Vom Spagat, Ansprüche zu erfüllen und wirtschaftlich zu produzieren

Die Bevölkerung mit hochwertigen Nahrungsmitteln versorgen – aber billig muss die Milch im Supermarkt sein. Maximaler Komfort für die Kühe – bitte ohne Ammoniakemissionen. Dieses Spannungsfeld ist Thema an der Eröffnung der Suisse Tier.

Susanne Meier |

«Nutztierhaltung unter Druck – welche Rahmenbedingungen gelten morgen?» So lautet das Fokusthema an der Eröffnung der Suisse Tier am Freitag. Die Landwirtschaft befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichen, ökologischen und wirtschaftlichen Anforderungen.

Einerseits wird von ihr erwartet, die Versorgung einer wachsenden Bevölkerung mit hochwertigen Nahrungsmitteln sicherzustellen – andererseits soll sie gleichzeitig zur Reduktion von Emissionen, zum Klimaund Umweltschutz sowie zum Tierwohl beitragen. Diese komplexen Anforderungen werden durch zunehmende Bürokratie, hohe Regulierung und wirtschaftlichen Druck zusätzlich erschwert. Die Rahmenbedingungen engen den Handlungsspielraum der Landwirte zunehmend ein.

Neubau ohne Flicken

Wenige Landwirte haben sich wohl so intensiv mit all diesen Erwartungen und Forderungen auseinandergesetzt wie Franz Röösli aus Hellbühl  LU. Der Milchproduzent erzählt: «Ich habe den Betrieb vor 15 Jahren von meinem Vater übernommen. Er hatte damals im Jahr 1975 einen der wohl ersten Laufställe für Kühe gebaut.»

Als verschiedene kleinere bauliche Anpassungen anstanden, beschloss er, auch im Hinblick auf seinen Sohn Janis: «Wir wollen keinen Flickenteppich mit kleinen Erneuerungen, sondern einen Stall bauen, der mehrere Jahre lang aktuell ist bezüglich Tierwohl, Arbeitswirtschaftlichkeit und Umweltfreundlichkeit.» Ein grosses Ziel der Familie war, die Stickstoffemissionen zu mindern und so möglichst allen Dünger in Form von Gülle aufs Feld bringen zu können.

Kuhtoilette

Franz Röösli hat beim Bauen das volle Programm gewählt – so wurde er diesen Sommer vielen seiner Berufskolleginnen ein Begriff. Denn bei ihm stehen die ersten Cowtoilets in der Schweiz. Die Kühe gehen hinein, weil sie dort Maiswürfel fressen können. Die Bügel mit den Urinalen senken sich hinter der Kuh und stimulieren sie nach dem Fressen zwischen Euter und Vulva, wodurch Harndrang entsteht. Der Urin wird in der Schale aufgefangen, abgepumpt, gelagert und als Stickstoffdünger verwendet.

Doch in ihrem Stall hat die Familie Röösli noch weitere Massnahmen zur Verringerung der Ammoniakemissionen getroffen. Die Kühe stehen auf erhöhten Fressplätzen, das heisst auf einem Podest im Fressbereich mit Abtrennungen zwischen den Fressplätzen. Die Abtrennungen steuern die Kühe so, dass möglichst wenig Kot und Harn auf dem Podest anfällt. Der Schieber, der hinter/ unter dem Podest läuft, stört die Tiere nicht beim Fressen.

Roboter und Wiesenmilch

Für solche baulichen Massnahmen zur Minderung der Ammoniakemissionen gibt es Beiträge, ebenso für die Lauf- und Fressgänge im Stall von Franz Röösli. Sie weisen ein seitliches Gefälle auf, wodurch der Harn rasch in die Mitte und dort in die Harnsammelrinne läuft. Die Reduktion der Emissionen ist für Franz und Janis Röösli erst ein Puzzleteil. Auch die Arbeitswirtschaftlichkeit und die Lebensqualität sollen stimmen. Und natürlich das Tierwohl. Wobei Franz Röösli mehrmals betont, auf den «gutschweizerischen Kompromiss» zu setzen.

«Wir haben 50 Kühe, die wir im Roboter melken und mit denen wir IP-Suisse-Wiesenmilch produzieren», erklärt er, «wir wollen weder Kraftfutterverbot noch Vollweide. Das Programm passt für uns, denn es berücksichtigt Umwelt und Tierwohl, reizt aber nicht die Extreme aus. Zudem sind wir seit drei Jahren einer der Klimastar-Betriebe.» Klimastar-Milch ist ein Ressourcenprojekt von Nestlé, Emmi, Aaremilch AG, ZMP und Agrocleantech mit Unterstützung des Bundesamtes für Landwirtschaft.

Dieses Jahr Kontaktpflege

Franz Röösli fühlt den Druck, wirtschaftlich und gleichzeitig ökologisch zu produzieren, trotz allem, was er schon optimiert hat. «Der Spagat, Ansprüche von Politik und Öffentlichkeit zu erfüllen und gleichzeitig wirtschaftlich zu produzieren, ist schwer», bestätigt er. «Gerade beim Milchpreis wäre es besser, sich in der Mitte zu treffen, statt sich auf die Köpfe zu hauen.»

Auch bei Social Media gebe es Aussagen, die zeigten, wie weit Landwirtschaft und Konsumenten teilweise auseinanderliegen würden. Trotz allen Herausforderungen will Franz Röösli sich den Besuch der Suisse Tier nicht nehmen lassen. Nach der Eröffnungsfeier will er durch die Hallen streifen: «In den letzten Jahren habe ich gebaut und die Suisse Tier jeweils intensiv durchforstet. Nun möchte ich den Anlass zur Kontaktpflege nutzen.»

Die Eröffnung

Die Suisse Tier thematisiert aktuelle Entwicklungen in der Nutztierbranche. An der Eröffnung am 21. November um 9.30 Uhr im Forum der Messe Luzern werden diese Aspekte näher beleuchtet. Das Fokusthema lautet «Nutztierhaltung unter Druck – welche Rahmenbedingungen gelten morgen?».

Franz Röösli aus Hellbühl LU stellt seinen Betrieb vor und zeigt, wie er durch gezielte Massnahmen die Ammoniakemissionen deutlich reduzieren konnte. «Es freut mich besonders, dass wir an diesem Praxisbeispiel Innovationen präsentieren, aber auch die Herausforderungen aufzeigen können», erklärt Messeleiterin Manuela Gilli. An der Podiumsdiskussion nehmen neben Franz Röösli auch Markus Bucheli, Fachexperte Ammoniak des Kantons Luzern, Fabian Peter, Regierungsrat des Kantons Luzern, und Laura Spring, Luzerner Kantonsrätin, teil.

Eine Anmeldung ist nicht nötig. Ein Ticket für die Messe genügt. sum

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