
Es ist nicht in Stein gemeisselt, dass PFAS im Boden bleiben müssen.
Jürg Vollmer
Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) sind äusserst vielfältige Chemikalien. Wegen ihrer wasser- und fettabweisenden Eigenschaften und wegen ihrer thermischen Stabilität durchdringen sie unsere ganze Lebenswelt. So werden sie in Feuerlöschern, in Textilien und Schuhen, in Pfannen, in Imprägnierungssprays, in Polstermöbeln, in Betten, in Farben, in Skiwachs, in Pflanzenschutzmitteln, in Wärmepumpen und an unzähligen weiteren Orten des Alltagslebens verwendet.
Sie haben unser Leben stark erleichtert. Ihre Schattenseite liegt darin, dass sie über natürliche Prozesse kaum abgebaut werden. Deshalb werden sie auch «Ewigkeitschemikalien» genannt. Sie reichern sich überall an, sei es im Boden, in Gewässern, in Organismen und Ökosystemen. PFAS reichern sich auch im Menschen, in Tieren und in Pflanzen an. Wir nehmen sie über Trinkwasser und Nahrungsmittel auf oder atmen sie als Staub ein. Wir geben sie über Abwassersysteme an die Umwelt zurück. Bekanntlich durfte Klärschlamm bis 2006 als Dünger in der Landwirtschaft verwendet werden.
Alte und neue Erkenntnisse
Viele PFAS sind noch nicht untersucht. Es ist jedoch bekannt, dass gewisse PFAS die Entwicklung von menschlichen Organen und das Geburtsgewicht bei Neugeborenen negativ beeinflussen (Bundesamt für Gesundheit, Pilotphase der Schweizer Gesundheitsstudie – Ergebnisse des Humanbiomonitorings, August 2023). Die schweizerische Akademie der Naturwissenschaften (SCNAT) zeigt den Zusammenhang zwischen PFAS und schweren Organschäden sowie Krebserkrankungen beim Menschen auf (SCNAT, PFAS: Vorkommen, Risiken und Handlungsansätze, Vol. 20, Nr. 4, 2025) .
Das Problem ist alt und eigentlich seit längerer Zeit bekannt. Der Bundesrat wurde 2022 beauftragt, spezifische Grenzwerte für PFAS festzulegen, welche bis dahin nicht bestanden. Hier von besonderem Interesse sind die vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit festgelegten Höchstwerte für PFAS in Lebensmitteln und im Trinkwasser. Seit dem 31. Juli 2024 dürfen Lebensmittel, welche die Höchstwerte überschreiten, nicht mehr eingeführt, hergestellt oder in Verkehr gebracht werden.
Gleich wie Berufsverbot
Folglich hat der Kanton St. Gallen im Jahr 2024 einigen Landwirtschaftsbetrieben als Sofortmassnahmen den Verkauf von Fleisch verboten. Eine solche Massnahme ist sehr einschneidend. Sie kommt einem Berufsverbot gleich, mindestens aber einer erheblichen Einschränkung der landwirtschaftlichen Betriebe. Damit stellen sich grundlegende politische und rechtliche Fragen: Wer trägt die Verantwortung für die Verseuchung der Böden und der Gewässer? Ist das Eingreifen des Staates verhältnismässig? Behandelt der Staat alle gleich? Unterliegt der Staat einer zivilrechtlichen Verantwortung für bisheriges Fehlverhalten? Wie werden die künftigen Regularien im Umwelt- und im Gesundheitsschutz ausgestaltet?
Diese und weitere Fragen müssen erst noch geklärt werden. Das wird Jahre in Anspruch nehmen. Bereits die Frage nach der Entschädigungspflicht des Staates ist komplex. Die Bundesverfassung schützt in Art. 27 BV die Wirtschaftsfreiheit. Diese umfasst die freie Ausübung des Berufes, somit also auch den Entscheid darüber, wie ein Landwirtschaftsbetrieb bewirtschaftet wird. Verbietet der Staat die Viehwirtschaft, ist die Wirtschaftsfreiheit verletzt.
Landwirt- und Gesellschaftsrelevant
Daraus entsteht jedoch kein Entschädigungsanspruch. Ein solcher wäre aus der Eigentumsgarantie gemäss Art. 26 BV abzuleiten. Nun sind aber öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkungen grundsätzlich entschädigungslos, wenn sie dem Schutz von Polizeigütern, wie dem Schutz der Gesundheit, dienen. Eine Entschädigungspflicht liegt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur vor, wenn der Eingriff aufgrund des Polizeigüterschutzes weiter geht, als es zur Abwehr der ernsthaften und unmittelbaren Gefahr nötig erscheint (BGE 135 I 209, E. 3.3.1 mit weiteren Hinweisen).
Heute wissen wir: Gewisse PFAS sind äusserst schädlich und verschwinden nicht. Sie betreffen nicht nur den Kanton St. Gallen, sondern die gesamte Schweiz. Auch betreffen sie nicht nur die Landwirtschaft, sondern die gesamte Wirtschaft, ja die Gesellschaft überhaupt. Und genau sie steht in der Verantwortung, das Problem der «Ewigkeitschemikalien» wissenschaftsbasiert, umsichtig und beherzt anzupacken. Es kann nicht angehen, die Bürde nur punktuell anzupacken und nur bei der Landwirtschaft abzuladen.
Es gibt bereits heute Ersatzstoffe für PFAS
An seiner ausserordentlichen PFAS-Session vom 9. September 2025 hat der Nationalrat die Motion 25.3421 der ständerätlichen Umweltkommission nach intensiver Debatte gutgeheissen. Er will, dass bei der Festlegung von Grenzwerten für PFAS neben den Umwelt- und Gesundheitsrisiken auch wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt werden.
Aus unserer Sicht ist aber im Auge zu behalten, dass die Lösung eines komplexen Problems mindestens ebenso komplex ist wie das Problem selbst. Nur an Grenzwerten herumzuschrauben, hilft niemandem, erst recht nicht künftigen Generationen. Es gibt bereits heute Ersatzstoffe für PFAS.
Daneben sind die Anstrengungen in Forschung und Entwicklung deutlich zu verstärken. Und schliesslich ist auch nicht in Stein gemeisselt, dass PFAS im Boden bleiben müssen. Letztlich ist es eine Frage des politischen Willens, der Innovation sowie der Finanzierung.
*Ursina Winkler Angulo Ortiz ist Juristin bei Niklaus Rechtsanwälte und unter anderem Expertin im Bereich Umwelt- und Gewässerschutzrecht.
*Jürg Niklaus ist promovierter Jurist und praktiziert als selbstständiger Rechtsanwalt in Dübendorf ZH.