Auf dem Weg zu weniger Tierleid

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Technischen Universität Berlin (D) haben mit Hilfe von 3D-Biodruck erstmals ein Modell der Leber aus menschlichen Zellen hergestellt, ohne dabei auf Materialien tierischen Ursprungs zurückgreifen zu müssen.

Eine Leber zu kreieren, die ohne tierische Bestandteile auskommt, das ist einer Forschergruppe der TU Berlin gelungen. Dieser Erfolg ist ein wichtiger Schritt hin zu biomedizinischer Forschung und Lehre, die vollständig auf Methoden ohne Tierleid aufbaut. Bisher ist es nämlich so, dass auch Ersatzmethoden für Tierversuche zum Beispiel Nährlösungen verwenden, die aus den Föten von Kälbern gewonnen werden.

Unter anderem für den 3D-Druck von Organmodellen benötigte man bisher strukturbildende Stoffe, die aus Tumoren stammen, die man in Mäusen wachsen lässt. Neben diesen ethischen Aspekten verbessert eine biomedizinische Forschung ganz ohne tierische Komponenten auch die Übertragbarkeit ihrer Ergebnisse auf den Menschen – was auf schnellere Erfolge bei der Entwicklung von Medikamenten hoffen lässt.

Blut von Kälber-Föten ist Standard

«In Deutschland ist es eigentlich verboten, trächtige Kühe zu schlachten», erklärt Jens Kurreck, Leiter des Fachgebiets Angewandte Biochemie an der TU Berlin. Wenn eine Trächtigkeit vor Schlachtung doch nicht erkannt würde, sei es üblich, dem Fötus Blut abzunehmen. Denn dieses enthält viele Stoffe, die das Wachstum anregen und daher für die Vermehrung von Zellen in der biologischen Forschung ideal geeignet sind. Das aus dem Blut gewonnene «fötale Kälberserum» ist ein Standardprodukt in jedem Zellkultur-Labor.

Vermutlich mehr als zwei Millionen Kälberföten pro Jahr

«Über die Zahl der hierfür benötigten Kälberföten gibt es nur grobe Schätzungen. Eine Veröffentlichung von 2021 geht von weltweit zwei Millionen aus, und seitdem hat der Verbrauch von fötalem Kälberserum eher zugenommen», sagt Kurreck. Ein Grossteil davon komme aus Schlachtungen im Nicht-EU-Ausland und könne daher nur schlecht von deutschen oder europäischen Institutionen überwacht werden. «Weil sich das Kälberserum so gut für die Kultivierung von Zellen eignet, wird es natürlich auch von den Forschern verwendet, die mit Hilfe von Zellkulturen Tierversuche ersetzen wollen. Also bis vor Kurzem auch von uns.»

Mäuse mit Tumoren von einem Fünftel ihres Körpergewichts

Weil die Arbeitsgruppe von Jens Kurreck das für die Herstellung von Organmodellen zum Ersatz von Tierversuchen besonders vielversprechende Verfahren des 3D-Biodrucks verwendet, mussten die Wissenschaftlerinnen bisher auch noch auf ein zweites tierisches Produkt zurückgreifen, das aus extra dafür gezüchteten Tieren gewonnen wird.

«Mit Hilfe des 3D-Drucks können wir aus menschlichen Zellen kleine, dreidimensionale Organmodelle herstellen, die sogar künstliche Blutgefässe enthalten können. Dafür brauchen wir aber Stoffe wie Laminine und Kollagene, die diesen Gebilden die notwendige festere Struktur geben, als dies bei normalen Zellkulturen der Fall ist», erklärt der Forscher. 

Gewonnen wird diese Substanz mit der Abkürzung BME aus Tumoren, die man in Mäusen wachsen lässt. «Am Ende wiegt solch ein Tumor etwa vier Gramm, bei einem Körpergewicht der Maus von vielleicht zwanzig Gramm. Schon an diesem Verhältnis sieht man, dass dieses Verfahren eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung für das Tier darstellt.» Weil die strukturfördernden Stoffe aus dem BME auch in anderen Zellkultur-Laboren routinemässig für verschiedene Anwendungen gebraucht werden, ginge die Zahl der zur Herstellung verwendeten Tiere sicher in die Tausende, sagt Jens Kurreck.

Ein grosser Schritt

Mit dem ersten Gewebe-Modell der Leber völlig ohne Materialien tierischer Herkunft ist dem Doktoranden Ahmed Ali und weiteren Mitgliedern aus der Arbeitsgruppe von Jens Kurreck nun ein grosser Schritt gelungen. Sie haben dafür das fötale Kälberserum durch ein chemisch genau definiertes Nährmedium aus Wachstumsfaktoren, Insulin, Selen sowie Zuckern und Salzen ersetzt.  Als Ersatz für das strukturfördernde Gemisch BME aus den Mäuse-Tumoren verwendeten die Wissenschaftler*innen humanes Kollagen aus Plazentas, die in Wiener Krankenhäusern nach Geburten sonst als Abfall entsorgt worden wären. 

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