«Wir brauchen neue Rahmenbedingungen in der Bewirtschaftung der Almen und praxistaugliche Lösungen in Umgang mit dem Wolf.» Dies betonten rund 200 Vertreterinnen und Vertreter der Berglandwirtschaft im Rahmen des ersten Alpen.Gipfel.Europa gegenüber zahlreichen Vertreterinnen der Politik aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol.
Beim Alpen.Gipfel.Europa. hat die Allianz für die Berglandwirtschaft Vertreter aus Tourismus, Alpenverein, Landwirtschaft und Naturschutz zusammengebracht, um die Herausforderungen, vor denen die Bergbauern stehen, miteinander zu diskutieren.
Die Allianz für die Berglandwirtschaft ist ein Zusammenschluss von Bauernverbände aus dem deutschsprachigen Alpenraum: Mitglieder sind der Österreichische Bauernbund, die Landwirtschaftskammer Österreich, der Verein Almwirtschaft Österreich, der Schweizer Bauernverband, der Bayerische Bauernverband, der Landesbauernverband Baden-Württemberg, der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband, der Südtiroler Bauernbund, der Tiroler Bauernbund, der Almwirtschaftliche Verein Oberbayern und der Alpwirtschaftliche Verein im Allgäu.
Der Alpen.Gipfel.Europa.2022 wird präsentiert vom Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt, einem Medium aus dem Hause dlv Deutscher Landwirtschaftsverlag, und wird unterstützt von der Allianz für die Berglandwirtschaft.
Bergbauern arbeiten wie Manager
In einem Communiqué des dlv heisst es, dass für Almbauer Josef Steinmüller das drängendste Problem vor dem er stehe, der Umgang mit dem Wolf sei. «Wir Bergbauern erbringen zahlreiche Leistungen für die Gesellschaft und die Natur. Wir wollen dafür kämpfen, dass es so bleibt, und da brauchen wir eure Unterstützung», betonte er. Bergbauer zu sein, sei heutzutage kein Selbstläufer mehr. «Es braucht heute sehr, sehr viel, dass ein Bergbauernhof bestehen bleib».
Die Bergbauern hätten ähnlich wie ein Manager in einem grossen Unternehmen ein grosses Arbeitspensum zu leisten und trügen grosse Verantwortung. Der Verdienst in der Landwirtschaft sei aber sehr niedrig. «Wenn wir unsere ganzen Weiden vor dem Wolf mit Zäunen, Hunden und Personal schützen wollen, würde das unseren ganzen Betriebsgewinn auffressen», machte er die finanzielle Dimension deutlich, die er schultern müsste, um seine Tiere wirklich zu schützen.
Bei der Podiumsveranstaltung zum Alpen.Gipfel.Europa gab es eine lebhafte Diskussion zwischen den Politikern sowie Verbandsvertreter aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol über Lösungsmöglichkeiten für die Zukunft der Berglandwirtschaft. Alois Glück, Mit-Initiator des Alpen.Gipfel.Europa, habe in seinem Statement die Bedeutung der Berglandwirtschaft für die Biodiversität angesprochen. «Sie haben die Bringschuld und Chance, das in der Öffentlichkeit deutlich zu machen. Ich hoffe, dass die heutige Veranstaltung einen Impuls dafür gibt», heisst es in der Mitteilung.
Bedürfnisse müssen in Einklang gebracht werden
Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber warb um Verständnis für die Bergbauern. «Unsere wunderschöne Bergwelt steht allen Bürgerinnen und Bürgern offen. Viele Menschen suchen in den Bergen Erholung und Ruhe. Dieser Wunsch muss aber mit den Bedürfnissen der Bergbauern in Einklang gebracht werden. Sie sind es, die sich seit Jahrhunderten tagtäglich mit viel Herzblut um unsere wunderschöne Heimat kümmern. Ihre Rinder, Schafe, Ziegen und Pferde grasen auf den Bergweiden und pflegen so unsere wunderschöne Kulturlandschaft. Wir müssen daher alles tun, um sie dabei zu unterstützen.»
Der Präsident des Bayerischen Bauernverbandes, Walter Heidl, beschrieb die grosse Bedeutung der Bergbauern für den Alpenraum. Es gehe darum, dass die Alpen bewirtschaftet bleiben. Dies sei für die ökologische Wertigkeit genauso wichtig wie für den Tourismus in die Region. «Wir brauchen klare Regelungen, wenn es um das Ausbreiten der Wolfspopulation geht», erklärte Heidl. Gebraucht werden nun Lösungen und nicht nur Diskussionen.
Josef Moosbrugger von der Landwirtschaftskammer Österreich wies in seinem Statement auf die Herausforderungen hin, die die Bergbauern tagtäglich spüren. Die Rinderhaltung auf den Bergen müsse auch in Zukunft aufrechterhalten bleiben. «Ohne die Rinder wachsen die Almen zu», betonte er. Nur die Kuh als Wiederkäuer könne das Gras verwerten. Leo Tiefenthaler vom Südtiroler Bauernbund wies auf den Einfluss der Berglandwirtschaft auf den Tourismus hin: «Wenn wir keine Landwirtschaft mehr haben, stirbt auch der Tourismus aus».
Zäune sind keine langfristige Lösung
In der Medienmitteilung heisst es weiter, dass Thomas Roffler, Vertreter vom Bündner Bauernverband, in seinem Statement auf den Umgang mit grossen Beutegreifern einging. Die Situation mit den Wölfen in der Schweiz sei schwierig. «Das kann man nicht mit Weideschutzzäunen lösen. Herdenschusszäune helfen nicht langfristig, weil die Wölfe lernen, sie zu überwinden».
Die Allianz für die Berglandwirtschaft verabschiedete beim Alpen.Gipfel.Europa ein Positionspapier, in dem sie ihre Anliegen an die Politik formulierte. Für viele Touristen seien die Alpen ein Stück unberührte Natur. In Wirklichkeit seien es aber die bäuerlichen Familienbetriebe in den Alpen, die durch ihr generationenübergreifendes Denken und nachhaltiges Wirtschaften diese vielfältigen Kulturlandschaften im Herzen Europas geschaffen haben und nun erhalten würden.
Doch die Lebensperspektiven für die Bergbauern würden durch den Klimawandel, der Rückkehr grosser Raubtiere und auf Grund zahlreicher gesetzlicher Verschärfungen schwieriger werden. Ausserdem sei die Alm- und Alpwirtschaft aktuell einer Zerreissprobe ausgesetzt mit Nutzungskonflikten zwischen einer aktiven Landwirtschaft, dem Tourismus und dem Naturschutz. «Als Vertreter der berufsständischen Organisationen der Land- und Forstwirtschaft fordern wir dringend, die Rahmenbedingungen zu verbessern für eine zukunftsfähige Berglandwirtschaft als gesellschaftlichen Auftrag mit dem Erhalt der Weide- und Freilandwirtschaft, der touristischen Attraktivität und der Produktion hochwertiger regionaler Nahrungsmittel – für Wertschöpfung und Wertschätzung der in den Alpenregionen lebenden Menschen», betonen die Bergbauern in ihrem Positionspapier.
Auszug aus dem Positionspapier
Wolf und Grossraubtiere
Im Alpenraum trägt vor allem die Beweidung einen beträchtlichen Teil zur Wahrung der alpenländischen Kulturlandschaft mit ihren Alm- und Alpflächen bei. Diese traditionelle Weidetierhaltung erfüllt in höchstem Maße auch Ansprüche der Verbraucherinnen und Verbraucher an das das Tierwohl, an Lebensmittel und an die Bewahrung unserer Heimat. Sie wird aber zunehmend von einwandernden Grossraubtieren wie zum Beispiel Wolf und Bär existenziell gefährdet. Die Politik ist auf nationaler und europäischer Ebene dringend gefordert, den Schutz und den Erhalt der Berglandwirtschaft sowie der bäuerlichen Weide-, Freiland- und kombinierten Stallhaltung gerade im Alpenraum sicherzustellen. Angesichts dieser massiven Bedrohungen, insbesondere durch den Wolf werden bereits in einigen Regionen keine Weidetiere mehr aufgetrieben. Wir fordern deshalb dringend, den strengen Schutzstatus des Wolfs nach der Berner Konvention und der FFH-Richtlinie zu ändern sowie ein aktives und wirkungsvolles Wolfsmanagement zu etablieren. Wir sind keine Feinde des Wolfes, auffällige Wölfe müssen jedoch zur Aufrechterhaltung der Almbewirtschaftung zeitnah entnommen werden können. Gerade auch im alpinen Gelände muss eine nachhaltige Nutztierhaltung mit herkömmlichen Methoden und ohne die Notwendigkeit umfangreicher, aufwendiger und unverhältnismässiger Schutzmassnahmen möglich sein. Es ist dringend notwendig, den Erhaltungszustand der Wolfspopulation im gesamten europäischen Raum erneut festzustellen und den Schutzstatus anzupassen. Denn ansonsten: «Kommt der Wolf, gehen der Bauer und das Vieh!»
