
Blick vom Hofgut Mapprach ins obere Baselbiet bis in den Schwarzwald.
Elisabeth Böhm
Organisiert wurde das eintägige Festival von der Kunsthistorikerin Daniela Settelen-Trees, Andreas Bäumler, Kulturwissenschaftler, und der Literaturwissenschaftlerin Barbara Piatti. Letztere befasst sich bereits seit einigen Jahren mit dem Thema «Landwirtschaft und Literatur» und erhielt 2023 den Kulturpreis Baselland in der Sparte Vermittlung.
Auf den ersten Blick widersprüchlich
Die selbstständige Kunsthistorikerin Daniela Settelen ist Gastgeberin und Kulturvermittlerin und hat verschiedene philosophisch-literarische Anlässe wie zum Beispiel «Tusculum auf Mapprach» initiiert und organisiert. Das Festival stand unter der Schirmherrschaft der Baselbieter Ständerätin Maya Graf. Auf den ersten Blick mögen Landwirtschaft und Literatur widersprüchliche Themen sein.
Doch bei genauerer Betrachtung lässt sich die landwirtschaftliche Kultur sehr gut durch Literatur vermitteln. Oder, um es mit den Worten der Moderatorin Rebekka Salm zu sagen: «Hier kommen zwei Kontinentalplatten zusammen.»
Für Schweizer Buchpreis 2024 nominiert
Gleich drei Lesungen und zwei Konzerte wurden dem Publikum in der Scheune des über 300-jährigen Hofgutes präsentiert. Rund vierzig Interessierte lauschten den Texten. Dabei ging es darum, den Bäuerinnen und Bauern eine Stimme zu verleihen. Haben doch alle drei etwas mit der Landwirtschaft zu tun.

Mariann Bühler liest aus ihrem Buch «Verschiebung im Gestein.»
Elisabeth Böhm
Den Anfang machte Mariann Bühler, die mit ihrem Debütroman «Verschiebung im Gestein» für den Schweizer Buchpreis 2024 nominiert wurde. Das Buch handelt von drei Figuren in einem nicht genannten Schweizer Dorf, die existenzielle Veränderungen durchleben. Da ist der Bauer Alois, alleinstehend, der den Hof nach dem Tod der Eltern allein bewirtschaftet.
Wunderbar die von der Autorin vorgelesene Stelle, wie Alois die Kühe melkt. Man hört förmlich die pulsierenden Geräusche des Melkaggregats und sieht den Bauern die Milch in den Vormelkbecher melken. Dass sie viele Fachbegriffe und Dialektausdrücke verwendet, macht die Geschichte authentisch. Bühler wuchs in der Zentralschweiz auf einem Bauernhof auf und lebt seit mehreren Jahren in Basel.
Schreibender Bauer oder bauernder Schriftsteller?
Als zweiter Autor las Urs Mannhart aus seinem Essayroman «Lentille. Aus dem Leben einer Kuh». Ob er schreibender Bauer oder bauernder Schriftsteller sei, wollte Moderatorin Salm von ihm wissen. Eine Frage, die er sich noch nie gestellt habe. «Die Landwirtschaft ist Freiheit, aber oft auch Gefängnis. Dasselbe gilt auch für die Schriftstellerei», sagt er dazu.
Mannhart arbeitet als Angestellter in Teilzeit auf einem Bauernhof und schreibt daneben Bücher. Er las aus dem Kapitel von der ersten Geburt von Lentille, die lange und schwer verlief, und erzählt in sensibler Sprache, dass das Kalb trotz tierärztlicher Betreuung schliesslich tot geboren wird. Er fragt sich danach, ob eine Kuh für ihr totes Kalb auch Trauer empfindet.
«Keine Ahnung von Tabakernte»
Als dritte Autorin trat nach der Pause Lorena Simmel mit ihrem Roman «Ferymont» auf. Die Geschichte spielt im fiktiven titelgebenden Dorf im Westschweizer Seeland. Da gibt es durchaus Parallelen zwischen der Autorin und der Protagonistin. Beide leben in Berlin, und beide arbeiteten als Erntehelferin, um sich das Studium finanzieren zu können. Der Roman erzählt mit kritischem Blick von der strengen Arbeit und dem Druck, unter dem die Arbeiterinnen stehen, aber auch von der Solidarität unter ihnen.

Die idyllische Gartenanlage wurde 1866 angelegt.
Elisabeth Böhm
Obwohl Simmel im Seeland aufgewachsen ist, verstand sie wenig von Landwirtschaft. «Ich hatte von der Tabakernte keine Ahnung, dachte, Blätter pflücken sei eine einfache Sache.» Doch dass man dazu einen Schutzanzug trägt, weil die feinen Haare der Pflanze die Haut reizen, wissen vermutlich viele Bauern auch nicht.
Kultur auf dem Hofgut Mapprach
Seit mehreren Jahrhunderten wird auf dem Hofgut Mapprach im Gemeindebann Zeglingen BL, an der Grenze zwischen Ketten- und Tafeljura, Land- und Forstwirtschaft betrieben. Das Hofgut, das im Besitz einer Familienstiftung ist, umfasst 47 Hektaren landwirtschaftlich genutztes Land und 36 Hektaren Wald.

Flavian Graber mit Gitarre sorgte für den musikalischen Beitrag.
Elisabeth Böhm
Seit 2014 wird das Hofgut biologisch bewirtschaftet. 1866 wurde der ehemalige Feuerweiher des Guts in einen Weiher mit Springbrunnen umgewandelt. Um diesen Mittelpunkt ist ein kleiner englischer Landschaftsgarten angelegt worden, in welchem exotische Bäume und zwei kleine Pavillons stehen.
Charakteristisch für den Mapprach ist die seit Jahrhunderten gelebte Verbindung von Landwirtschaft und Kultur. Der Park bietet Raum für Kooperationen mit unterschiedlichen Institutionen und Kulturschaffenden. cni
Kein Festival ohne Musik
Gemeinsam haben alle drei Romane, dass sie die Landwirtschaft aus der Praxis beschreiben, den Alltag und die sich wiederholenden Arbeiten wie Melken oder die Monotonie an der Spargel-Sortiermaschine in die Handlung integrieren. Die Landwirtschaft wird nicht romantisiert, sondern so beschrieben, wie sie ist, ganz im Sinne des Festivals, das sich von den eher kitschigen «Dorf- und Bauernromanen» distanzieren möchte, wie Mitorganisatorin Barbara Piatti zu Beginn erläuterte.
Gerade auch in Mariann Bühlers Roman «Verschiebung im Gestein» wird das Bäcker- und das Bauernhandwerk genau und literarisch beschrieben. Kein Festival ohne Musik. In der Pause lud der Liestaler Feinkost-SingerSongwriter, wie sich Flavian Graber selber nennt, zu einem musikalischen Spaziergang im englischen Landschaftsgarten ein. Zu Beginn bat er das Publikum, nicht zu sprechen, sondern nur zu hören, «entweder der Musik oder der Natur».
Festival als Pilotprojekt
Diesem Wunsch entsprach Graber gleich selbst mit dem Lied «Am Bach», welches er ohne Worte sang und das Publikum so zum Lauschen des künstlich angelegten Baches zwang, der über Steinstufen und einen kleinen Wasserfall in den Weiher plätschert.
Mit der Gitarre begleitete er sich selber, sang von Erdbeeren im Februar, die im Gestell gleich neben den Spargeln liegen. «Mängisch chunnts mer vor, es heig eine e falschi Weiche gnoh», sang er im Refrain. Das Festival ist als Pilotprojekt konzipiert.
«Wir hoffen, einen Beitrag geleistet zu haben, dass der Stadt-Land-Graben dank unserem Festival verkleinert wurde. Die brisanten Themen der Landwirtschaft betreffen uns alle»
Ziel war es, dass die ländliche und die städtische Bevölkerung miteinander ins Gespräch kommen. «Wir hoffen, einen Beitrag geleistet zu haben, dass der Stadt-Land-Graben dank unserem Festival verkleinert wurde. Die brisanten Themen der Landwirtschaft betreffen uns alle», sagt Daniela Settelen.
Mehr Informationen zum Festival:
-> Die Stimmen der Bäuerinnen & Bauern. Erstes AgriCulture-Literaturfestival – Event von EKWS