«Der Garten ist unser Jungbrunnen»

Einst belächelten Thomas und Andi Martin ihren Vater, der so viel in seinen Garten investierte. Heute verbringen sie jede freie Minute darin.

Lucas Huber |

Thomas Martin begrüsst mit einer Umarmung am grossen Tor, das Lagerfeuer qualmt fröhlich, die Getränke sind kühl gestellt und die Kartoffeln geschält. Man sei jederzeit herzlich willkommen, so hatte er eingeladen in seinen Garten – aber nur, wenn man auch auf einen Landjäger vom Grill bleibe, das sei hier Usus.

Martin, 66 und pensioniert, hatte knapp 30 Jahre bei der Siebe Dupf in Liestal gearbeitet, der grössten Kellerei im Baselbiet. Nun geht er durch diesen Garten, ein Strohhut schützt vor der Sonne, an einem Stecken hängt ein Feldstecher, und an dem Mirabellenbaum kann er nicht vorbeigehen, ohne sich das reifste Exemplar zu greifen.

Das liebste Hobby eines Mannes

Denn dieser Garten ist Refugium, Rückzugsort, Naturidyll, Therapieraum, Kunstfläche, Outdoor-Küche, Experimentierfeld, Biotop, kurzum: das liebste Hobby eines Mannes, der hier, am Nabel der Natur und inmitten eines kleinen Vogelparadieses, ein Stück heile Welt geniesst. Ausserdem ist er ein Stück Familiengeschichte. Denn Thomas Martin und sein Bruder Andi, die könnten ihr Idyll nicht ohne das Vermächtnis ihres Vaters betreiben. Der hat das Stück Land ausserhalb von Seltisberg BL vor über 50 Jahren erstanden.

Jeden Tag sei der Vater – ein «Tschugger», wie sie lachend erzählen – hier oben gewesen, habe Hecken angelegt, Obstbäume gepflanzt und so aus der offenen Wiese ein Biotop gemacht, das die Brüder nicht nur mit allerlei Schmackhaftem versorgt, sondern auch für die heimische Fauna jede Menge Lebensraum bietet. «Wir haben damals nur den Kopf geschüttelt und uns gefragt, wie der Vater nur so viel Energie in diesen Garten investieren könne», erinnert sich Thomas Martin. «Heute geht es mir genauso.»

Anstatt in die Badi zu gehen

Was er damit sagen will: Seit ein paar Jahren ist er es, der praktisch jeden Tag hier oben ist. Nicht um Bäume zu pflanzen und Hecken anzulegen, sondern zum Grillieren, Bierchentrinken, Jassen und Entspannen: «Anstatt mit den Kumpels in die Badi zu gehen, gehen wir in unseren Garten. Und obwohl wir hier regelmässig zünftig schwitzen, fühlt es sich immer wie Ferien an.» Der Martingarten ist auch Obst- und Gemüsegarten. Auberginen kultivieren sie hier und Kartoffeln, und eigens für die Enkel, die ebenso gern hier sind: Tomaten.

Und dann natürlich Obst: Mirabellen und Pfirsiche, Gravensteiner, Boskoop und Lederäpfel, Quitten und Birnen, Zwetschgen, Beeren und diverse Nüsse. Noch wichtiger als das Ernten ist den Brüdern die Biodiversität, deshalb auch der Feldstecher an dem Stock. Vier Neuntöter nisteten in diesem Frühling in ihrem Geäste, und geht es nach ihnen, kommt nächstes Jahr der Wiedehopf dazu, der sich in der Gegend niedergelassen hat.

Sie geniessen was sie ernten

Sie betreiben eine Igelauffangstation und bauen Unterstände für so ziemlich alles, was da kreucht und fleucht. Deswegen sei es ihnen wichtig, auf Pflanzenschutz zu verzichten. Oder wie es Thomas Martin formuliert: «Wir spritzen nicht, das ist uns zuwider; aber wir sind ja auch nicht darauf angewiesen.» Stattdessen sorgen sie für viel Totholz, pflegen ihre alten, knorrigen Bäume, so gut es zwei aus dem Büro halt können, und geben ihre Begeisterung ihren Kindern und Enkeln weiter.

Thomas Martin bittet zu Tisch, während Bruder Andi das Grillgut von der Glut holt, Cervelats und die besagten Landjäger, dazu Kartoffeln, die in Sichtweite gewachsen sind. «Wir geniessen, was wir ernten. Manchmal ist es mehr, manchmal weniger», sagt Martin und nimmt einen Schluck Bier: «Dieser Garten ist unser Jungbrunnen.»

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