
Luzia Krummenacher schneidet eine Damaszener-Rose in ihrem grossen Kräutergarten.
Susanne Künsch
Lucia Krummenacher schneidet eine Rose von einem etwa zwei Meter hohen Rosenstrauch. Es ist nicht irgendein Rosenstrauch, sondern eine prall gefüllte, satt rosa Damaszener-Rose mit einem intensiven Duft. Aber nicht nur der Duft macht die Rose besonders: Die Damaszener-Rose wird auch als Königin der Blumen bezeichnet.
«Sie enthält ätherische Öle mit über 400 Bestandteilen und wirkt unteranderem entzündungshemmend, krampflösend und beruhigend. Zudem unterstützt sie die Regeneration der Haut und wird auch gegen Herzbeschwerden und Nervenleiden eingesetzt», weiss die 49-jährige Bäuerin und ausgebildete Berufsmasseurin.
15 Jahre Erfahrung
Um einen Liter Rosenöl herzustellen, brauche es 3 bis 4 Tonnen Rosenblätter. Tritt man durch das hohe Bogentor, um das sich üppiger Hopfen schlängelt, gelangt man in den beeindruckenden Kräutergarten vom Rigihof im luzernischen Rothenburg.
«Hopfen wächst im Uhrzeigersinn. Will man ihn in eine andere Richtung zwingen, stoppt er sein Wachstum», sagt Lucia Krummenacher. An die 70 Kräuter werden hier gehegt und gepflegt. «Mich haben Kräuter und ihre Heilkräfte schon seit frühester Jugend fasziniert», erzählt die Bauersfrau, die sich seit 15 Jahren intensiv mit Kräuterkunde befasst.
Schweizer Kräuter sind kraftvoll
In ihrem Massagezimmer reihen sich hochwertige Essenzen, Tinkturen, Ölauszüge, Hydrolate und getrocknete Kräuter, die sie für ihre wohltuenden Massagen verwendet. «Anfangs habe ich meine Kräuterstempelmassagen nur innerhalb meiner Familie und im Bekanntenkreis angewendet.» Durch Mundpropaganda habe sich die Zahl ihrer Kunden inzwischen aber so sehr erhöht, dass sie vollumfänglich ausgelastet sei, hält die Mutter von drei erwachsenen Kindern fest.

Lucia Krummenacher mit den fertigen Kräuterstempeln.
Susanne Künsch
Neben der Arbeit als Familienfrau, im Kräutergarten, bei der Weiterverarbeitung und der Mithilfe auf dem 44 Hektaren grossen IP-Suisse-Milchwirtschaftsbetrieb stellt Lucia Krummenacher zusätzlich Kräuterstempel für zwei weitere medizinische Massagepraxen her. Zudem ist sie Mitglied beim SVMM (Schweizerischer Verband für Medizinische Massage), der auch die Praxiskontrolle im Rahmen der Qualitätssicherung durchführt.
Gegen jedes Leiden
Die etwa faustgrossen Kräuterstempel, die ihren Ursprung in der asiatischen Ayurveda-Medizin haben, beinhalten eine Vielzahl an getrockneten Kräutern. «Hauptbestandteile der Stempel sind Heublumen, die schmerzlindernd wirken. Alle von mir verwendeten getrockneten Kräuter und Gräser wachsen auf dem Betrieb, mit Ausnahme einiger aromagebenden Zusätzen, wie zum Beispiel Zimt während der Wintermonate.»
Gegen fast jedes Leiden sei ein Kraut gewachsen, erklärt die Bauersfrau. Verpackt werden die Kräuter in ungebleichte Baumwolltücher. Durch das Erhitzen im Dampf lösen sich die ätherischen Öle und werden über die Haut und die Atemwege aufgenommen. Ein Kräuterstempel kann bis zu achtmal wiederverwendet werden. «Sie wirken durchblutungsfördernd und entspannend zugleich», erklärt die Masseurin und erinnert daran, dass Heublumensackauflagen früher ein bewährtes Mittel gegen Bauchschmerzen und Bronchienleiden waren.
Persönlicher Favorit: Frauenmantel
Soll ein bestimmtes Leiden gelindert werden, stellt die Kräuterexpertin entsprechende Gräser und Kräuter zusammen. Bei Rückenproblemen kommt oft Johannisöl zum Einsatz. «Die Blüten werden gepflückt und in kaltgepresstes Rapsöl oder Oli venöl gelegt», beschreibt sie den Prozess. Wobei die Pflückzeit ausschlaggebend sei: Blätter würden generell am Morgen, Blüten um die Mittagszeit bei schönem Wetter gepflückt, denn durch die Wärme der Sonne sei dann der Gehalt an ätherischen Ölen am höchsten, wie typischerweise beim Lavendel.
Die grosse Ausnahme: die Damaszener-Rose – diese Blüten werden am frühen Morgen gepflückt. Als persönlicher Favorit nennt Krummenacher den Frauenmantel, und sofort folgt der lateinische Name: Alchemilla vulgaris, angelehnt an die namensgebenden Alchemisten, die im morgendlichen Tautropfen, der in den Frauenmantelblättern zu finden ist, den Stein des Weisen gefunden zu haben glaubten.
Pflanzen aus der Wildkräutergärtnerei
«Der Frauenmantel hilft gezielt dem weiblichen Organismus, ist zell- und gefässschützend, krampflösend und antibakteriell», sei aber nicht zu verwechseln mit dem Frauenmantel, der oft in Bauerngärten wachse. Dieser heisst Alchemilla mollis, Weicher Frauenmantel, und ist robuster, weicher, leicht behaart und eignet sich laut Krummenacher nicht für Heilzwecke. Dafür punkte dieser umso mehr in Blumensträussen. «Viele Heilkräuter wurden oft gekreuzt und verfügen nicht mehr über die Heilkraft einer wilden Pflanze», deshalb hole sie ihre Pflanzen in einer Wildkräutergärtnerei.
«Der Mensch ist meistens übersäuert, Kräuter sind basisch und bringen so den Säure-Basen-Haushalt wieder ins Lot.»
Fürs Kochen Kräuter zu verwenden, ist auf dem Rigihof normal: «Der Mensch ist meistens übersäuert, Kräuter sind basisch und bringen so den Säure-Basen-Haushalt wieder ins Lot.» Immer im März zieht es Lucia Krummenacher nach draussen: Die Bärlauchernte beginnt, wenig später spriessen die ersten Birkenblätter, dann folgt die arbeitsintensive Sommerzeit mit der Haupternte. «Ich pflücke gerne früh, da der Spätsommer und der Herbst mit mehr Feuchtigkeit die Kräuter, etwa die Minze, anfälliger für Rost machen.»
Lebensraum für Kleintiere
Ein schöner Nebeneffekt des Kräuteranbaus: Es entsteht Lebensraum für Vögel, Schmetterlinge und vor allem für die Bienen. Die Bäuerin nennt da etwa Ysop, der auch Bienenstaude genannt wird und entsprechend intensiv genutzt wird während der Hauptblütezeit. Vielseitig verwertbar sind auch die Blüten und die Früchte des Holunderbaums. «Die gibt es praktisch auf jedem Bauernhof, denn früher wurde angenommen, dass dort der gute Pflanzengeist wohnt, nämlich die Göttin Holda als Beschützerin von Hof, Tier und Pflanzen.

Eine Vielzahl an getrockneten Kräutern wird für die Stempel verwendet.
Susanne Künsch
Im Frühling kann aus den Blüten eine Tinktur hergestellt werden, die schweisstreibend wirkt», weiss die Bäuerin. Getrocknet verwendet sie diese zusätzlich für die Kräuterstempel. Die reifen Beeren können zu Gelee oder Sirup verarbeitet werden und tragen zur Steigerung der Abwehrkräfte bei.
Mentale Resilienz mit Gänseblümchen
Das Gänseblümchen, Bellis perennis, hat sich früher in der Kinderheilkunde bewährt, bei Kindern, die schlecht gedeihen wollten. Die aufheiternde Wirkung soll die Menschen bei emotionaler Belastung unterstützen und die mentale Resilienz stärken. Heute findet man es unter anderem öfters in Salben für Hautprobleme. Hilfreich bei diversen Hautproblemen und kleinen Schnittverletzungen ist die Ringelblume.
In Form von Salbe oder Öl sollte diese Heilpflanze in keiner Hausapotheke fehlen. Ihre Inhaltsstoffe wirken wundheilungsfördernd und entzündungshemmend. Die Ringelblume blüht üppig, und zwar umso mehr, je häufiger man sie erntet. Bei Bauernhochzeiten war sie darum fester Bestandteil des Brautstrausses mit dem symbolischen Wunsch: Eure Liebe soll nie enden, sondern immer neue Blüten treiben.