
Paolo Gabaglio (r.) und sein Sohn Fabio
Sophie Blonk
Der südlichste Landwirtschaftsbetrieb der Schweiz ist ÖLN-zertifiziert und umfasst rund 50 ha Nutzfläche mit etwa 40 Kühen. Monatlich produziert Paolo Gabaglio zusammen mit seiner Frau Claudia und Sohn Fabio auf dem Hof 20’000 bis 22’000 Liter Milch sowie Futter und Eier. Alle haben die Landwirtschaftsschule Mezzana absolviert.
Saisonale Schwankungen
Bis 2024 lieferte ihr Betrieb La Poggia die Milch an die Latteria del Ticino (Lati); heute organisiert die Federazione ticinese produttori di latte (FTPL) die Milchsammlung, wobei nur ein Teil der Milch im Tessin bleibt, während ein weiterer Teil über den Gotthard an die Zentralschweizer Milchproduzenten (ZMP) geliefert wird.
Seit der ersten Schliessung der Lati im Jahr 1992 wurden jährlich über 6 Millionen Liter Tessiner Milch in die Zentralschweiz transportiert. Die Sammel- und Transportkosten betragen bis zu 11 Rappen pro Liter (etwa 1’000 bis 1’100 Franken pro Lastwagen mit 24’000 Litern) und machen rund 20 Prozent der Produktionskosten aus. Die saisonalen Schwankungen sind erheblich: Im Sommer verbleiben bis zu 80 Prozent der Milch im Kanton, da viele Kühe auf der Alp sind und ein Teil der Milch direkt zu Alpkäse verarbeitet wird.
Beitrag vom Kanton
Im Winter hingegen können nur 20 bis 25 Prozent der Milch lokal verarbeitet werden, da die Kapazitäten vor Ort nicht ausreichen. Um die Produzenten bei den hohen Transportkosten zu entlasten, stellte der Kanton Tessin einen einmaligen Beitrag von 300’000 Franken über zwei Jahre bereit. Mit der am 25. Februar 2025 beschlossenen strukturellen Unterstützung soll künftig ein Teil der Transportkosten dauerhaft gedeckt werden – die genaue Höhe steht noch nicht fest.
Der Beitrag wurde direkt an die FTPL ausgezahlt, die damit die meisten Kosten der Familie Gabaglio für den Transport in die Deutschschweiz übernimmt. Heute bezahlen sie nur noch 5 Rappen pro Liter, der Rest wird von der FTPL gedeckt. Zwar erhöht diese Unterstützung den tatsächlichen Gewinn der Produzenten nicht, da das Geld sonst Teil des Milchpreises wäre, doch für die Familie Gabaglio ist sie dennoch entscheidend. «Ohne den kantonalen Beitrag für den Transport in die Deutschschweiz wäre die Situation völlig unhaltbar», erklärt der Senior.
Kein IP-Suisse-Zuschlag
Nicht abgegolten bleibt hingegen der IP-Suisse-Zuschlag von 2 Rappen pro Liter, was in einem Jahr einer Summe von rund 4’800 bis 5’280 Franken entspricht. Das Label wird von den ZMP derzeit nicht berücksichtigt, da bereits genügend zertifizierte Milch vorhanden ist und ein getrennter Transport der IP-Suisse-Milch logistisch kaum umsetzbar ist.
Der Sommer 2025 brachte der Familie Gabaglio etwas Entlastung: Ein grosser Teil der Milch konnte im Kanton bleiben und wurde vom Caseificio del Gottardo sowie weiteren lokalen Betrieben verarbeitet. So liess sich ein Preis von fast 80 Rappen pro Liter ab Hof erzielen – ein Niveau, das seit Jahren nicht mehr erreicht worden war.
Schwieriger Winter
Im Winter dürfte der Milchpreis wieder sinken, da das Angebot steigt. Um die Milch in dieser Zeit besser zu nutzen, zieht die Familie Gabaglio die im Winter geborenen Kälber auf und mästet sie über 18 bis 20 Monate. Laut Andrea Bizzozero, Vizepräsident der FTPL, bleiben die Herausforderungen der Branche nach der Lati-Schliessung bestehen – vor allem wegen der starken Saisonalität: viel Milch im Winter, wenig im Sommer.
Lokale Lösungen wie die Pasteurisierung oder das Projekt Käserei Olivone (Blenio Plus) haben bisher keine konkreten Ergebnisse gebracht. Zukünftig könnte der Caseificio del Gottardo seine Kapazität um bis zu 1,4 Millionen Liter erhöhen. Bis dahin bleibt der teure Transport in die Deutschschweiz jedoch die einzige praktikable Lösung.