
Diese Produkte werden mit Kräutern aus dem Weisstannental hergestellt und im Museum in der Alten Post in Weisstannen SG, Gemeinde Mels, verkauft.
Agnes Schneider
Hausmittelchen aus Ringelblüten, Echinacea oder Wallwurz haben in vielen Hausapotheken ihren Platz. Oft werden sie von Frauen in kleinen Mengen hergestellt mit selbst kultivierten oder gesammelten Kräutern. Für Bäuerinnen und Landfrauen kann die Produktion ein willkommener Nebenerwerb sein. Nun sehen sich die Produzentinnen vor Schwierigkeiten gestellt und befürchten das Ende ihrer Produktion.
Die Bäuerin und «Kräuterhexe» Agnes Schneider, die seit fast 40 Jahren Hausmittelchen herstellt und früher zusammen mit ihrem Mann einen Betrieb im Kanton Luzern führte, wurde bei einer Kontrolle auf den fehlenden Nachweis von Umweltverträglichkeits- und Sicherheitsdateien hingewiesen.
Detailhändler haben die Analysen nicht
Bei der nächsten Kontrolle müsse über die entsprechenden Dateien gesprochen werden, sagte der Lebensmittelkontrolleur, denn diese müssten künftig vorliegen. Und das von jedem Non-Food-Produkt, das im Museum in der Alten Post in Weisstannen SG, Gemeinde Mels, hergestellt und verkauft wird. Schneiders Abklärung zeigten, dass die Kosten pro Analyse je Produkt bei mindestens 1200 Franken liegen.
«Wir gingen mit hängenden Köpfen aus Bern nach Hause.»
«Es ist eine absolute Illusion, dass wir diese Analysen machen lassen können. Das ist für Kleinstproduzenten aus finanziellen Gründen unmöglich und auch nicht verhältnismässig.» Schwierig ist für Schneider, dass sie, die Zutaten in Lebensmittelqualität verwendet, wie Schweizer Rapsöl oder Kakaobutter, die chemischen Analysen der Produkte organisieren müsste.
Ende für die Kräuterproduktion
Sie hat bei ihrem Detaillisten versucht, die chemischen Analysen zu bekommen – ohne Erfolg. Lässt sich die Nachweispflicht nicht ändern, beziehungsweise gäbe es künftig keine Ausnahme für Kleinstproduzenten, würde dies das Ende für die Kräuterproduktion und wohl auch für das zugehörige Museum im Weisstannental bedeuten: «Wir generieren mehr als 50 Prozent unseres Umsatzes im Museumslädeli mit Kräuterprodukten, ohne sie könnten wir das Museum wahrscheinlich nicht halten», sagt Schneider, die als Präsidentin der Stiftung Erlebnis Weisstannental amtet.

Aus diesen Kräutern werden Produkte in Weisstannen SG hergestellt.
Agnes Schneider
Gespräche mit dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) und den verantwortlichen kantonalen Stellen führten bis anhin nicht zu einem Erfolg. «Wir gingen mit hängenden Köpfen aus Bern nach Hause.» Für Schneider wäre es denkbar, dass Frauen, die keine Ausbildung in diesem Bereich hätten, eine Prüfung ablegten. «Es ist wichtig, die Grenzen von Hausmittelchen und Naturkosmetik zu kennen. Wir Kräuterproduzentinnen sind sehr gewissenhaft, kennen unsere Grenzen, und viele von uns haben eine Ausbildung gemacht.»
Vereinfachte Zulassung
Nun soll die Angelegenheit auf politischer Ebene geklärt werden. Nationalrätin Priska Wismer-Felder (Mitte, LU) hat eine Interpellation eingereicht, in der sie vom Bundesrat wissen will, ob er bereit wäre, auf Basis eines geltenden Artikels in der Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung die Basis für die vereinfachte Zulassung dieser Produkte zu erlassen. «Mit der Interpellation will ich der Verwaltung die Chance geben, sich dahingehend zu äussern, dass sie hier Augenmass walten lässt», so die Nationalrätin.
«Es kann nicht sein, dass wir die letzte Generation Kräuterfrauen sind.»
Wenn die Antwort unbefriedigend ausfalle, werde sie eine Motion einreichen in der Wintersession. «Um das Anliegen zu stärken, habe ich Unterstützung aus allen Kreisen eingeholt mit der Interpellation.» So haben aus den Reihen der bäuerlichen Kreise auch Christine Badertscher, Markus Ritter, Alois Huber und Pius Kaufmann unterschrieben.
«Die Frauen pflegen ihre Kräutergärten mit viel Liebe und Aufwand. Das Wissen über die Pflanzen und deren Wirkung ist ein Kulturgut, das nun aufs Spiel gesetzt wird», so Wismer-Felder. Mit dem Problem kämpfen sie aber nicht als Einzige, auch Drogerien, die in kleinem Stil ähnliche hauseigene Produkte herstellten, seien betroffen. «Der Drogistenverband hat sich kurz nach dem Einreichen der Interpellation bei mir gemeldet», so Wismer-Felder.
Sich der Verantwortung bewusst
Wie Wismer-Felder befürchtet auch Schneider den Verlust eines kulturellen Erbes, wo viel über Jahrhunderte weitergegebenes Wissen dahintersteckt. «Es kann nicht sein, dass wir die letzte Generation Kräuterfrauen sind.» Für Schneider ist unerklärlich, weshalb in Zeiten von steigenden Krankenkassenprämien und überfüllten Notfallstationen die Hausmittelchen, die bei vielen Bagatellen ihren Beitrag leisten könnten, deren Produktion schier verunmöglicht werde.
Dass die Kontrollen nun plötzlich viel strenger umgesetzt werden, lässt sie staunen. Die Phytotherapeutin und Mediatorin sagt: «Wir werden nicht aufgeben. Wir wollen weiterhin Kräuter anbauen und unsere wertvollen Produkte verkaufen.»