führen. Nicht zuletzt durch den dadurch ausgelösten Rückgang des Konsums stehen nach den Berechnungen unter dem Strich gesamtwirtschaftliche Einbussen. Diese sollen sich global betrachtet durchschnittlich auf 34,4 Mrd. Euro (31,6 Mrd. Franken) pro Jahr summieren.
Den Löwenanteil davon, nämlich jährlich 23,8 Mrd. Euro (22,1 Mrd. Franken), müsste laut den Forschern die Agrar- und Ernährungswirtschaft in Europa verkraften. Besonders betroffen wären Länder, deren Agrarproduktion vergleichsweise stark auf Bestäubung angewiesen ist, dazu werden aufgrund ihrer Obst- beziehungsweise Ölsaatenproduktion etwa Spanien und die Ukraine gezählt.
Uneinheitliche Schutzbereitschaft
Bei den Mitgliedstaaten der Europäischen Union klafft dabei nach den Beobachtungen der Forscher eine Lücke zwischen den zu erwartenden nationalen Auswirkungen des Bestäuberverlustes und der Bereitschaft, Brüsseler Initiativen zum Schutz der Biodiversität zu unterstützen. Die Wissenschaftler beziehen sich dabei auf die Unterstützung für Gesetzesvorhaben wie den Verordnungsvorschlag zum nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (SUR) und das Naturwiederherstellungsgesetz (NRL).
«Die ökonomischen Kosten des Verschwindens wilder Bestäuber sind besonders hoch in Ländern, deren EU-Abgeordnete im Parlament mehrheitlich gegen die genannten EU-Verordnungen gestimmt haben», so Erstautor Prof. Arndt Feuerbacher. Er führt diese Diskrepanz auf eine höhere volkswirtschaftliche Abhängigkeit von der landwirtschaftlichen Produktion zurück, die wiederum das Abstimmverhalten der Abgeordneten beeinflussen könne. Hier gebe es aber noch weiteren Forschungsbedarf.