Radikale Abschüsse von Elefanten, um in bestimmten Gebieten die Überbevölkerung in den Griff zu bekommen, traumatisieren die überlebenden Tiere. Dies konnten britische Psychologen nachweisen: Die Elefanten sind aggressiv und es mangelt ihnen an sozialen Fähigkeiten.
Die Traumatisierung der meist jungen Überlebenden sei dabei zweifach, erklären Karen McComb und Graeme Shannon von der Sussex University im Fachjournal «Frontiers in Zoology». Sie seien geschockt vom Abschuss ihrer älteren Familienmitglieder und später desorientiert, weil ihnen ältere Rollenmodelle fehlen.
Rufe vorgespielt
Die Forscher hatten einen Elefantenbestand im Pilanesberg National Park in Südafrika untersucht, der ursprünglich aus dem Krüger Nationalpark dort angesiedelt worden war. Dort hatten Ranger in den 1980er und 1990er Jahren ältere Tiere als Massnahme gegen die grassierende Überbevölkerung abgeschossen und die Waisen umgesiedelt.
Die Forscher spielten dabei den Elefanten Rufe vor, die entweder von fremden oder ihnen bekannten Elefanten unterschiedlichen Alters und Status stammten. Als Vergleichsgruppe diente ein relativ ungestörter Elefantenbestand im Amboseli Nationalpark in Kenia. Die Reaktionen der Tiere nahmen die Forscher auf Video auf.
Paradoxes Verhalten
Es zeigte sich, dass die Amboseli-Elefanten sinnvoll reagierten: Ertönte der Ruf eines fremden Tiers, insbesondere von älteren, dominanten Individuen, scharten sie sich zur Abwehr um die Leitkuh. Bei bekannten Elefanten blieben sie ruhig. Die umgesiedelten Elefanten hingegen reagierten paradox: Sie zogen sich beim bekannten Tier zurück und zeigten keine Abwehr bei Eindringlingen.
Schon frühere Beobachtungen deuteten darauf hin, dass mit den Tieren in Pilanesberg etwas nicht stimmte: Verwaiste männliche Elefanten waren hyper-aggressiv und gingen auf Nashörner los, was Elefanten sonst nicht tun. Sie sollen in zehn Jahren über 100 Nashörner getötet haben.
Soziales Lernen sehr wichtig
«Unsere Studie zeigt, dass bei den umgesiedelten Elefanten wichtige soziale Entscheidungsfähigkeiten beeinträchtigt sind», erklären die Forscher. Vermutlich konnten die umgesiedelten Tiere sinnvolle Verhaltensweisen nicht von ihren älteren Familienmitgliedern lernen, folgern sie.
Soziales Lernen sei bei Elefanten, die in komplexen Familiengruppen leben, sehr wichtig. Erfahrene Individuen geben erfolgreiche Verhaltensmuster an jüngere Mitglieder weiter. Aus früheren Untersuchungen war bereits bekannt, dass eine Herde mehr Kälber durchbringt, je klüger die Leitkuh ist.