
Martin Brändli setzt auf alte Sorten, obschon bei denen die Äpfel kleiner sind und mehr Arbeit beim Pflücken geben.
Thomas Burla
Fructus feiert dieses Jahr das 40-jährige Bestehen. Im Rahmen der Expo Fruits Basel, die heute und morgen stattfindet, gibt es eine Jubiläumsausstellung. Gegründet wurde die schweizweit tätige Organisation 1985 in Zürich. Sie hat an diversen Inventarisierungsprojekten des Bundes mitgewirkt (siehe Kasten), ernennt jedes Jahr die Obstsorte des Jahres und führte kürzlich den Obstverkauf am Herbstfest des Botanischen Gartens der Uni Zürich durch. 1’500 bis 2’000 Kilo Äpfel und Birnen von rund 60 Sorten werden dort jedes Jahr verkauft.
Den Genpool nutzen
Einer der Lieferanten ist Martin Brändli, der das Herbstfest seit 2006 beliefert und der selbst Obst auf dem Bürkliplatz-Markt in Zürich anbietet. Er ist Fructus-Mitglied seit so langer Zeit, dass er sich nicht mehr ans Eintrittsjahr erinnern kann. Wohl aber an den Grund für den Beitritt: «Zur Vereinigung gebracht hat mich die Faszination für alte Obstsorten und deren Vielfalt. Und die Überzeugung, dass es in unserer Zeit mit Krankheiten wie dem Feuerbrand und den wenigen, global angebauten modernen Apfelzüchtungen den Genpool alter Sorten braucht, um die Zukunft des Obstbaus zu sichern. Fructus trägt dazu bei und übernimmt die Aufgabe, die Bevölkerung zu sensibilisieren.»
«Da mein Hof zu klein ist, den Handel zu beliefern, habe ich ihn auf die Direktvermarkung ausgerichtet.»
Martin Brändli hat 1995 seinen Biobetrieb in Meilen ZH von seinem Vater übernommen. «Er betrieb schon Obstbau mit einer Niederstammanlage, damals lag der Fokus aber noch auf modernen Sorten», blickt er zurück. «Da mein Hof zu klein ist, den Handel zu beliefern, habe ich ihn auf die Direktvermarkung ausgerichtet.» Bis zu 18 Apfelsorten bietet er am Markt in Zürich an, daneben hat er eine kleine Selbstbedienungsanlage, versendet Bestellungen und beliefert Bioläden in der Region.
Klein, viel Geschmack
«Ich habe Stammkunden, die genau wie ich begeistert davon sind, wie vielfältig und intensiv reife Äpfel der alten Sorten schmecken. Diese Nische will ich ausnutzen», betont er. Daran hat er konsequent gearbeitet. «Die Niederstammbäume werden periodisch ersetzt. Dabei, wie auch beim Aufzweien, habe ich seit der Betriebsübernahme vor 30 Jahren moderne Sorten wie Golden Delicious oder Braeburn durch Raritäten wie Ananasrenette oder Edelchrüsler ersetzt.»
Der Golden sei kein schlechter Apfel, versichert er. «Reif schmeckt er hervorragend. Aber der Handel verlangt lagerfähige Früchte. Wir Produzenten müssen sie unreif pflücken.» Daran sei er nun nicht mehr gebunden, ist er erleichtert. Ich kann ernten, wenn die Äpfel reif sind. Dabei habe ich zwar mehr Arbeit, weil sie klein sind. Aber ihr Aroma ist unübertroffen. Eine Lieblingssorte kann ich deshalb nicht nennen, jede Saison hat ihre Höhepunkte.»
195’000 Obstbäume
Fructus ist ein gemeinnütziger Verein, der sich seit 40 Jahren einsetzt für alte Obstsorten und Hochstamm-Obstgärten. Er bewertet die Eigenschaften der Sorten, fördert ihre Nutzung und sensibilisiert die Öffentlichkeit für deren Vielfalt.
1999 begann Fructus im Rahmen des «Aktionsplans für die Vielfalt der Nutzpflanzen», unterstützt vom Bundesamt für Landwirtschaft, in Zusammenarbeit mit Agroscope mit der Inventarisierung von Obst- und Beerensorten. Insgesamt konnten knapp 195’000 einzelne Obstbäume und Beerenstandorte, die von rund 12’000 Landwirten und Gartenbesitzerinnen in der ganzen Schweiz gemeldet wurden, in die Projektdatenbank aufgenommen werden.
Viele dieser Sorten wurden unter falschem oder gar keinem Namen gemeldet. Im Rahmen von verschiedenen Nachfolgeprojekten des Aktionsplans wurden sie beschrieben und teils genetisch analysiert. Auf diese Weise werden rund 1’200 Apfel-, 600 Birnen-, 450 Kirschen- und 250 Zwetschgensorten für die Nachwelt erhalten. sum