Nicht nur Bakterien führen zu erhöhten Zellzahlen in der Milch. Auch Fütterungs- und Melkfehler sowie Stress für die Kuh können Ursachen sein. Wichtig ist, diese Faktoren sauber abzuklären, bevor man handelt.
Erhöhte Zellzahlen in der Milch – die Grenze für die Ablieferung liegt bei 350’000/ml – gelten als Hinweis auf eine Euterentzündung. Bei den Zellen handelt es sich um weisse Blutkörperchen (Leukozyten), Phagozyten und Epithelzellen aus dem Haut- und Drüsengewebe.
Herdenmanagement ausschlaggebend
Hohe Zellzahlwerte können aber auch zu einer Minderung der Leistung von 1,5 bis 2,9kg Milch pro Tag führen, so Experten vom Strickhof in Lindau ZH. Ebenfalls wirken sie sich negativ auf die Fruchtbarkeit aus. Bei der Strickhof-Beratung melden sich denn auch viele Bauern wegen hoher Zellzahlen. Sie sind eines der Hauptprobleme in der Milchproduktion.
Dabei spielt nicht die Rasse oder das Leistungsniveau eine Rolle, ausschlaggebend ist das Herdenmanagement. Die Strickhof-Beratung stellt auch eindeutig jahreszeitliche Schwankungen fest. Im Sommer steigen die Zellzahlen meistens an – ob dies durch Erreger bedingt ist, ist ungewiss, denn nicht immer wird ein Erregernachweis gemacht, wenn die Zellzahlen etwa von 100000 auf 200000/ml steigen.
Gereiztes Euter
Das Problem: Immer öfter wird trotz einer Milchanalyse (siehe Kasten) kein Erreger festgestellt. Sogar bei der PCR-Milchanalyse gibt es Proben ohne Erregernachweis. In diesem Fall kommen weitere Ursachen für einen erhöhten Zellzahlwert infrage, etwa mechanische oder chemische Reizungen des Euters durch die Stalleinrichtung oder die Melktechnik. Wichtig ist, dass das Vakuum je nach Melkanlagentyp zwischen 40 und 44 kPa liegt und dass es nicht zu Lufteinbrüchen aufgrund nicht passender Zitzengummis kommt.
Die Zitzen dürfen keinen Ringwulst beim Übergang von Zitze zu Euter bilden, nicht rotblau verfärbt sein und keine Verletzungen an der Spitze aufweisen. Dabei hilft, die Zitzengummis regelmässig zu wechseln, halbjährlich oder nach 2500 Melkungen je nach Zitzengummiart. Bei Verdacht einer chemischen Reizung sollte man die Dippmittelverträglichkeit überprüfen und allfälligen Kalk in den Liegeboxen korrekt einsetzen.
Struktur füttern
Abrupte Futterumstellungen oder Fütterungsfehler können Fermentationsstörungen in Pansen und Darm hervorrufen, welche sich in hohen Zellzahlen niederschlagen. Vor allem Mykotoxine und Endotoxine wirken sich auf den Zellzahlgehalt aus. Die Ration muss mindestens 400g strukturwirksame Rohfaser pro 100kg Lebendgewicht sowie je Tier maximal 280g Zucker und Stärke pro Kilo Trockensubstanz und Tag enthalten, ebenso Mineralstoffe in ausreichender Menge. Ein Kaliumüberschuss muss vermieden werden.
Die Ration kann durch Kotanalysen und eine Kontrolle der Stoffwechselprodukte in Blut und Harn überprüft werden.
Stress vermeiden
Auch Stress ist eine Ursache für hohe Zellzahlen, da er die Entstehung von freien Radikalen, die sich negativ auf Immunsystem und Stoffwechsel auswirken, steigen lässt. Schmerzen, Überbelegung im Stall, Kriechströme, Lärm, schlechte Luft und zu wenig Futter sowie im Sommer Hitze und Fliegen sind Stressfaktoren.
Elektronische Einrichtungen wie WLAN und Bluetooth stehen ebenfalls im Verdacht, bei den Tieren Stress zu verursachen. Wichtig ist, dass bei erhöhten Zellzahlen ohne Befund keine Antibiotika eingesetzt werden, um etwaige Resistenzen zu vermeiden, sondern Ursachen im Haltungs-, Fütterungs- oder Melkmanagement geprüft werden.
Proben fassen – aber richtig
Es kommt vor, dass der Zellzahlgehalt hoch ist, ohne dass Mastitiserreger wie Bakterien, Hefen oder Pilze gefunden werden. Gerade letzere beiden werden oft übersehen. Dann sollte eine neue Probe genommen werden. Nicht alle Erreger werden laufend ausgeschieden. Tiefer eindringende Keime können die Milchgänge der Drüsen verstopfen, sodass die ausgeschiedene Milch keine Erreger enthält. Zudem werden gewisse Erreger durch die Standarduntersuchung von Milchproben nicht erfasst.
Der Strickhof rät, sich ans Labor oder an den Tierarzt zu wenden. Eine weitere Ursache können Fehler bei der Probennahme wie eine Kontamination der Milch mit Desinfektionsmittel sein. Wichtig ist, von jedem Viertel eine Probe zu nehmen, da die Milch aus gesunden Zitzen den Erregergehalt verdünnt. Möglich ist, dass der bakterielle Erreger bereits durch den Körper abgetötet wurde, die Entzündung aber anhält. Hier kann man einen Erregernachweis mit der PCR-Methode machen.
