Ein Bericht der Nachrichtenagentur «Bloomberg» liess die Hoffnung aufkeimen. Die Schweiz stehe im Zollstreit mit den USA kurz vor Abschluss eines Deals, berichtete diese am Montagabend. Eine Einigung mit einer Zollsenkung von 39 auf 15 Prozent könnte in den nächsten zwei Wochen erzielt werden, hiess es mit Verweis auf Insider.
Untermalt wurden die guten Nachrichten durch Aussagen von US-Präsident Donald Trump. Dieser erklärte an einer Medienkonferenz auf eine Journalistenfrage zum Thema Schweiz: «Wir arbeiten an einem Deal, um ihre Zölle etwas zu senken.»
Keine Wettbewerbsverzerrung
In Ökonomenkreisen wird eine mögliche Absenkung des US-Zolls als positiv für die Schweiz gewertet. «Mit einer Senkung würde der Gegenwind, der dem Aussenhandel entgegenweht, markant abgeschwächt», schreibt Santosh Brivio von der Migrosbank auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP. Der Aussenhandel werde so stärker zum Wachstum beitragen und dem hiesigen Bruttoinlandsprodukt (BIP) Rückenwind verschaffen.
Vor allem die Uhrenbranche, die Medizinalbranche und die Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie dürften von tieferen Zöllen profitieren, hält Alessandro Bee von der UBS fest. Und auch je nach Firmengrösse gebe es Unterschiede. «Kleine Firmen, die nicht die Möglichkeit haben ihre Produktion in die USA zu verlegen, profitieren stärker als grosse Firmen.»
Mit einer Zollsenkung falle für die betroffenen Branchen ein Wettbewerbsnachteil insbesondere mit der Konkurrenz in der EU weg, ergänzt Brian Mandt von der Luzerner Kantonalbank. Für EU-Güter gilt bereits seit einigen Monaten ein tieferer US-Zoll von 15 Prozent. Mit einer Angleichung der Zölle dürfte der Druck auf Schweizer Exporteure, ihre Produktionen in die EU oder gar in die USA auszulagern, abnehmen, so Mandt.
15 Prozent sind nicht Null
Allzu euphorisch fallen die Einschätzungen der Ökonomen mit Blick auf die erhoffte Zollsenkung aber nicht aus. Sie wären demnach kein Turbo für die seit einiger Zeit nur schwach wachsenden Wirtschaft.
Schliesslich verursachten auch 15 Prozent Zoll volkswirtschaftliche Kosten, warnt etwa KOF-Ökonom Hans Gersbach. Schweizer Exporte in die USA seien immer noch deutlich teurer als im Vorjahr und dies werde den Ausblick der Firmen eintrüben, ergänzt Bee.
Pharmasektor
Vieles hänge auch von den Lösungen ab, die im Pharmasektor erzielt werden, betont Gersbach ausserdem. Die gewichtigen Pharmaexporte sind wie jene der Halbleiter- oder Chemiebranche noch von US-Zöllen ausgenommen. Trump drohte allerdings den weltweiten Medikamentenherstellern mit hohen Strafzöllen, sollten sie beispielsweise die Preise auf dem US-Markt nicht senken oder nicht stärker in die Produktion in den USA investieren.
Im Falle eines Deals mit den USA könnten analog zum EU-Abkommen auch die bislang ausgenommenen Pharmaprodukte neu dem Basiszollsatz unterstellt werden, bemerkt denn auch Roman Elbl von der St. Galler Kantonalbank. «Dies hat zwar ebenfalls den Vorteil der verbesserten Planungssicherheit, bringt für das wichtige Schweizer Exportgut aber eine höhere Zollbelastung mit sich.»
Weiterhin unter Potenzial
Mit Blick auf die BIP-Entwicklung rechnet Mischa Riedo von der Valiant Bank, dass sich der Wachstumsverlust durch die US-Zollpolitik von rund 0,5 auf 0,2 Prozentpunkte abschwächen dürfte. Wie viele andere Ökonomen hat auch er seine BIP-Prognose allerdings schon auf einen tieferen Zollsatz von 15 bis 20 Prozent ausgelegt. Er geht für 2026 folglich weiterhin von einem Wachstum von rund 1 Prozent aus.
Auch in den Annahmen des Wirtschaftsinstituts BAK Economics ist eine Senkung der US-Zölle auf 15 Prozent bis Ende 2025 enthalten. Daher bleibe die BIP-Prognose für die Schweiz für das kommende Jahr bei 0,9 Prozent, womit das Wachstum unter dem Potenzial verharre, schreibt Chefökonom Claude Maurer. Das Potenzialwachstum wird für die Schweiz auf gut 1,5 Prozent geschätzt.
Eine Zollsenkung würde die Dynamik zwar spürbar verbessern, doch blieben viele weitere Probleme bestehen, fasst Migrosbank-Ökonom Brivio die vorherrschende Meinung zusammen. Und dazu zählten die schwächelnde Weltkonjunktur, die handelspolitischen Unsicherheiten und der starke Schweizer Franken.
