
Priska und Marcel Preiss setzen auf Pferdestärke.
Yvonne Aldrovandi
Zwischen saftig grünen Wiesen und dichten Wäldern liegt der Landwirtschaftsbetrieb «zum Träumlihof». Die Zeit scheint hier stillzustehen. Es wird gelebt und gearbeitet wie einst – mit Handarbeit, Naturverbundenheit und im Rhythmus der Jahreszeiten. Für Priska Preiss ist es eine Herzensangelegenheit.
Eltern verpachteten Hof
Gemeinsam mit ihrem Mann Marcel übernahm sie vor sechs Jahren den landwirtschaftlichen Betrieb – idyllisch gelegen, etwas oberhalb von Weinfelden im Kanton Thurgau. «Ein grosser Traum ging für mich in Erfüllung. Darum heisst der Hof auch ‹zum Träumlihof›», sagt sie mit einem Lächeln.
«Kurz vor meiner Geburt gaben meine Eltern die Landwirtschaft auf und verpachteten das Land», erzählt Priska Preiss, die mit zwei Geschwistern aufwuchs und die Jüngste von ihnen ist. Die Familie zog nach Weinfelden um. Die damalige Entscheidung ihrer Eltern habe sie jedoch oft bedauert. Als junges Mädchen absolvierte sie mehrere Landdienste und wollte gerne Bäuerin werden. Ihr Vater hat ihr davon jedoch abgeraten, weshalb sie sich für eine kaufmännische Ausbildung entschied.
Vier Jahre in Umbau investiert
Marcel Preiss ist gelernter Zimmermann und führte zusammen mit seiner Frau 15 Jahre lang ein Holzbaugeschäft in Weinfelden, das später von zwei Angestellten übernommen wurde. «Es war mein Wunsch, noch etwas anderes zu machen», sagt Priska Preiss. Bei einem Spaziergang mit ihrem Hund kam sie eines Tages mit Martha Höltschi, der damaligen Bäuerin des Hofs, den sie heute bewirtschaften, ins Gespräch. «Die Geschwister Höltschi hatten keine Hofnachfolge. Ich begann, mit dem Gedanken zu spielen, hier zu wohnen und zu arbeiten.»
«Manchmal fühlte ich mich nahezu ausgebrannt und habe gelitten, weil wir keine Freizeit mehr hatten.»
Den Hof mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 6,5 Hektaren konnte das Ehepaar Preiss am 1. Januar 2019 übernehmen, nachdem es während vier Jahren viel Zeit und Leidenschaft in die Umbauarbeiten investiert hatte. Der Umbau erfolgte in Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege. «Da Marcel gelernter Zimmermann ist, konnte er den Grossteil selbst erledigen, wurde aber auch von Angestellten unseres Holzbaubetriebs unterstützt», erklärt Priska Preiss.
«Haben unseren eigenen Rhythmus»
Ab 2014 besuchte sie berufsbegleitend die landwirtschaftliche Schule in Flawil und schloss diese drei Jahre später als eidgenössisch diplomierte Bäuerin erfolgreich ab. Es seien strenge Jahre gewesen, vor allem die ersten beiden nach der Hofübernahme. «Manchmal fühlte ich mich nahezu ausgebrannt und habe gelitten, weil wir keine Freizeit mehr hatten.» Inzwischen spüre sie eine tiefe Dankbarkeit, im Einklang mit der Natur zu leben. Dieses Leben sei sinnstiftend. «Wir müssen nicht schneller, weiter oder höher gehen. Wir haben unseren eigenen Rhythmus – ein Leben, fast wie auf einer Insel.»

Beim Umbau des Hofes hat auch die Denkmalpflege mitgeredet.
Yvonne Aldrovandi
Der Hof sei zu ihrer Lebensaufgabe geworden. «Ich habe gelernt, Arbeit und Freizeit zu vereinen, es wird zu Lebenszeit. Mit Leidenschaft kann selbst das Ausmisten des Hühnerstalls entspannend wirken.» Der Schwerpunkt des Betriebs liegt auf Mostobst, etwa 80 bis 90 Bäume alter Apfelsorten werden bewirtschaftet. «Im Herbst sammeln wir von Hand die reifen Äpfel, die von selbst vom Baum gefallen sind, und sortieren sie. Denn nur reife Früchte lösen sich natürlich, unreife bleiben hängen.
4’000 Liter Apfelmost
In der Mosterei im Nachbardorf wird aus diesen vollreifen Äpfeln jede Woche frischer Most gepresst, das merkt man im Geschmack. Etwa 4’000 Liter süssen und sauren Most verkaufen wir jedes Jahr in unserem Hoflädeli», sagt die Bäuerin. Dort sind unter anderem auch hausgemachte Konfi und Sirup im Angebot. Das Ehepaar Priska und Marcel Preiss setzt zwei Ardenner Arbeitspferde ein statt eines Traktors.

Im Hoflädeli werden die Produkte verkauft
Yvonne Aldrovandi
Diese belgische Kaltblutrasse ist für ihre Ruhe, Ausdauer und Zugkraft bekannt. Ausgewachsene Tiere erreichen ein Gewicht von bis zu einer Tonne. Um die fachgerechte Haltung zu erlernen, haben die beiden am Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg in Gränichen AG einen entsprechenden Kurs besucht. Das Gras kann mit den Pferden und einem speziellen Mähwerk gemäht werden», erzählt Priska Preiss. «Wenn es schnell gehen muss, was bei unbeständigem Wetter meist der Fall ist, greifen wir auf unseren Aebi-Motormäher zurück.»
30 Schafe verschiedener Rassen
Auch das Heu wird wie früher mit den Pferden eingefahren. Ein Nachbar presst das Heu zu Kleinballen, die für die Fütterung der eigenen Pferde verwendet werden. Beim Heuen sei man auf stabile Schönwetterperioden angewiesen, denn eine Heubelüftung gibt es auf dem Hof nicht. Statt moderner Trocknungstechnik kommen manchmal noch Heinzen zum Einsatz, traditionelle Holzgestelle, auf denen das Gras an der Luft nachtrocknet.

Priska Preiss schätzt das einfache Leben im Einklang mit der Natur.
Yvonne Aldrovandi
Zwar gibt es auf dem «Träumlihof» keine Kühe, Tiere fehlen dennoch nicht. Neben den Pferden leben hier rund 30 Schafe verschiedener Rassen, Freilandhasen, Hühner und Gänse sowie zehn Bienenvölker. Auch Hofhund Santos und eine Katze streifen über das Gelände und sorgen für eine lebendige Gesellschaft. Fünf Enten hielten bis vor kurzem die Schnecken in Schach. Doch der Fuchs setzte den Schneckenjägern ein jähes Ende.
Wolle als organischer Langzeitdünger
Auch bei der Schafschur wird auf Nachhaltigkeit geachtet. Die Wolle, die dabei anfällt, wird nicht einfach entsorgt, sondern dem Kompost beigemischt. Sie wirke wie ein organischer Langzeitdünger. «Wenn wir neue Bäume pflanzen, hilft uns Martha Höltschi, die ehemalige Bäuerin und heutige Nachbarin. Sie ist 85 Jahre alt und pflegt auch noch liebevoll ihren eigenen Garten vor dem Haus», erzählt Priska Preiss. «Mit einem Stock prüft sie, ob sich Mäuse bei den Jungbäumen eingenistet haben. Wenn ja, giesst sie etwas Gülle oder leert Asche in die Löcher», fährt sie fort.
«Ein Privileg, so im Einklang mit der Natur leben zu dürfen»
«Früher gab es keinen Bauernhof ohne Holunderstrauch, er galt als Schutz vor bösen Geistern und Blitzschlag. Wir haben mehrere Holundersträucher. Alle sind von selbst gewachsen», sagt die Bäuerin. Es sei ein Privileg, so im Einklang mit der Natur leben zu dürfen. Zufriedenheit sei ihnen wichtiger als materieller Überfluss. Das Einkommen vom Hof reicht für ein einfaches, erfülltes Leben, wenn auch nicht für grosse Sprünge.
Da sie noch Kinder im Studium haben, die finanziell unterstützt werden müssen, arbeitet Marcel Preiss nebenbei als Zimmermann an weiteren Projekten. Priska Preiss zeigt auf einen Spruch, der an ihrer Haustür angebracht ist. Er ist ein stiller Leitfaden für ihr gemeinsames Leben: «Bewahret einander vor Herzeleid, denn kurz ist die Zeit, die ihr beisammen seid. Denn wenn euch auch viele Jahre vereinen, einst werden sie wie Minuten euch scheinen.»