Kritiker sind skeptisch, ob man sich in Rio auf Konzepte einigen kann, die tatsächlich ökologisch und sozial nachhaltig sind.
Zwanzig Jahre sind verstrichen seit der UNO-Konferenz zur nachhaltigen Entwicklung in Rio de Janeiro. In vier Wochen treffen sich die Vereinten Nationen (UN) erneut in der brasilianischen Metropole. Ziel ist die Erneuerung des politischen Engagements für eine nachhaltige Entwicklung. Dabei steht die sogenannte «Green Economy», die grüne Ökonomie, im Zentrum.Grün, aber wie?
Eines der sieben Kerngebiete, die diskutiert werden sollen, ist die Nahrungssicherheit und die Landwirtschaft. An der Rio-Konferenz von 1992 wurde das Konzept der Nachhaltigkeit auf drei Säulen abgestützt: ökologische, wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit.
Wenn man die Landwirtschaftskonzepte betrachtet, die in den letzten Jahre im Dunstkreis der grünen Ökonomie Auftrieb erlangt haben, fallen einem unweigerlich Beispiele ein, die die ökologische und soziale Nachhaltigkeit nicht erfüllen. Etwa die Ausdehnung der Maismonokultur zur Ethanolherstellung. Soziale Desaster wie das Land Grabbing und die Nahrungsmittelkrise von 2008 wurden nicht zuletzt dadurch gefördert.
Viele Leute sind deshalb skeptisch, ob von Rio+20 ein in allen Bereichen nachhaltiges Landwirtschaftskonzept zu erwarten sei. Carlos Marentes von Via Campesina Texas, USA, äusserte am Mittwoch an einer Veranstaltung von Swissaid, Biovision und dem Zentrum für Entwicklung und Umwelt der Universität Bern seine Bedenken: «Sie werden ein Wirtschaftsmodell präsentieren, welches das Weiterfunktionieren des Bisherigen garantiert und den bisher mächtigen Konzernen gar weitere Geschäftsbereiche erschliessen soll.»
Kleinbauern ins Zentrum
Auch Hans Herren von Biovision fürchtet, dass man dieselben Fehler wie bei der grünen Revolution begehen werde, und die Entwicklung der Landwirtschaft zu stark in die Hände der Industrie lege. Dass die industrielle Landwirtschaft keine Lösungen für die Probleme der Zukunft bringt, ist für ihn erwiesen. «Der Weltagrarbericht zeigt mögliche Lösungsansätze auf.»
Man muss den 2,6 Milliarden Kleinbauern- und Bäuerinnen den Zugang zu Ressourcen für eine nachhaltige Entwicklung ihrer Landwirtschaft ermöglichen. Das heisst Zugang zu Wissen und Forschung, Saatgut, Land, Wasser, und nicht zuletzt zu gestärkten lokalen Märkten. Die gegenwärtigen Trends gehen aber in die andere Richtung: Einige private Unternehmen versuchen immer mehr, ebendiese Ressourcen zu monopolisieren.
Kleine Familienbetriebe hätten das Potenzial, im Sinne der Nachhaltigkeit viel effizienter zu produzieren als industrielle Grossbetriebe. Diesen Paradigmenwechsel gelte es in den Köpfen der Entscheidungsträger zu vollziehen, so Herren. «Wir wissen, was man machen muss, es müssen nur noch die richtigen Leute zuhören.»
Wahre Kosten vorrechnen
Aber auch wenn die Regierungen in Rio vielleicht zuhören, ist noch nicht garantiert, dass sie auch entsprechend handeln werden. Sie stehen vielfach unter einem starken Einfluss der Industrie. «Man muss den Regierungen deshalb vorrechnen, wie teuer sie die industrielle Landwirtschaft tatsächlich zu stehen kommt.» Viele massive gegenwärtige und zukünftige Kosten im Gesundheits-, Sozial und Umweltbereich könnten laut Herren mit gezielten Investitionen in eine nachhaltige Landwirtschaft stark reduziert werden.
Die Delegation der Schweizer Regierung an Rio+20 besteht aus Vertretern von verschiedenen Bundesämtern unter Leitung des Bundesamtes für Umwelt Bafu.
Infos zu Rio+20 unter www.rio20.ch