In der Schweizer Landschafts-architektur findet ein Epochenwandel statt: Nach Jahrzehnten, in denen es vor allem darum ging, die Industriebrachen der Städte zu beleben, gilt die Aufmerksamkeit jetzt den Siedlungsrändern.
Dabei stehen neue Herausforderungen an: In Gebieten, in denen die Bevölkerung in den vergangenen Jahren fast explosionsartig gewachsen ist, etwa am oberen Zürichsee oder am Lac Léman, fehlt der Platz für Parkanlagen.
Erholungsgebiete mit Landwirtschaftszonen verzahnt
«Plötzlich hat eine Stadt 15’000 Einwohner und keinen Freiraum», sagt Joachim Kleiner, Professor für Landschaftsarchitektur an der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR). Zunehmend müssten Erholungsgebiete deshalb mit Landwirtschaftszonen verzahnt werden, erklärt Kleiner gegenüber der Nachrichtenagentur sda.
Umdenken müssten die Landschaftsarchitekten, die in diesen Gemeinden keine klassische Parkanlagen errichten könnten, ebenso wie die Bauern. «Wenn die Nahrungsmittelproduktion um 20 Prozent zurückgeht, dafür der Erholungseffekt der Bevölkerung um 50 Prozent steigt, ist die Gesamtbilanz positiv», rechnet Kleiner vor.
Bauernverband sind Kleiners Ideen nicht fremd
Nach seinen Vorstellungen würden künftig vermehrt Spazierwege durch «vielfältige Ackerlandschaften» führen, es gebe Sitzgelegenheiten und «ästhetische Elemente». Kleiner mahnt bei der Umgestaltung der «ausgefransten Siedlungsränder» zur Eile, denn wischen St. Gallen und Genf verschwindet das freie Land in gewaltigem Tempo.
Dem Bauernverband sind Kleiners Ideen nicht fremd. In Brugg ist man auch der Meinung, dass es bei der Entwicklung in den ländlichen Boomregionen neue Lösungsansätze braucht. «Die Zusammenarbeit in diesen Agglomerationen funktioniert schlecht», heisst es in einer Stellungnahme des Verbandes zum Raumkonzept Schweiz.
Optimistisch stimmt Kleiner und andere Experten der Umstand, dass in der Schweiz Wert auf gepflegte Landschaften gelegt wird. Die Schweizer Landschaftsarchitektur hat einen ausgezeichneten Ruf, wobei Kleiner die hiesige Zunft mit den Uhrmachern vergleicht. Die handwerkliche Tradition bürge für grosse Sorgfalt.
Für Gärten wird viel Geld ausgegeben
Während die grossflächigen Freiräume in der Schweiz knapp werden, investieren längst nicht mehr nur die öffentliche Hand und die Oberschicht in die Gestaltung der kleinen Oasen. Gerade in den Siedlungsgebieten, in denen öffentliche Anlagen fehlen, lassen sich auch Angehörige des Mittelstandes ihre Gärten viel kosten.
«Das Konzept des Gartens als Wohnzimmer ist im Reihenhaus angekommen», sagt HSR-Professor Peter Petschek. Der Garten sei heute bereits bei der Gebäudeplanung ein wichtiger Bestandteil. Für Leute, die Privatheit suchen, werde Sichtschutz immer wichtiger.
Gärtnern für hippe Städter
Die Autorin Sabine Reber, die den Gartenblog der «Coop-Zeitung» verfasst, registriert ein wachsendes Interesse nicht nur an den Gärten als Oasen oder zusätzliche Wohnräume, sondern auch als Tätigkeitsfeld. In den 90er Jahren seien viele «Steinwüsten» angelegt worden, weil das Gärtnern als harte Arbeit galt.
Heute wird das Werkeln im Garten als erholsam empfunden. Die Trendumkehr führt zu einem paradoxen Resultat: Während die Gebiete, in die Menschen mit Sehnsucht nach Landleben hinziehen, rasant verstädtern, legen hippe Städter Gemüse- und Blumenbeete an.