
Erwin Osterwalder vom Amt für Wald, Jagd und Fischerei referiert über eingewanderte Tierarten.
Hans Lenzi
Die Thematik des Einwanderns neuer Tierarten – hier der Rothirsch und der Wolf – hats in sich, denn die Zahl beider Spezies ist in der Schweiz steigend. Allerdings provoziert der Rothirsch kaum Schlagzeilen, Meister Isegrim hingegen schon.
In der reformierten Kirche Bözberg-Mönthal AG sprach Forstingenieur Erwin Osterwalder darüber, warum es nötig und sinnvoll ist, sich damit auseinanderzusetzen. Denn es sei wohl nur eine Frage der Zeit, bis man in der Region auf beide Arten stossen werde.
Goldschakal und den Waschbären
Nach der Devise, dass Tiere, die in die Schweiz einwandern, auch ihre Chance zum Bleiben erhalten sollen, behandelt die Eidgenossenschaft grundsätzlich neu auftretende Arten. Das ist nicht selbstverständlich, denn andere Länder gehen rigoroser vor. «Unsere Verantwortlichen lassen aber nicht alles laufen: Zeigen sich in Landwirtschaft und/oder Wald übermässige Schäden, wird reguliert, meist über die Jägerschaft», erklärt Osterwalder, der im Dienst des Amts für Wald, Jagd und Fischerei steht.
Genau im Auge behalte man deshalb den aufkommenden Goldschakal und den Waschbären. «Gerade Letzterer ist gekommen, um zu bleiben.» Beide Arten richten an der einheimischen Fauna Schäden an. Auch der Rothirsch hinterlässt Verbissschäden. Aber er war bereits zu Vorzeiten – wie auch der Wolf – flächendeckend bei uns heimisch. Um 1850 galt er als ausgerottet, seit 1915 wandert der Hirsch von Osten her wieder zu, und er erobert nach den Alpen und Voralpen nun das Mittelland.
Autobahnen als Hindernisse
«Die Hirschkuh führt die Herde. Stier, Kuh und Kalb sind nur in der Brunftzeit – Mitte September bis Mitte Oktober – zusammen, nachher sondert sich Ersterer ab», gibt der Referent sein Wissen weiter. Die Gattung kann im Winter die Temperatur in den Extremitäten runterfahren, während die wichtigen Organe ihre 37 Grad beibehalten. Wird ein Kalb zu spät geboren oder verliert im Herbst seine Mutter und überlebt, bleibt es für den Lebensrest geschwächt. Das Rudel lehnt es ab.
Die A1 stellt für die Besiedlung des Schweizer Nordens ein Hindernis dar. Wildwechselbrücken und -unterführungen schaffen Abhilfe, wobei die Rothirsche Unterführungen klar bevorzugen. Die Stiere als Stirnwaffenträger bilden ein Geweih aus, das bis zu 16 Kilo auf die Waage bringt. Laut Ostermann kann es ein Gewicht von 250 Kilo erreichen. Der echte Hirsch gehört zu den Wiederkäuern, und seine Darmzotenlänge und -dichte ändert sich je nach Nahrungsangebot respektive Jahreszeit.
Wolf ist ein potentes Grossraubtier
Wo der Rothirsch siedelt, kreuzt bald auch der Wolf auf. Osterwalder – er ist auch Jäger – lässt keine Zweifel offen: Der Wolf ist ein potentes Grossraubtier, ein perfekter Jäger mit mächtigem Gebiss. «Gut, dass er nicht weiss, wie stark er ist», meint er auf die Zuhörerfrage bezüglich Aufeinandertreffen von Wolf und Mensch. Tatsächlich aber scheue er den Homo sapiens (oder: uns Menschenwesen).
Bis heute ist er in der Region noch Durchzieher und kein Resident, ebenso wenig der Rothirsch. Aber das werde sich ändern, meint Osterwalder. Das Rudel ist für den Wolf prioritär. Er ist sogenannter Opportunist, nimmt sich, was ihm vor die Läufe kommt. Täglich benötigt er 2 bis 4 Kilo Fleisch. Sein Streifgebiet umfasst bis 400 Quadratkilometer, im Aargau wurde er unter anderem in Möhlin und Hornussen bereits gesichtet.
Ausrottungsaufwand der Vorfahren
Der Wolf ist ein Sprinter und Langstreckenläufer. Locker zerbeisst er einen Rothirsch-Oberschenkelknochen – das schaffen Hunde nicht, die ihm klar unterlegen sind. Unsere Vorfahren leisteten damals einen grossen Ausrottungsaufwand; manche Flurnamen beweisen bis heute, dass der Wolf früher im Aargau präsent war.
Weil die domestizierten Schafe ihren natürlichen Fluchtreflex verloren haben, bleiben sie beim Riss eines Artgenossen oft «dumm» danebenstehen. Der Wolf – der lieber unter Zäunen durchgeht, als über solche zu springen, beginnt weitere Schafe zu immobilisieren.
Das nennt man Blutrausch. Solches Verhalten kollidiert mit menschlichem Interesse, weshalb es seitens Kanton ein ganzes Massnahmenbündel gibt: Information, Weiterbildung, Herdenschutzverantwortliche, Medienarbeit und weiteres mehr