«Keine zusätzlichen Flächen überbauen»

Rund 60’000 Bauernhäuser werden laut der Interessengemeinschaft «Stillgelegte Bauernhäuser sinnvoller nutzen» nur halb genutzt. Präsident Bruno Riedo erklärt, warum er sich für eine sinnvolle Nutzung einsetzt.

ats |

«Schweizer Bauer»: Was hat Sie und Ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter dazu bewegt, die IG «Stillgelegte Bauernhäuser sinnvoller nutzen» zu gründen? Uns hat vor allem die derzeitige Wohnungsnot in der ganzen Schweiz motiviert – es gibt nur wenige freie Wohnungsräume. Gleichzeitig haben wir beim Reisen durch ländliche Gebiete immer wieder verfallende Gebäudeteile an Bauernhäusern gesehen. Diese Beobachtungen haben uns dazu bewogen, eine IG zu gründen, um eine sinnvolle Nutzung dieser Gebäude zu ermöglichen.

Wann und wie ist die Idee entstanden, stillgelegte Bauernhäuser einer neuen Nutzung zuzuführen? Die Idee, stillgelegte Bauernhäuser einer neuen Nutzung zuzuführen, entstand im Rahmen meines Engagements als Präsident des Vereins zum Schutz landwirtschaftlicher Grundeigentümer (VSLG Schweiz). Schon in den Zielen des Vereins war verankert, sich für die sinnvolle Nutzung solcher Gebäude einzusetzen. Den konkreten Anstoss gab Ruth Walter von Villaret FR, die sich mit ihrer persönlichen Situation an mich wandte. Sie brachte die relevanten Personen an einen Tisch und machte es möglich, dass wir gemeinsam eine konkrete Initiative starten konnten.

«Es geht um eine nachhaltige Nutzung des bestehenden Potenzials, um Wohnraum zu schaffen, ohne unsere Landschaft und Ressourcen zusätzlich zu belasten.»

Bruno Riedo

Gibt es einen konkreten Auslöser oder ein Beispiel, das Sie besonders motiviert hat? Ein konkreter Auslöser war die Situation der Familie Walter, obwohl zwei Wohnungen vorhanden waren, musste eine Partei der Familie wegziehen, weil nicht genügend Platz vorhanden ist, obwohl eben nun ein grosser Teil des Gebäudes leer steht und nicht zu einer dritten Wohnung umgenutzt werden kann. Das hat mir deutlich gezeigt, wie schwierig es für viele Familien ist, gemeinsam zu wohnen oder in der Nähe zu bleiben. Es gibt Familien, die zusammenbleiben wollen. Daraus entstand der Wunsch, Wohnformen zu fördern, die generationenübergreifendes Zusammenleben ermöglichen – etwa Mehrgenerationenhäuser. Auch wenn ich persönlich nicht betroffen bin, motiviert mich der Gedanke, als vernünftig denkender Mensch Menschen zusammenzubringen.

Was ist das zentrale Ziel Ihres geplanten politischen Vorstosses im Grossen Rat des Kantons Freiburg? Das zentrale Ziel unseres politischen Vorstosses ist es, mehr Wohnraum zu schaffen, ohne zusätzliche Flächen zu verbauen. Wir möchten den bereits vorhandenen Raum besser und sinnvoller nutzen, anstatt neue Erschliessungsstrassen zu bauen oder die Landwirtschaft einzuschränken. Im Gegenteil – die Landwirtschaft soll weiterhin unterstützt werden. Es geht also um eine nachhaltige Nutzung des bestehenden Potenzials, um Wohnraum zu schaffen, ohne unsere Landschaft und Ressourcen zusätzlich zu belasten.

«Damit könnten neue Wohnmöglichkeiten entstehen, ohne zusätzliche Flächen einzuzonen.»

Bruno Riedo

Warum braucht es aus Ihrer Sicht gerade jetzt eine solche Initiative? Eine solche Initiative ist gerade jetzt notwendig, weil die Bevölkerung kontinuierlich wächst und die Städte mit diesem Wachstum nicht Schritt halten können. Es ist unrealistisch – und auch nicht wünschenswert –, alle Menschen in die städtischen Gebiete zu drängen. Gleichzeitig gibt es in ländlichen Regionen bestehenden Wohnraum und Entwicklungspotenzial, das besser genutzt werden könnte. Unsere Initiative will genau hier ansetzen: Wohnraum ergänzend und dezentral schaffen, um das Wachstum ausgewogener zu gestalten und die Lebensqualität in allen Regionen zu stärken.

Wie unterscheidet sich Ihr Vorschlag von bisherigen Bestimmungen im Raumplanungsgesetz? Das Raumplanungsgesetz stimmt für uns nur dann, wenn die Kantone Gebietsansätze mit differenzierten Nutzungen bestimmen können (was zurzeit vorgesehen ist). Wir wollen lediglich, dass den Kantonen mehr Spielraum gegeben wird und die Kantone dies auch nutzen. Während das geltende Gesetz die Nutzung ausserhalb der Bauzonen stark einschränkt, wollen wir es erlauben, bestehenden Wohnraum – etwa leerstehende Bauernhäuser besser zu nutzen. Damit könnten neue Wohnmöglichkeiten entstehen, ohne zusätzliche Flächen einzuzonen. Ein ähnlicher Vorstoss ist auf nationaler Ebene vor rund eineinhalb Jahren knapp gescheitert, wäre aber aus unserer Sicht der richtige Weg gewesen. Mit unserem Vorschlag wollen wir diese Idee auf kantonaler Ebene umsetzen und so die nachhaltige Nutzung des bestehenden Gebäudebestands fördern.

Welche Rolle spielt die nationale Umsetzung des RPG2 dabei? Die nationale Umsetzung des RPG2 ist für uns eine wichtige Orientierung, sollte aber jedem Kanton die Möglichkeit geben, eigene Lösungen zu entwickeln. Unser Ziel ist es, bereits jetzt sinnvolle Grundlagen zu schaffen, damit zukünftige Generationen – auch in 30 bis 40 Jahren – darauf aufbauen können. Es geht darum, den vorhandenen Raum effizient zu nutzen, ohne übermässig neue Flächen zu überbauen, und frühzeitig praktikable Ansätze zu etablieren.

«Wohnraum soll nur in Gebäuden entstehen, in denen bereits ein Wohnteil vorhanden ist und die über notwendige Infrastruktur wie Wasser, Strom und Abwasser verfügen.»

Bruno Riedo

Sie betonen, dass keine Ställe oder Scheunen zu Wohnraum umgebaut werden sollen. Was ist der Grund für diese klare Abgrenzung? Die Abgrenzung ergibt sich aus dem Prinzip der «sinnvollen Nutzung». Wohnraum soll nur in bestehenden Gebäuden geschaffen werden, in denen bereits ein Wohnteil untergebracht ist – also in Bauernhäuser mit integrierten Ökonomiegebäuden, die über Wasser, Strom und andere notwendige Infrastruktur verfügen. Abseitsstehende Ställe und Scheunen erfüllen diese Voraussetzungen meist nicht, weshalb ihr Umbau nicht sinnvoll wäre. Gleichzeitig soll so die Landwirtschaft gestärkt und nicht geschwächt werden.

Welche Arten von Räumen oder Flächen sollen konkret für eine neue Nutzung freigegeben werden? Konkret sollen diejenigen Teile von stillgelegten Bauernhäusern für neue Nutzung freigegeben werden, die nach ihrer Stilllegung als nicht nutzbare Ökonomieflächen dienen – häufig als Abstellräume oder teilweise sogar nicht rechtlich korrekt genutzte Flächen. Wohnraum soll nur in Gebäuden entstehen, in denen bereits ein Wohnteil vorhanden ist und die über notwendige Infrastruktur wie Wasser, Strom und Abwasser verfügen.

Welche Vorteile hätte eine solche Regelung für Eigentümerinnen und Eigentümer dieser Liegenschaften? Eine solche Regelung würde Eigentümerinnen und Eigentümern ermöglichen, dass Familien über Generationen hinweg unter einem Dach zusammenbleiben können. Zwar sind die Investitionen für den Umbau oft ähnlich hoch wie bei einem Neubau, jedoch wird dafür weniger Land verbraucht. Gleichzeitig schafft die Regelung zusätzlichen Wohnraum und fördert das gemeinschaftliche Zusammenleben.

«National bestehen rund 60’000 Bauernhäuser die nicht sinnvoll genutzt werden können.»

Bruno Riedo

Welche Auswirkungen erwarten Sie auf die Wohnraumsituation im Kanton Freiburg? Wir erwarten, dass die Regelung einen gezielten Beitrag zur Wohnraumsituation im Kanton Freiburg leisten kann. National bestehen rund 60’000 Bauernhäuser die nicht sinnvoll genutzt werden können. Könnte im bestehenden Volumen neuer Wohnraum geltend gemacht werden so könnten im Kanton Freiburg  maximal 2’000 bis 5’000 Wohnungen entstehen. Es geht nicht darum, flächendeckend neue Wohnungen zu schaffen, sondern vorhandene Potenziale sinnvoll zu nutzen – ohne dass dabei Kosten für die Allgemeinheit entstehen.

Sehen Sie in der Umnutzung stillgelegter Bauernhäuser auch Chancen für die lokale Wirtschaft oder das Handwerk? Ja, die Umnutzung stillgelegter Bauernhäuser bietet klare Chancen für die lokale Wirtschaft und das Handwerk. Besonders profitieren würden die Holzindustrie, Zimmerleute, Schreiner und Dachdecker. Auch Elektriker und Sanitärbetriebe könnten deutlich mehr Aufträge in ihrer Region erhalten. Damit würde die Initiative nicht nur Wohnraum schaffen, sondern auch die regionale Wertschöpfung stärken

Wie lässt sich sicherstellen, dass solche Projekte sozial verträglich bleiben und nicht zu Luxuswohnungen auf dem Land führen? Im RPG2 wird klar definiert, dass die Landwirtschaft Vorrang hat, das wird in der Verordnung noch einmal bestätigt. Wir wollen, dass die Landwirtschaft diesen Vorrang geniesst. Ziel ist es, dass in den bestehenden Gebäuden eher mittelständischer Wohnraum entsteht und nicht luxuriöse Wohnungen auf dem Land. In Einzelfällen kann es Ausnahmen geben, insgesamt wird jedoch angestrebt dass die Nutzung der Gebäude sozial ausgewogen und verträglich bleibt.

«Viele sehen die Initiative nicht als Kompromiss, sondern als echte Lösung, die allen zugutekommt.»

Bruno Riedo

Sie planen einen überparteilichen Vorstoss. Wie breit ist die Unterstützung im Grossen Rat bisher? Die Unterstützung für den überparteilichen Vorstoss zeichnet sich bereits als sehr breit ab. Mehr als 30 Grossräte haben sich als Mitglieder engagiert, und in Einzelgesprächen zeigen sich stets ähnliche positive Rückmeldungen. Ich bin überzeugt, dass wir aus allen Fraktionen Personen finden werden, die die Initiative als sinnvoll erachten. Niemand will, dass Häuser verfallen – aus nachhaltiger Sicht ist dies ein Argument, das allen Fraktionen einleuchtet.

Welche Reaktionen haben Sie von Behörden, Verbänden oder der Bevölkerung bisher erhalten? Die bisherigen Reaktionen zeigen ein grosses Interesse und Verständnis, besonders seitens der Bevölkerung, die schon lange darauf gewartet hat, dass so etwas umgesetzt wird. Viele sehen die Initiative nicht als Kompromiss, sondern als echte Lösung, die allen zugutekommt. Mit den Verbänden haben wir bewusst noch keine endgültigen Schritte unternommen, da dafür noch gute Gespräche nötig sind. Auch mit dem zuständigen Staatsrat und seiner Verwaltung stehen wir im Austausch, um eine kantonale Umsetzung sorgfältig abzustimmen.

«Es braucht Zeit und gute Gespräche, um den Gesprächspartnern klarzumachen, dass es nicht um unrealistische Projekte oder reine Gewinnmaximierung geht, sondern um praktikable, nachhaltige Lösungen.»

Bruno Riedo

Was sind die nächsten Schritte bis zur Einreichung des Vorstosses im Sommer 2026? Die nächsten Schritte bis zur Einreichung des Vorstosses im Sommer 2026 umfassen vor allem die Information und Einbindung der Mitglieder, was bereits seit zwei Jahren läuft. Ziel ist es, noch weitere Mitglieder zu gewinnen und so eine breitere Basis zu schaffen. Parallel dazu werden Vorgespräche mit den kantonalen Behörden geführt, bevor in der nächsten Gesprächsrunde die Details mit den Behörden vertieft werden.

Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen – rechtlich, politisch oder gesellschaftlich? Die grösste Herausforderung liegt darin, die sinnvolle Nutzung der leerstehenden Gebäudevolumen verständlich zu kommunizieren. Es braucht Zeit und gute Gespräche, um den Gesprächspartnern klarzumachen, dass es nicht um unrealistische Projekte oder reine Gewinnmaximierung geht, sondern um praktikable, nachhaltige Lösungen. Wichtig ist, Ängste und Missverständnisse abzubauen und die Vorteile für die Gemeinschaft deutlich zu machen.

Was wünschen Sie sich persönlich, wenn Sie in zehn Jahren auf dieses Projekt zurückblicken? Viele glückliche Menschen in Bauernhäuser ohne Leerstandflächen, das wäre mein Wunsch.

Wie reagieren Eigentümerinnen und Eigentümer stillgelegter Bauernhäuser auf Ihr Anliegen? Sehr positiv.

Beenden Sie die Sätze… Die IG Stillgelegte Bauernhäuser sinnvoller nutzen» ist… eine Gruppe von Politikern und betroffenen Eigentümern im Kanton Freiburg, welche mehr Wohnraum sinnvoll platzieren möchte

Landwirtschaft ist… eine der wichtigsten Güter in der Schweiz, sie produziert unser Essen und pflegt die Landschaft.

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