
Daniel Brem hat seit dem verhängnisvollen Sturz vor anderthalb Jahren grosse Fortschritte gemacht.
Hans-Peter Widmer
Am 11. März 2023, um halb zehn Uhr, veränderte sich die Lebenssituation des 53-jährigen Bauern Daniel Brem grundlegend. Bei Aufräum- und Reinigungsarbeiten auf der Heubühne tat er einen Rückwärtsschritt zu viel, trat ins Leere und stürzte in die Tiefe. Unbeweglich und mit grossen Schmerzen blieb er am Boden liegen, direkt hinter den Kühen.
Nerven durchtrennt
Gattin Cäcilia hörte die Hilferufe ihres Mannes und als Nächstes seine Worte: «Ich spüre die Beine nicht.» Sie griff unter seine Jacke – da war kein Gefühl mehr. Bis zur Ankunft des Ambulanzfahrzeugs dauerte es eine gefühlte Ewigkeit. Nebel verhinderte den Flug des Rettungshelikopters. Daniel Brem wurde in das Universitätsspital Zürich überführt, gleichentags in einer Notoperation vom Rücken her stabilisiert und am Montag von der Brust her erneut operiert.
Der Knochensplitter eines Wirbels hatte die Nerven im Spinalkanal durchtrennt. Das bewirkte eine komplette Querschnittslähmung – die Unterbrechung der Nervensignale im Rückenmark und den Gefühlsverlust in den Körperregionen vom Verletzungsort abwärts. Cäcilia Brem war sofort klar, dass dies nachhaltige Auswirkungen für ihren Mann, die Familie und den Landwirtschaftsbetrieb haben würde. Es waren 30 Mutterkühe mit Jungvieh zu versorgen und bald Frühjahrsfeldarbeiten auszuführen.
Aus dem Leben gerissen
Daniel Brem hatte sich nach der Berufslehre als Metzger zusätzlich zum Landwirt EFZ ausgebildet. Schon als 24-Jähriger übernahm er den elterlichen Hof in Friedlisberg mit sieben Hektaren Eigenland und wenigen Milchkühen. Friedlisberg ist ein Ortsteil von Rudolfstetten, 590 Meter über Meer gelegen, einen Steinwurf von der aargauisch-zürcherischen Kantonsgrenze entfernt, und mit sieben Bauernhöfen noch ländlich geprägt.
Wegen der bescheidenen Hofgrösse arbeitete Daniel Brem anfangs vollzeitlich bei der Metzgerei Angst in Zürich. Als Fleischfachmann sah er aber Entwicklungspotenzial auf seinem Betrieb. Er pachtete mehr Land, baute einen Laufstall und wechselte zur Mutterkuhhaltung mit der Limousin-Fleischrasse.
Ein Krampfer
Auch der Haushalt wuchs. In Cäcilia Limacher fand er eine tüchtige Gattin mit abgeschlossener Bäuerinnenschule. Sie wurden Eltern von Sohn Silvan und Tochter Karin und erneuerten vor elf Jahren das Wohnhaus – glücklicherweise rollstuhlgängig. Daniel Brem war ein Krampfer.
Neben dem auswärtigen Vollzeitjob – inzwischen als Kundenberater beim Futtermittelhersteller Melior – sowie der Mutterkuhhaltung und dem Anbau von Brotgetreide machte er Lohnarbeiten. Das wurde aber des Guten zu viel. Darum übernahm er eine Halbzeitstelle als Saatgut-, Futter- und Düngemittelberater bei der Landi Furt- und Limmattal. Die Kunden schätzen sein Wissen und seine Erfahrung. Doch der verhängnisvolle Sturz riss ihn jäh aus seinen Tätigkeiten.
Wie kann es weitergehen?
Ebenso abrupt stand Cäcilia Brem vor der Frage: Wie weiter? Sie redete mit Sohn und Tochter, beides noch Schüler: Packen wir das? Ja, befanden sie, aber mit reduziertem Tierbestand und punktueller Hilfe von Dritten. Welche Tiere sollen verkauft werden? Beim ersten Spitalbesuch fragte Silvan den Vater nach seiner Lieblingskuh. Diese durfte nicht auf die Liste.
Daniel Brem wusste nichts von den Plänen, damit wollte ihn die Familie nicht auch noch belasten. Aber zufällig schaute er den Vianco-Onlinekatalog an und sah das Verkaufsangebot mit 29 Tieren von seinem Hof. Das brauchte ein klärendes Familiengespräch. Der Verletzte wurde vom Unispital in die Klinik Balgrist und danach zur Therapie in das Paraplegiker-Zentrum Nottwil LU verlegt. Dort bereitete man ihn intensiv auf die Wiedereingliederung in den Alltag vor. Die zugesagte Weiterbeschäftigung bei der Landi ermutigte ihn im neuen Leben. Nach sieben Monaten kehrte er auf den Betrieb zurück. Der erste Stallbesuch mit einer Arbeitsverrichtung im Rollstuhl war ernüchternd.
Gute Perspektiven
Inzwischen hat Daniel Brem grosse Fortschritte gemacht. Mit dem umgebauten Hoflader verrichtet er verschiedenste Arbeiten. Ein angepasstes neues Auto macht ihn mobil. Auf Weihnachten kommt ein angepasster neuer Traktor mit Lift auf den Hof, der ihm wieder Feldarbeiten ermöglicht. Und Sohn Silvan hat beschlossen, nächstes Jahr zuerst Baumaschinenmechaniker und dann Landwirt zu lernen.
«Schreiben Sie bitte noch, dass Landwirte auf ihre Versicherungsdeckung achten sollen – das ist sehr wichtig!», sagt Daniel Brem am Ende des Gesprächs mit Nachdruck zum Autor. Er hatte zum Glück vor einigen Jahren eine Erwerbsausfall- und Taggeldversicherung abgeschlossen. Zwar habe er sich oft an der Prämienrechnung gestört, aber heute sei er unendlich froh, gut versichert zu sein.