Pioniere streben keine Expansion an

Mitten in Zürich, am Fuss des Uetlibergs, wachsen Austernseitlinge in Demeter-Qualität – in einem stillgelegten städtischen Wasserreservoir betreiben Carsten Roth und Silvia Mathis das Unternehmen «Züripilz».

Lukas Walde |

Was wie ein kurioses Detail klingt, ist das Fundament eines Projekts, das sich konsequent ausserhalb des klassischen Marktsystems positioniert: Die Macher von «Züripilz» produzieren bewusst klein, lokal und biologisch-dynamisch – als erste Demeter-zertifizierte Pilzzucht der Schweiz.

Im Nebenerwerb

Die Gründer Silvia Mathis und Carsten Roth betreiben das Unternehmen im Nebenerwerb. Beide stammen nicht aus der Landwirtschaft – Mathis ist Videojournalistin, Roth Bauingenieur –, doch ihre Affinität zu Natur, Ernährung und Selbstbau zieht sich durch das ganze Projekt.

Die Technik in der Halle ist selbst geplant, gebaut und grösstenteils automatisiert. «Die Pilzzucht selbst ist auf das Wesentliche reduziert», sagt Carsten Roth – und diese sei ohne Scheu vor Handarbeit ausgestaltet.

Energie ist zentral

Derzeit produziert «Züripilz» rund 100 Kilogramm Austernseitlinge pro Monat. Das Substrat hierfür besteht aus Bio- oder Demeter-Stroh (gekrümelt zur möglichst einfachen Verarbeitung) und Wasser. Verkauft wird derzeit fast ausschliesslich an den Biogarten Lieli für dessen Gemüseabos, aber auch direkt bei Führungen. Das Kundensegment der Bioläden wurde getestet, blieb aber wegen kleinteiliger Logistik für das Unternehmen unattraktiv.

Das Marktumfeld für Edelpilze schätzt Carsten Roth derzeit als ambivalent ein. Die Nachfrage nach regionaler, hochwertiger Bioware steigt, gleichzeitig ist der Aufwand im Anbau hoch. Neben der aufwendigen Substratherstellung gestaltet sich das Thema Energie als zentrales Element: Da die grossen, unterirdischen Betonhallen nur wenig beheizt werden, liegt die Kultivierungstemperatur bei rund 13 Grad Celsius. «Wir verfolgen einen Kaltpilz-Ansatz, der zwar weniger schnell Ertrag bringt, dafür aber längere Haltbarkeit und eine ökologische Optimierung ermöglicht», so Roth.

Stadt gibt Label vor

Trotz der Pionierrolle als erster Demeter-Pilzbetrieb plant das Unternehmen derzeit keine Expansion in den Grosshandel. Auch eine Erweiterung auf andere Sorten steht nicht im Raum. Schlicht, weil der Fokus auf Spezialisierung statt auf einem breiten Angebot liegt. Sein Motto bringt das kreative Duo deshalb wie folgt auf den Punkt: «Seitlinge in bester Qualität unter Bedingungen, die sowohl Mensch als auch Pilz gerecht werden».

Die Bio-Suisse-Zertifizierung war dereinst eine Vorgabe der «Grün Stadt Zürich», bei der «Züripilz» die Produktionsstätte pachtet. Die Entscheidung für das Demeter-Label fiel dagegen nicht von Anfang an. Erst die enge Zusammenarbeit mit dem Biogarten Lieli, einem langjährigen Demeter-Betrieb, überzeugte die Gründer von der biodynamischen Philosophie. Tatsächlich sei die Zertifizierung mit einigen Hürden verbunden gewesen.

Hallentür steht offen

Für Speisepilze hätten bis dahin keine spezifischen Demeter-Richtlinien existiert. In enger Zusammenarbeit mit dem Verband habe «Züripilz» umsetzbare Richtlinien entwickelt, die künftig auch anderen Pilzbetrieben eine Zertifizierung ermöglichen sollen. Demeter sei für das Paar nicht einfach ein Label, sondern eine Haltung. «Wir wollten von Anfang an zeigen, dass auch Pilze unter konsequent biologisch-dynamischen Bedingungen kultiviert werden können», sagt Carsten Roth. Heute sei die Qualität der Fruchtkörper ebenso überzeugend wie das Kundenfeedback.

Austernseitlinge

Die Austernseitlinge, auch als Pleurotus ostreatus bekannt, sind eine beliebte Speisepilzart, die nicht nur in der Gastronomie geschätzt wird, sondern auch als gesundheitsfördernd gilt. Im Demeter erfolgt der Anbau dieser Pilze unter strengen biologisch-dynamischen Richtlinien, die eine nachhaltige und umweltgerechte Landwirtschaft fördern. egz

Der Sommer bringt dieses Jahr eine bewusste Produktionspause. Zur Hallenwartung, aber auch weil die Nachfrage saisonal zurückgeht. «Züripilz» sei kein hochskalierbares Agrarmodell, sondern ein Projekt an der Schnittstelle von Landwirtschaft, Stadtökologie und persönlichem Engagement, lassen sich die Gründer zitieren. Die Frage, ob daraus dereinst ein Referenzmodell für urbane Mikrolandwirtschaft werden könnte, bleibt offen – ebenso wie die Hallentür, durch die immer wieder interessierte Gruppen und Workshopteilnehmende treten.

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