
Biobauer Dieter Weber mit Interessierten vor seinem gemulchten Kartoffelacker.
Elmar Gächter
Vor fünf Jahren hat Dieter Weber seinen Pflug verkauft. «Dass er nicht mehr im Einsatz ist, steht sinnbildlich für unsere Art, Landwirtschaft zu betreiben», sagt der Biobauer, der mit seiner Familie in der siebten Generation den Betrieb Obere Wanne in Liestal bewirtschaftet.
Viel von Natur kopieren
Er spricht an dem Abend vor 25 Interessierten, die der Einladung des WWF gefolgt sind, um Näheres über das Mulchsystem zu erfahren, mit dem er seine Kartoffeln unter anderem vor Hitze schützt und gesunde Lebensmittel produziert. Man könne noch so biologisch unterwegs sein, ein reiner Kartoffelacker sei und bleibe eine Monokultur und habe deshalb wenig mit der Natur zu tun.
«Wir versuchen deshalb, im Sinne des regenerativen Gedankenguts möglichst viel von der Natur zu kopieren, und nehmen uns als Vorbild den Wald, der immer begrünt ist und nie nackt daherkommt», so Weber. Seit vier Jahren produziert er auf rund 70 Aren ausschliesslich auf Mulchbasis und Beisaat weitgehend alte Kartoffelsorten wie die Rote Lötschentaler, die Baselbieter Müsli, die Russische Schwarze oder den Ackersegen, die er alle direkt vermarktet.
Aufgepasst beim Mulchmaterial
Weber sät im Herbst direkt neben dem künftigen Kartoffelfeld eine winterharte Gründüngung an, eine Mischung aus Wicken und Roggen, die ihm nach dem Pflanzen der Kartoffeln als Mulchmaterial dient. In diesem Jahr hat er den Roggen erstmals auf eine Länge von 3 cm gehäckselt. Die Mulchschicht habe zwar wie Puderzucker aufgetragen werden können, sie habe sich jedoch wie ein Kuhfladen an der Sonne entwickelt, oben ausgetrocknet und unten feucht. Nächstes Jahr werde er wieder auf das alte System mit dem Ladewagen zurückgreifen und eine weniger kompakte, dafür dickere und lockerere Schicht streuen.
Eine gute Erfahrung hat er mit Triticale und Winterhafer anstelle von Roggen gemacht. «Gar nie würde ich Stroh zum Mulchen verwenden. Es ist zwar billig, wird aber kaum in nützlicher Zeit abgebaut. Es führt zu einer Stickstoffsperre und gefährdet damit den Kartoffelertrag», erklärt Weber.
Vielfältige Beisaat
Als ganz wichtig erachtet er eine vielfältige Beisaat, die er jeweils einen Tag vor dem Mulchen mit feinem Samen aussät und darunter auch Ackerbohnen, Wicken, Hanf und anderes mischt, die tief wurzeln. Mulchen trage auch stark dazu bei, die Hitze im Boden zu reduzieren.
«Ich würde nie behaupten, dass ich wüsste, wie es optimal funktioniert. Wir lernen jedes Jahr wieder Neues dazu.»
So hat Dieter Weber diesen Sommer an einem heissen Tag die Temperatur auf seinem Kartoffelacker gemessen. Bei 33 Grad Lufttemperatur hat er unter der Mulchschicht 28 Grad gemessen, auf dem ungedeckten Boden hingegen 58 Grad. «Je mehr Luft im Boden ist, desto schneller erwärmt sich die Erde. Dies macht sich vor allem bei heissen und trockenen Böden bemerkbar», so Weber.
Lebendiger Boden mit natürlichen Stickstoffen
Die beste Voraussetzung dagegen sei ein lebendiger Boden. Man müsse nachhelfen, jedoch nicht mit Kunstdünger, der die Situation nur noch verschlimmere. So sieht es auch Simon Jöhr, Fachexperte für regenerative Landwirtschaft. «Wir müssen natürliche Stickstoffe nachliefern, aber nicht unbedingt mit Kunstdünger. Der Ammonsalpeter beispielsweise kommt nur zu rund 20 Prozent bei den Pflanzen an. Der Rest verpufft», gibt er zu bedenken. Bei unseren Böden, so auch die langjährigen wissenschaftlichen Erkenntnisse, fehle es vor allem an Schwefel und Natrium.
Sie tragen neben Kalzium und Magnesium zu den notwenigen Spurenelementen bei und damit zum optimalen pH-Wert der Böden. Zur «Vergewaltigung» des Bodens führen seiner Ansicht nach vor allem auch die schweren Arbeitsmaschinen, deren Gewichte sich in den letzten Jahren um das Fünffache erhöht hätten, und die damit verbundenen Vibrationen haben das Porenvolumen der Böden um 50 bis 70 Prozent vermindert. «Wenn man dieses Gewicht von den Böden wegnimmt, erholt sich der Boden bereits nach eineinhalb Jahren massiv», ist Jöhr überzeugt.
Jedes Jahr dazulernen
Dieter Weber ist ohne Einschränkungen vom Mulchen überzeugt, auch wenn es (nasse) Jahre gab, in denen der Mulch zu faulen begann und eher schadete als ein Gewinn war : «Ich würde nie behaupten, dass ich wüsste, wie es optimal funktioniert. Wir lernen jedes Jahr wieder Neues dazu. Es gibt keine allgemeingültigen Rezepte. Wenn das Wetter nicht mitmacht, heisst es, kreativ zu werden. Es findet sich immer wieder eine Lösung.»
Urs Handschin vom WWF blickt auf acht Anlässe mit dem Thema «Regenerative Anbausysteme» zurück. Auch wenn die Anlässe etwas weniger stark als erhofft besucht wurden, zeigten die positiven Feedbacks der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, dass die regenerative Landwirtschaft auf immer mehr Interesse in der Gesellschaft stosse.