
Gemüsebauer Rudi Berli, langjähriger Generalsekretär der Bauerngewerkschaft Uniterre, rückt für die Genfer Grünen in den Nationalrat nach.
zvg
Als Uniterre-Urgestein sitzen Sie ab kommendem Dezember im Nationalrat ein. Wie lange haben Sie auf dieses Amt hingearbeitet?
Rudi Berli: Ich habe mich über viele Jahre politisch engagiert, ohne parteigebunden zu sein. Vor den letzten eidgenössischen Wahlen wurde ich gefragt, ob ich nicht für die Grünen kandidieren wolle – ich habe den Schritt gewagt und ein gutes Resultat erzielt. Dass ich jetzt tatsächlich ins Parlament nachrücke, freut mich sehr. Ich bin bereit für ein neues Abenteuer.
Ihr Einzug ins Parlament wurde durch die Wahl von Nicolas Walder in den Genfer Staatsrat möglich. Er setzte sich gegen den SVP-Winzer Lionel Dugerdil durch. Hätte der nicht mehr bäuerliches Flair mitgebracht als ein Soziologe?
Lionel Dugerdil ist zweifellos ein engagierter Landwirt. Aber ich bin froh, dass Nicolas Walder den Sitz verteidigen konnte, den die Grünen seit 1997 innehaben. In Genf pflegen Landwirtschaft und Grüne traditionell ein gutes Verhältnis. Ein Beispiel dafür ist das kantonale Regionalitätslabel Genève Région Terre Avenir, das auf Initiative des grünen Ex-Staatsrats Robert Kramer zurückgeht.
Eigentlich hätte die abgewählte Nationalrätin Isabelle Pasquier-Eichenberger vor Ihnen nachrücken können.
Frau Pasquier hat aus beruflichen Gründen darauf verzichtet.
Sie engagieren sich seit über zwei Jahrzehnten als Generalsekretär von Uniterre. Wie nah standen Sie bisher der Bundespolitik?
Ich habe stets den Austausch mit Parlamentarierinnen und Parlamentariern gesucht. Mein Ziel war immer, die inländische Produktion zu stärken. Die Bäuerinnen und Bauern sollen von ihrer Arbeit leben können – und das geht nur, wenn die Lebensmittelproduktion im Zentrum steht. Dafür setze ich mich seit jeher ein.
Person und Betrieb
Rudi Berli ist ausgebildeter Gemüsegärtner und bewirtschaftet einen 4,5 Hektaren grossen Gemüsebetrieb in Avusy GE. Er wohnt in einem kleinen Nachbardorf in Frankreich, welches im Süden des Département Ain, zwischen dem Jura und Genf, liegt. Der genossenschaftlich organisierte Biobetrieb kommt ohne Direktzahlungen aus, setzt auf Direktvermarktung, erzielt einen Jahresumsatz von rund einer Million Franken und beschäftigt acht Vollzeitangestellte. Seit 47 Jahren wird dort Pionierarbeit geleistet: Die Landwirtschaft basiert auf einem Vertragsmodell mit Jahresabonnements. Der 62-jährige Berli ist zweisprachig und wuchs in Hausen am Albis ZH auf, 1980 zog er in den Kanton Genf. Seit über zwei Jahrzehnten ist er Generalsekretär der bäuerlichen Gewerkschaft Uniterre. Berli ist verheiratet und Vater von 3 Kindern.
Wer unterstützte Ihre Anliegen im Parlament bislang?
Ich habe gezielt über Parteigrenzen hinweg Verbündete gesucht. Am meisten Unterstützung fand ich bei der SVP und den Grünen – vereinzelt auch bei der Mitte und der SP. Am schwierigsten war der Austausch oft mit der FDP.
Werden Sie im Parlament mit dem Schweizer Bauernverband zusammenarbeiten?
Ja, darauf freue ich mich. Eine Zusammenarbeit ist notwendig, um Mehrheiten zu bilden. Ich werde meinen Beitrag leisten, um über politische Lager hinweg tragfähige Kompromisse zu finden.
An welche Themen denken Sie konkret?
Ein zentrales Anliegen ist die Inlandleistung, zum Beispiel in der Fleisch- oder Weinproduktion – sie darf nicht abgeschafft werden. Auch der Schwellenpreis für importiertes Futtergetreide muss angepasst werden, damit die Produzentenpreise steigen. Das Rahmenabkommen mit der EU wird ebenfalls Thema sein. Ich sehe es kritischer als meine Partei. Beim Käsefreihandel etwa bräuchte es eine Inlandleistung – ansonsten ist die Schweizer Milchwirtschaft noch mehr gefährdet. Der laufende Strukturwandel stösst wirtschaftlich, sozial und ökologisch an seine Grenzen.
Gerade die Milch war für Sie ein wiederkehrendes Thema.
Der Milchstreik 2008 war für mich ein prägendes Erlebnis, doch leider haben wir immer noch keinen Standardvertrag, der die Käufer in die Pflicht nimmt, Menge und Preis auf minimal drei Monate im Voraus festzulegen. Auch unsere Initiative zur Ernährungssouveränität oder die Versorgungssicherheitsinitiative des Bauernverbands gehörten zu wichtigen Momenten. Und beim Handelsabkommen mit Indonesien konnten wir dank dem Referendum Einfluss nehmen. Handelspolitik bleibt ein entscheidendes Feld.
Aktuell steht das Mercosur-Abkommen im Raum.
Wir sind bereit für ein Referendum. Mir geht es nicht um eine generelle Ablehnung, sondern um eine differenzierte Handelspolitik. Die Schweiz braucht gute Abkommen – aber nicht auf Kosten der Landwirtschaft.
Zurück zu den Grünen: Die Partei hat bei den letzten Wahlen verloren. War das Klimathema zu dominant?
Das Klima ist ein zentrales Thema, das uns alle betrifft. Wir müssen handeln – aber mit Augenmass. Lösungen müssen auch sozial und wirtschaftlich tragfähig sein. Die Grünen müssen es schaffen, Mehrheiten zu gewinnen und unterschiedliche Perspektiven einzubeziehen.
Von den Grünen ist vor allem Kilian Baumann als Landwirtschaftsvertreter bekannt. Er steht dem Bauernverband jedoch oft kritisch gegenüber. Wollen Sie einen anderen Weg gehen?
Ich schätze Kilians Engagement sehr – aber ich habe einen anderen Ansatz. Mir geht es darum, jeden einzelnen Betrieb zu erhalten. Jeder Hof, der verschwindet, ist ein Verlust für die Schweizer Landwirtschaft. Der Strukturwandel muss gestoppt – ja wenn möglich sogar umgekehrt werden. Ich bin mit dem Bauernverband oft unzufrieden, weil er zu viele Kompromisse eingeht und zu sehr in der Defensive ist. Man begnügt sich mit Agrarpaketen, die den Strukturwandel weiter antreiben. Ich möchte diese Debatten künftig noch intensiver führen.
In welcher Nationalratskommission möchten Sie am liebsten aktiv sein?
Das ist noch offen – die Zuteilung erfolgt erst in den kommenden Wochen. Ich werde mich dort einsetzen, wo meine Kompetenzen nützlich sind.
Wie werden Sie sich für das Nationalratsamt organisieren? Werden Sie bei Uniterre kürzertreten?
Ich werde mich neben der parlamentarischen Arbeit auf die Arbeit auf dem Betrieb und meine Familie konzentrieren. Bei Uniterre werde ich meine Aufgabe abgeben und voraussichtlich nur noch im Vorstand tätig sein.