Dieses Land hat keine Briefkästen mehr

Wer noch eine letzte Ansichtskarte aus dem winterlichen Kopenhagen-Urlaub in einen der öffentlichen roten Briefkästen werfen möchte, muss sich beeilen. Als wohl erstes Land Europas stellt das hoch digitalisierte Dänemark in diesen Tagen die öffentliche Briefzustellung ein und entfernt sämtliche Briefkästen.

Das staatliche Postunternehmen Postnord wird an diesem Dienstag (30.12.) die letzten Briefe verteilen, danach ist Schluss. Briefmarken werden bereits seit dem 18. Dezember nicht mehr verkauft, und bis zum Jahresende sollen alle öffentlichen Briefkästen aus dem deutschen Nachbarland verschwunden sein. Es ist ein ungewöhnlicher Vorgang: Der Weltpostverein teilt mit, ihm sei nicht bekannt, dass ein anderes Land unlängst einen ähnlichen Schritt gemacht habe.

Seit Jahren werden kaum noch Briefe verschickt

«Die Dänen sind immer digitaler geworden, und das, was früher als Brief verschickt wurde, erhalten die allermeisten heute digital», heisst es von Postnord. Seit der Jahrtausendwende sei die Briefmenge im Land um mehr als 90 Prozent gefallen, Tendenz weiter sinkend.

Viele der rund 1500 roten Briefkästen im Land wurden bereits seit dem Sommer nach und nach abgenommen. Auf dem Schrottplatz sind sie aber nicht gelandet: Seit Mitte Dezember konnten Interessierte einen von 1000 der Kästen – «ein kleines Stück dänisches Kulturerbe», wie es von Postnord hiess – online erwerben. Je nach Gebrauchsspuren kosteten sie umgerechnet rund 185 bis 250 Franken. Die Einnahmen sollen einem guten Zweck zugutekommen. Innerhalb weniger Tage waren alle Briefkästen verkauft.

Ab Januar sollen weitere 200 Exemplare versteigert werden, darunter auch einige, die von dänischen Künstlerinnen und Künstlern gestaltet wurden. Weitere Exemplare der Postkästen, die mehr als 170 Jahre einen Teil des dänischen Stadtbildes ausmachten, dürften einen Platz im Museum finden.

Hoch digitalisiertes Dänemark

Dänemark gilt in Sachen Digitalisierung als Vorreiter. Der Grossteil des Schriftverkehrs mit öffentlichen Stellen findet für Däninnen und Dänen längst über digitale Plattformen statt. Im privaten Briefkasten landet meist nur Werbung. Ausnahmen gibt es für diejenigen, die von der sogenannten Digital Post ausgenommen sind: Dazu zählen etwa 300'000 der knapp sechs Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern, darunter manche Ältere auf dem Land.

Die Folgen der Digitalisierung spürte auch Postnord. Das staatliche Unternehmen, zu dem sich die dänische und die schwedische Post 2009 zusammengeschlossen hatten, nahm mit der Zustellung von Briefen in den vergangenen Jahren immer weniger Geld ein.

In Zukunft will sich Postnord mit Blick auf den in Dänemark überaus starken Online-Handel vor allem auf die Zustellung von Paketen konzentrieren. Man wolle der bevorzugte Paketlieferant der dänischen Verbraucherinnen und Verbraucher werden, erklärte das Unternehmen, als es im Frühjahr die Einstellung der Briefzustellung ankündigte – und zudem die Streichung von 1500 Stellen.

Grosser Aufschrei in Dänemark bleibt aus

Grössere Kritik an dem Schritt wurde in Dänemark kaum laut. Die Seniorenvereinigung Faglige Seniorer monierte, dass eine Epoche ende. Man habe eine solche Entwicklung aber schon seit Inkrafttreten eines neuen Postgesetzes Anfang 2024 kommen sehen. Der ländliche Interessenverband Landdistrikternes Fællesråd forderte, dass Briefe auch in Zukunft jeden Landesteil zu gleichen Bedingungen erreichen müssten. Doch der grosse Aufschrei, der blieb aus.

Den dänischen Verbrauchende bleibt nun in erster Linie eine private Zustellungsfirma namens Dao, um Briefe zu verschicken. Die Vorzeichen stehen nicht schlecht: Was die Pünktlichkeit bei der Briefzustellung betrifft, schnitt das Unternehmen in einer Untersuchung der dänischen Verkehrsbehörde deutlich besser ab als Postnord. Auch der Preis ist attraktiver: Ein Standardbrief innerhalb Dänemarks kostete bei Postnord umgerechnet knapp 3,60 Franken, bei Dao rund 2,90 Franken. Zu einem Aufpreis können sich Kundinnen und Kunden den Weg zum Dao-Shop sparen und ihre Briefe von zu Hause abholen lassen.

«Der Brief lebt weiter»

Wer einen Brief oder eine Postkarte ins Ausland verschicken wollte, der bezahlte dafür bei Postnord zuletzt umgerechnet gut stolze 6,20 Franken. Feriengäste, die einen Gruss per Karte aus Dänemark loswerden wollen, sollten das Kärtchen daher vielleicht am besten nach der Rückkehr zu Hause selbst überreichen.

Wer aus dem Ausland Post nach Dänemark schicken möchte, kann das auch weiterhin tun. Das dänische Transportministerium hat die Firma Dao damit beauftragt, vom 1. Januar 2026 an Briefe aus dem Ausland innerhalb Dänemarks zu verteilen.

Und dann wäre da noch die Sache mit den Briefkästen. Dao verwies darauf, selbst 1500 Postkästen im ganzen Land platziert zu haben. Auch diese sind rot, allerdings stehen sie in bestimmten Paketshops und nicht an der Strasse. Man habe keine Pläne, sich wie Postnord vom Briefmarkt zu verabschieden, erklärte Dao: «Der Brief lebt weiter.»

Weniger Briefe in der Schweiz

Ein Aus für die Briefpost ist in der Schweiz vorerst nicht geplant. Der Bundesrat will Briefe weiterhin per A- und B-Post zustellen, wie Kommunikationsminister Albert Rösti bei der Vorstellung einer Postgesetz-Revision im August vor den Medien sagte. Der Bundesrat will an der heutigen Post-Grundversorgung festhalten, solange diese bezahlbar ist. Gleichzeitig will er aber reagieren können, wenn die Nachfrage nach Post-Leistungen weiter zurückgeht.

Der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) wies jedoch auch darauf hin, dass sich die Briefmenge sich in den letzten 20 Jahren fast halbiert habe. 2024 verzeichnete die Post mit 1,56 Milliarden adressierten Briefsendungen gegenüber 2023 einen Rückgang um 5,5 Prozent, wie das Unternehmen Anfang dieses Jahres mitteilte. Dass die Dienstleistungen der Post vermehrt online genutzt werden, zeigte sich auch in den Downloads der Post-App. Waren es 2019 noch zwei Millionen Downloads, so verdoppelte sich diese Zahl bis Ende 2024.

Bis Juni 2026 soll das Uvek Vernehmlassungsvorlagen zum Postgesetz und zum Postorganisationsgesetz ausarbeiten.

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