Harte Vorwürfe an Thurgauer Landwirt

Zwei italienische Saisonarbeitskräfte, die in einem Thurgauer Betrieb Äpfel sortiert haben, berichten in einem Video von «sehr schlechten» Arbeitsbedingungen. Sie sprechen von ungerechten, rassistischen und sexistischen Verhältnissen. Der betroffene Landwirt weist die Vorwürfe entschieden zurück.

In einem Video, das der Gewerkschaft FAU zugestellt wurde  sind eine italienische Erntehelferin und ein italienischer Erntehelfer zu sehen (siehe unten). Was sie sagen, wirft ein schlechtes Licht auf Thurgauer Landwirtschaftsbetriebe: 54-Stunden-Woche, keine Pausen oder Gespräche, unwürdige Bedingungen, Stundenlohn von 13, bzw. 7 Franken. Ihre Forderungen sollten in der Schweiz eigentlich selbstverständlich sein: gleicher Lohn für gleiche Arbeit und würdevolle Arbeitsbedingungen.

«Arbeitsbedingungen werden immer schlimmer»

Die «Schaffhauser Nachrichten» haben den betroffenen Landwirt zu den Vorwürfen befragt. Er bezeichnet sie als ungerechtfertigt. «Ich kann gar nicht nachvollziehen, wieso die Erntehelfer das sagen», wird der Landwirt zitiert. Die Stundenlöhne könne er nicht verifizieren. Rassismusvorwürfe weist er vehement zurück. Auch könne er sich nicht vorstellen, wieso die Saisonarbeitenden von einem Klima der Angst sprechen würden.

«Die Arbeitsbedingungen sind sehr schlecht und sie werden immer schlimmer», fasst die italienische Erntehelferin ihre Erfahrungen (im Video unten) zusammen. Sie sei 9 Stunden pro Tag auf den Beinen gewesen, ohne eine Pause machen zu dürfen. Ein Toilettengang war wegen «Zeitverschwendung» verboten. Gespräche während der Ernte seien nicht toleriert worden.

«Bezahlung nach Ethnie»

Auch hätte sie vor Arbeitsbeginn keinen Vertrag unterzeichnen können. «Im Kanton Thurgau scheint es die Norm zu sein, dass Saisonarbeiter ihre Verträge erst am Ende ihrer Arbeit erhalten» sagt die Italienerin im Video. Sie habe Angst gehabt, jeden Moment und ohne Begründung entlassen zu werden.

Der italienische Erntehelfer spricht im Video über «die Situation von Rassismus und Arbeitsungerechtigkeit im Agrarsektor hier in der Schweiz». So würde die Bezahlung in Thurgauer Betrieben nach ethnischer Zugehörigkeit und Herkunft erfolgen. Menschen aus Osteuropa würden für dieselbe Arbeit oft nur die Hälfte des Gehalts erhalten, das italienischen oder deutschen Erntehelferinnen ausbezahlt würde (6 bis 7 statt 13 Franken pro Stunde). Rassismus, Sexismus und die Verletzung der Würde seien allgegenwärtig, führt er weiter aus. Er fordert einen garantierten Mindestlohn sowie gleicher Lohn für gleiche Arbeit.

Die Gewerkschaft FAU unterstützt die Anliegen der Saisonarbeitskräfte und schreibt in der Kommentarleiste zum oben aufgeführten Instagram-Video: «Organisieren wir uns gegen die katastrophalen Bedingungen in der Landwirtschaft!»

«Vorwürfe sind ungerechtfertigt»

Im Bericht der «Schaffhauser Nachrichten» zeigt sich der betroffene Landwirt bestürzt über die Vorwürfe und weist sie als ungerechtfertigt zurück. «Die Erntehelfer werden unter Berücksichtigung der Lohnrichtlinien und des Normalarbeitsvertrages entlöhnt, unabhängig ihres Herkunftslandes», wird der Landwirt im Bericht zitiert. Die bei ihm angestellten Ukrainer erhielten einen niedrigeren Lohn (7 statt 13 Franken pro Stunde, heisst es im Video) nicht wegen ihrer Herkunft, sondern weil sie ein Praktikum absolvierten. Der Unterschied begründe sich zudem durch die Unterschiede bei den Quellensteuertarifen und bei Kost und Logis, schreiben die «Schaffhauser Nachrichten».

Der Landwirt hätte – mit einer italienischen Übersetzung – auch die vertraglichen Bedingungen vor Arbeitsantritt erläutert und verhandelt, heisst es weiter. Dass der Arbeitsvertrag tatsächlich erst nach Arbeitsbeginn fertiggestellt wurde, hätte mit der Änderung der Franchise bei der Krankenkasse zu tun gehabt. Der Landwirt habe sich an alles gehalten. «Der Erntehelfer im Video weiss, dass er mir vertrauen kann. Er ist schon mehrere Jahre bei uns und wir schätzen ihn sehr», wird der Landwirt zitiert.

Auch Toilettengänge hätte er jederzeit erlaubt. Bei Starkregen werde die Arbeit eingestellt und es gebe einen Aufenthaltsraum. Der Landwirt zeigt sich enttäuscht über das Vorgehen der Saisonarbeitenden, die das Video veröffentlicht haben. Er hätte sich ein klärendes Gespräch gewünscht.

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