
Die Befürworterinnen und Befürworter der Vorlage kommen aus den Reihen von SVP, FDP und Mitte.
Agrarfoto
Für in diesen Ländern zugelassene Pflanzenschutzmittel soll nach dem Willen der grossen Kammer ein vereinfachtes und beschleunigtes Zulassungsverfahren in der Schweiz gelten. Die Schweiz soll als Grundlage in solchen Fällen die Genehmigung der Wirkstoffe durch die EU automatisch übernehmen.
Nachteile für Schweizer Landwirtschaft verhindern
Geprüft werden müssten die Mittel allerdings punkto Gewässerschutz. Ebenfalls müssten die Behörden klären, ob besondere Schweizer Bestimmungen zum Schutz von Menschen, Tieren und Umwelt eingehalten werden. Zudem sollen Notfallzulassungen von Pflanzenschutzmitteln auch in der Schweiz anerkannt werden. Damit soll sichergestellt werden, dass die Schweizer Landwirtschaft in Bezug auf die Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln gegenüber den umliegenden Ländern keinen Nachteil hat.
Das Anliegen stiess im Nationalrat auf Zustimmung. Er hat den vorliegenden Gesetzesentwurf der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N), welcher modernen Pflanzenschutz in der Schweiz ermöglichen will, mit 121 zu 73 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen. Bereits am Mittwoch stimmte die grosse Kammer über das Eintreten ab. Aus Zeitgründen folgte die Detailberatung aber erst am Folgetag. Das Geschäft geht weiter in den Ständerat.
Ertragseinbussen
Die Befürworterinnen und Befürworter der Vorlage kommen aus den Reihen von SVP, FDP und Mitte. «Die Schweizer Landwirtschaft ist in einer Krise», sagte Martin Haab (SVP/ZH) bereits am Vortag. Er argumentierte, dass in der neuen Verordnung alles geregelt sei, was geregelt werden müsse. Nicht nur bei den Verboten, sondern auch in den Zulassungen sollten kurze Fristen gelten.
Haab thematisierte die Auswirkungen der er fehlen Pflanzenschutzmittel. «Rapserträge brechen weg, und die Anbaubereitschaft der Produzenten sinkt von Jahr zu Jahr. Der Zuckergehalt in unseren Zuckerrüben ist um 10 bis 15 Prozent tiefer als noch vor einigen Jahren, und sogar die Kichererbsen kommen nicht über die Versuchsphase hinaus. Selbst Rosenkohl gilt in der Schweiz bereits als Nischenprodukt, da er wegen fehlendem Pflanzenschutz gar nicht mehr in grösseren Mengen produziert werden kann.»
«Neue Wirkstoffe für Bauern essenziell»
Martin Hübscher (SVP/ZH) sagte, dass für die Schweizer Landwirtinnen und Landwirte «innovative, neue Wirkstoffe» essenziell seien. Die Betriebe könnten ja nicht einfach das Land verlassen. «Was gar nicht geht, ist, dass wir hierzulande eine Totalblockade fahren und dann einfach Lebensmittel aus dem Ausland importieren, wo diese Pflanzenschutzmittel bereits zugelassen sind», hielt er fest.
Die heimische Landwirtschaft auf Heidiland zu trimmen sei unfair und aufgrund der globalen Verwerfungen auch ein Risiko. «Was wir hier anbauen können, sollten wir auch hierzulande anbauen», stellte er klar. Die Schweizer Bevölkerung wollen regionale Lebensmittel. Und es sei kaum nachvollziehbar, dass ein Produkt, das in Deutschland und Österreich für Mensch und Tier als sicher eingestuft werde, in der Schweizer Grenze plötzlich gefährlich sein soll.
Hübscher ging noch auf die revidierte Verordnung und die parlamentarische Initiative ein: «Die Initiative hat erstens ein vereinfachtes Zulassungsverfahren und zweitens - das sieht die Verordnung nicht vor - ein beschleunigtes Zulassungsverfahren. Das beschleunigte Zulassungsverfahren sieht vor, dass die Bewilligungen innerhalb von zwölf Monaten behandelt werden müssen, wenn das Dossier vollständig ist. Das ist der grosse Unterschied zur Verordnung, die seit dem 1. Dezember in Kraft ist.»
Mehr Stabilität
«Wir haben heute unzumutbar lange Zulassungsverfahren und über 600 pendente Verfahren», sagte Beat Walti (FDP/ZH). Der Gesetzesentwurf stütze die Produktionskraft der Landwirtschaft. Alte Wirkstoffe können so durch neue Pflanzenschutzmittel ersetzt werden.
Der Gesetzesentwurf geht auf eine parlamentarische Initiative von Philipp Matthias Bregy (Mitte/VS) zurück. Er strich im Rat deren Bedeutung für die Versorgungssicherheit heraus. Weiter sagte er: «Wir haben auch für den nötigen Schutz gesorgt.» Kommissionssprecher Oliver Feller (FDP/VD) resümierte: «Mit dem Gesetz haben wir mehr Vorhersehbarkeit und Stabilität.»
Minderheiten scheiterten
Gegen die Vorlage wehrten sich Vertreterinnen und Vertreter von SP, Grünen und GLP. Mit mehreren Minderheiten versuchten sie, die Vorlage abzuschwächen. Ihr Hauptanliegen ist der Umwelt- und Gewässerschutz.
im Vergleich zu den EU-Ländern, aus welchen die Pflanzenschutzmittel übernommen werden sollen, sei die Schweiz hügeliger und gebirgiger, machten sie geltend. Zudem sei die Schweiz auch regenreicher. Diese Punkte führten dazu, dass mehr Rückstände von Pflanzenschutzmitteln ins Grundwasser gelangten, sagte Sophie Michaud Gigon (Grüne/VD). «Es geht um den Schutz des Grundwassers und die Umwelt, in der wir leben», sagte sie.
«Alte Wirkstoffe zugelassen»
Franziska Ryser (Grüne/SG) setzte sich mit ihrer Minderheit erfolglos dafür ein, dass nur die Genehmigungen von Wirkstoffen in der EU ab 2023 automatisch übernommen werden sollten. Mit der Vorlage würden nämlich Wirkstoffe von vor 2000 oder teils auch aus dem vorletzten Jahrhundert zugelassen werden. «Wer behauptet, solche Substanzen stehen für modernen Pflanzenschutz, der macht sich etwas vor», sagte sie. Sie bezweifle die systematische Prüfung der rückwirkend zugelassenen Wirkstoffe an und empfehle die aktualisierten EU-Richtlinien.
Noch schlimmer sei jedoch, dass neu auch Notfallzulassungen aus den umliegenden Ländern automatisch anerkannt werden sollen. «Notfallzulassungen werden erteilt, wenn Schädlinge mit den vorhandenen Mitteln nicht bekämpft werden können. Das ist ein regionales Phänomen. Solche Notfallzulassungen muss man eng begrenzen, da man potenziell auch risikoreiche Pestizide zulässt», sagte Ryser.
Jacqueline Badran (SP/ZH) versuchte zu bewirken, dass nur Wirkstoffe mit den höchsten Anwendungsvorschriften und dem bestmöglichen Schutzniveau zugelassen werden. «Wir können noch einen Schuh in die Sache reinhalten und es wird nicht alles automatisch übernommen», sagte sie. Es sei unterdessen ein bisschen pervers, wie es in der Landwirtschaft laufe. «Auf der einen Seite schädigen wir unsere Böden, und auf der anderen Seite geben wir auf jährlicher Basis Milliarden aus, um unsere Böden wieder fruchtbarer zu machen. Das ist doch ein Witz», sagte sie.
«Pestizidbecken Europas»
Nationalrätin Kathrin Bertschy (GLP/BE) wollte auf die Initiative gar nicht eintreten. «Sie ist überholt. Der Bundesrat hat bereits die Pflanzenschutzmittelverordnung revidiert und die Anliegen weitgehend umgesetzt. Diese parlamentarische Initiative noch umzusetzen, wäre eine Zwängerei», führte sie aus. Mit der parlamentarischen Initiative werde die Schweiz zum «Pestizidbecken Europas». «Es ist eine ganze Liste von veralteten, für Kleinlebewesen, für Fische, für die Umwelt höchst toxischen Wirkstoffen, die ohne eine vertiefte Prüfung durch die Schweizer Behörden in unsere Gewässer und Böden gelangen könnten», sagte sie.
Auch für die Bevölkerung gebe es Gefahren. «In der Schweiz gibt es rund 2400 eigenständige Wasserversorgungen, ein grosser Teil des Grundwassers wird ohne Aufbereitung gewonnen. Das ist etwa nicht mit Holland vergleichbar, das Hochleistungsmaschinerien für die chemische Trinkwasseraufbereitung kennt», so Bertschy weiter. Mit der revidierten Verordnung werde eine Zulassung nur nach sorgfältiger Prüfung durch den Bund möglich. «Das ist wichtig», so Bertschy weiter.
Diese wie auch alle anderen Minderheitsanträge lehnte die grosse Kammer ab.