Von starken Mäusen und schwachen Traktoren

Die Redaktion von «Schweizer Bauer» und «schweizerbauer.ch» wünscht Ihnen besinnliche Weihnachten. Die folgende Weihnachtsgeschichte soll zum Schmunzeln, aber auch zum Nachdenken anregen.

Samuel Krähenbühl |

Die Redaktion von «Schweizer Bauer» und «schweizerbauer.ch» wünscht Ihnen besinnliche Weihnachten. Die folgende Weihnachtsgeschichte soll zum Schmunzeln, aber auch zum Nachdenken anregen.

Tatatatata. Tatatata. Trrrrrrratatata. «Verflucht!» Pierre steigt vom Traktor. Dies, nachdem er zunächst die Türe fast nicht aufgebracht hat. Denn diese klemmt zu allem Überfluss auch noch. Denn der Schliessmechanismus gefriert immer ein, wenn es kalt genug ist. Genervt tritt er noch mal ans Vorderrad. Der Tritt schmerzt ihn selber mehr als den Traktor. Dieser springt einfach nicht mehr an. Die Batterie ist es nicht. Die hat er schon ausgetauscht. Nein. Die Elektronik will nicht mehr.

«Der alte Bührer springt immer an, zumindest im Sommer», denkt er sich. Aber dieser hier! Wirklich alt ist er noch nicht und gekostet hat er genug. Ganz abgeschrieben ist er auch noch nicht. Was solls. Keine Chance, dass er ihn heute noch zu laufen bringt. Denn es ist Heiligabend. Für heute hat er gefüttert. Und für den 25. hat er auch noch Futter im Mischwagen. Aber was kommt danach?

Ärger mit dem Händler

«Pieeeeeeeerre!», tönt es vom Hause her. Seine Frau Manuela ruft bereits eine Zeitlang nach ihm. «Himmeldunnerdoria! Du siehst doch, dass ich noch am Arbeiten bin», ruft er zurück. «Ja, ich weiss. Aber beeil Dich trotzdem», ruft sie. Beeilen soll er sich. Ausgerechnet. Denn warum soll er sich beeilen? Seine Frau hat ihre Schwester und deren Mann eingeladen. Und dieser Mann ist kein anderer als Hans, sein Landmaschinenhändler. Früher hatte er es immer gut mit ihm. Doch seit dem Kauf des damals angeblich «neusten und besten» Traktors der grünen Marke mit den gelben Rädern hat er immer nur Ärger mit ihm.

Die Uhr am nahen Kirchturm hat schon vor einiger Zeit sieben geschlagen, als Pierre endlich im Haus auftaucht. «Hast du schon geduscht?» ruft ihm Manuela zu? «Nein. Für Hans rieche ich noch lange gut genug. Sein Motorenöl stinkt auch», murrt er zurück. Duschen ist aber auch eine gute Sache, um wieder etwas Zeit totzuschlagen, überlegt er sich dann aber. Er leistet sich also die längste Dusche seines Lebens. Erst, als der Boiler geleert ist und er unter dem kalten Wasser steht, kommt er endlich aus der Duschkabine. «Pierre, was hast du gemacht? Es kommt ja nur noch kaltes Wasser aus dem Hahnen», ruft Manuela nach oben.

«Was zum Teu...»

Langsam geht Pierre die Treppe runter. Treppen sind eine gefährliche Sache. Dort können sich schlimme Unfälle ereignen. Da muss man vorsichtig sein. Irgendwann ist aber auch die längste Treppe zu Ende. Und kaum setzt er gemächlich den Fuss auf den Boden, öffnet sich die Tür zur Toilette und die Türfalle bohrt sich schmerzhaft in seinen Rücken. «Was zum Teu…». Weiter kommt Pierre nicht. Hans war es, der ihm die Türe unsanft in den Hintern gerammt hat. «Reicht es nicht, dass du ein unfähiger Landmaschinenmechaniker bist? Musst du nun auch noch mein Haus demolieren?», schnauzt er diesen an. Hans bekommt einen roten Kopf. Es ist ihm zwar sichtlich peinlich. Trotzdem entschuldigt er sich nicht, sondern gibt gleich zurück: «Du schleichst etwa gleichermassen tollpatschig im Haus herum, wie du den Traktor fährst.» Das hätte Hans jetzt besser nicht gesagt. Pierre will ihm an den Kragen. 

Doch da stehen auch schon Manuela und deren Schwester Annagret im Türrahmen. «Was machst du da?», ruft Manuela. Pierre weiss, dass Manuela ihre Schwester Annagret sehr gerne mag. Und er weiss auch, dass ihr die Familie sehr wichtig ist. Gerade an Heiligabend. Er lässt deshalb Hans los. «Wir haben uns nur recht herzlich Hallo gesagt», meint dieser, der ebenfalls weiss, dass seine Frau keinen Streit will.

Kein friedliches Essen

Einigermassen friedlich setzen sich nun die beiden Familien zu Tisch. Die Frauen haben Pierre und Hans vorsichtshalber weit voneinander weg platziert. Das Gespräch dreht sich eher um Erziehungsfragen. Die beiden Frauen diskutieren die Vor- und Nachteile des neuen Lehrplan 21. Auch wenn sich die beiden Schwestern sonst sehr gut verstehen: In dem Punkt sind sie sich gar nicht einig. Für Manuela ist der neue Lehrplan schlecht. Denn die Kinder sind noch viel mehr in der Schule und haben praktisch nie am Nachmittag frei. Annagret sieht das ganz anders. Denn zum einen arbeitet sie auswärts. Die Kinder sind also gehütet. Zum anderen soll es ja dann auch weniger Hausaufgaben geben. «Keine Hausaufgaben? Das glaubst du doch wohl selber nicht…», meint Manuela. Annagret hält dagegen und das Gespräch weitet sich zu einem verbalen Schlagabtausch aus.

Pierre amüsiert sich zunehmend. Schliesslich ergreift er das Wort: «Wisst ihr, warum Kinder von Landmaschinenhändlern keine Hausaufgaben machen müssen? In der Sonderschule bekommt nie jemand Hausaufgaben!» Er prustet los, kaum hat er seinen Witz erzählt. Hans bekommt einen feuerroten Kopf. Und auch die Frauen scheinen es nicht so lustig zu finden. «Pierre! Du gehst jetzt mit Hans zu deinem Traktor und ihr klärt dort unter Männern, was das Problem mit dem Traktor ist», befiehlt sie. «Jetzt, mitten in der Nacht und bei der Kälte?», fragt Hans. Doch ein Blick zu seiner Frau Annagret verrät ihm, dass er besser nachgibt.

Aufgemöbelter Schrott

Die beiden reden beim Anziehen kein Wort. Schweigend gehen sie nach draussen. Beim Traktor angekommen raunt Hans: «Wo ist jetzt wieder das Problem?». Pierre muss sich beherrschen: «Er springt einfach nicht an. Und die Batterie haben wir ja schon ausgetauscht!» Pierre klettert auf den Sitz. Tatatatata. Tatatata. «Komm, lass mich auch mal», meint Hans. Pierre steht auf und stellt sich hinter den Sitz. Hans steigt ein und schlägt die Tür zu. Aber auch Hans hat keinen Erfolg. Der Motor springt einfach nicht an. «Siehst du? Dein aufgemöbelter Schrott läuft einfach nicht», motzt Pierre von hinten. «Deine Frechheiten muss ich mir nicht gefallen lassen», gibt Hans zurück und will vom Traktor steigen. Doch die Türe geht nicht mehr auf. «Die Türe deines Schrotttraktors friert im Winter immer zu», meint Pierre triumphierend. «Scheisse», meint Hans und sinkt wieder in den Sitz. 

Es herrscht Schweigen in der Traktorkabine. Nach etwa einer Viertelstunde schläft Pierres rechter Fuss ein. «Lass mich auch mal sitzen. Du bist schliesslich Schuld an dem Debakel», sagt er zu Hans. Dieser hat nun langsam doch ein etwas schlechtes Gewissen. Es bedarf einer gewissen turnerischen Übung, damit die Männer die Plätze tauschen können. Wieder herrscht Schweigen. Hans studiert fieberhaft, an was die Probleme mit der Elektronik liegen könnten. «Lass mich wieder nach vorne», sagt er zu Pierre. Widerwillig lässt sich Pierre auf eine erneute Turnübung ein.

Maus hat gewirkt

Hans beginnt, die Abdeckung zu entfernen. «Gib mir mal dein Handy. Meins ist im Haus», meint er zu Pierre. «Du sollst die Karre flicken und nicht telefonieren», gibt dieser zurück. «Ich will nicht telefonieren. Ich brauche Licht.» Das leuchtet nun sogar Pierre ein. Er nimmt sein Handy hervor und schaltet die Taschenlampen-App ein. Bald hat Hans die Abdeckung ganz abgenommen. Er schaut in den Kabelsalat dahinter.

Plötzlich lacht er laut los. «Das ist nicht zum Lachen. Mach endlich vorwärts», ruft Pierre nach vorne. Er solle sich mal nach vorne beugen, erwidert Hans. Und nun sieht er, warum Hans lachen musste. Hinter der Abdeckung sitzt eine Maus mit ihren Jungen. Und die Maus hat offensichtlich ein Kabel angefressen. Als Hans die Mausenmama packen will, springt sie davon. Vorsichtig hebt er das Mausennest raus und stellt es auf den Boden vor den Sitz.

Ein Wunder

Nun nimmt er die beiden angefressenen Kabelenden und hält sie zusammen. «Dreh mal den Schlüssel», befiehlt Hans Pierre. Dieser muss sich weit nach vorne über diesen beugen. Er dreht. Tatatata. Tatatarrrrrrrrrmmmmmmmmm. Der Motor läuft! Ein Wunder! Sofort stellt Hans die Heizung auf die höchste Stufe. Bald schon wird es wohlig warm in der Kabine. Und auch die Türe lässt sich wieder öffnen.«Pierre: Hol dein Auto und komm zu mir in die Werkstatt. Ich fahre gleich mit dem Traktor los.» Pierre nimmt beim Heraussteigen das Mausenest mit und legt es sorgfältig in eine Ecke. 

Als die beiden Männer bald darauf von der Werkstatt zurückkommen, finden sie ihre Frauen eingeschlafen auf dem Sofa. Manuela hält ein Französischbuch ihrer Kinder auf dem Schoss. Es ist eine Seite aufgeschlagen auf der steht: «Dans le tracteur, il y a une famille de souris grises.»

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