Warum die Agrola mit Strom handelt

Die Fenaco-Tochter will sich für die Zukunft rüsten. Dazu setzt sie auf ein Konzept, das auch grosse Stromkonzerne nutzen.

Anine Hungerbühler |

Wer an Agrola denkt, dem kommen schnell die Tankstellen in den Sinn. Diese gibt es in der Schweiz an über 400 Standorten. Die Agrola handelt aber nicht nur mit Sprit, sondern auch mit Strom. Dafür hat die Fenaco 2017 eine Bilanzgruppe gegründet, die zwei Jahre später mit dem Bereich «Neue Energien» an Agrola übergegangen ist. Doch was steckt hinter diesem Konstrukt? Und dient es auch Landwirtschaftsbetrieben?

«Man kann sich das vorstellen wie ein Bankkonto, wo statt Geld Strom hinauf- und hinabfliesst», sagt Josef Keller, Leiter technische Beschaffung bei Agrola. Verkauft oder geliefert werden kann der Strom von diesem «Bankkonto» an Firmen, die mehr als 100 Megawattstunden Strom pro Jahr verbrauchen. Das ist gesetzlich geregelt.

Ausgleichsenergie liefern oder beziehen

Nun kann das Bankkonto erhöht werden, wenn Strom eingekauft wird, und wenn an einen Verbraucher Strom geliefert wird, nimmt das Konto ab. Doch wie entstehen diese «Überweisungen»? Als Bilanzgruppenverantwortliche seien sie dafür verantwortlich, dass der Stromeinkauf und -verkauf möglichst ausgeglichen sei. Für die Differenzen muss die Bilanzgruppe Ausgleichsenergie liefern oder beziehen. Dadurch entstehen wiederum Kosten.

«Die Wetterabhängigkeit wird immer stärker, und dadurch werden die Prognosen immer schwieriger.»

Josef Keller, Leiter technische Beschaffung Agrola

Was bedeutet dies nun für Agrola, die diese Bilanzgruppe verwaltet? «Wir müssen möglichst mit Echtzeit-Daten arbeiten, um die Stromproduktion und den Verbrauch vorherzusagen», sagt Andreas Bögli, Leiter Gebäudelösungen/Solar und Mitglied der Geschäftsleitung von Agrola. Dahinter stehen zum einen automatisierte Computerprozesse. So ist es die Aufgabe des Teams, auf Basis von Analysen Entwicklungen in der Stromproduktion und dem Verbrauch vorherzusagen.

Ramseier ist Kundin

Wie viel Strom braucht also die Fenaco-Tochter Ramseier AG, die zu den Kunden zählt, wenn durch Bewölkung die auf dem Dach der Firma installierte Solaranlage keinen Strom produziert? Solche Fragen beschäftigen das Team. Eine Herausforderung dabei ist laut Keller, dass die Vorhersagen komplizierter werden, je mehr eigene PV-Anlagen die Kunden installiert hätten. «Die Wetterabhängigkeit wird immer stärker, und dadurch werden die Prognosen immer schwieriger.»

«Wir sind grundsätzlich offen für alle Kundengruppen, das Gesetz schränkt uns aber ein.»

Andreas Bögli, Leiter Gebäudelösungen/Solar, Mitglied der Geschäftsleitung Agrola

Woher kommt der Strom, der auf das «Konto» fliesst? Diesen kauft Agrola für die Bilanzgruppe langfristig direkt bei Schweizer Gegenparteien und kurzfristig an der internationalen Strombörse ein. Dieser sogenannte Grosshandel ist ein Handel mit Graustrom. Die Stromqualität wird am Markt für Herkunftsnachweise separat gehandelt. Ob grüner Strom gekauft werde und zu welchem Anteil, würde die Nachfrage der Kunden bestimmen, sagt Bögli.

Drei Strommodelle im Angebot

Agrola biete drei Strommodelle an: Budget (mehrheitlich Kernenergie), Erneuerbar Schweiz (mehrheitlich Schweizer Wasserkraft) sowie Erneuerbar Europa (mehrheitlich europäische Wasserkraft). Je nach gewähltem Modell würden dann Herkunftsnachweise eingekauft . Beispielsweise werde an allen Elektro-Ladestationen von Agrola nur Schweizer Solarstrom verkauft. Die Bilanzgruppe von Fenaco/Agrola zählt rund 180 Kunden. Etwa zwei Drittel davon sind Fenaco-eigene Standorte wie Ramseier. Der Rest sind Drittkunden, darunter fielen auch einige kleine Elektrizitätswerke.

«Wir sind grundsätzlich offen für alle Kundengruppen, das Gesetz schränkt uns aber ein», so Bögli. So sind auch die allermeisten Landwirtschaftsbetriebe zu kleine Stromverbraucher, um von diesem Konzept profitieren zu können. Ein durchschnittlicher Landwirtschaftsbetrieb benötigt laut der Website des Schweizer Bauernverbands 20’000 kWh (=20 MWh) Strom. Insgesamt wurden 2024 über die Bilanzgruppe rund 224 GWh Strom verkauft.

Welchen Mehrwert bietet die Bilanzgruppe?

«Wir können uns als Bilanzgruppe anders positionieren als traditionelle Stromlieferanten und auch anders als grosse Bilanzgruppen.» Denn Agrola spiele auf dem Schweizer Strommarkt eine kleine Rolle. «Für die Fenaco-Landi-Gruppe hat die Bilanzgruppe den Vorteil, dass sie von einer gebündelten Strombeschaffung profitieren kann», so Bögli. Das hätten sie in den letzten Jahren professionalisiert und seien im Schweizer Markt ein unabhängiger Energielieferant, was es nicht so häufig gebe.

Was bringt diese Organisationsform Agrola? «Wir wollen uns für die Zukunft rüsten», sagt Keller. Sowohl der Wärme- als auch der Mobilitätsmarkt werden langfristig elektrifiziert. Der Trend zeige klar in diese Richtung. Mit der Bilanzgruppe und der damit verbundenen Expertise wurde ein wichtiger Schritt getätigt, damit Agrola in diesen sich wandelnden Märkten ihren Kunden auch zukünftig einen Mehrwert bieten kann. Zudem könne Agrola als Bilanzgruppe mit schlanken Strukturen ihren Kunden, auch den Fenaco-eigenen Unternehmen, bessere Konditionen im Stromeinkauf anbieten.

Agrola ist nicht Besitzerin

Diese Optimierung soll künftig noch einen Schritt weiter gehen. Dazu sollen laut Bögli sogenannte Micro Grids und Energy Hubs dienen. Das sind mit einer PV-Anlage gekoppelte Hochleistungsbatterien, welche die Stromversorgung über eine zentrale Steuereinheit automatisch regulieren. «Wenn die Vorhersage des Verbrauchs in der Bilanzgruppe viel zu hoch ist, können wir den Strom speichern und können so viel Geld sparen, wenn wir den Strom gezielt wieder einspeisen, anstatt teure Ausgleichsenergie einkaufen zu müssen.»

Dieses Prinzip sei auch für Systeme ohne Bilanzgruppe anwendbar. Heute würde die Einspeisung und der Verbrauch aus einer Solaranlage gemessen, und bei Überlastung die Einspeiseleistung abgeriegelt. «Wenn wir mit einer Batterie dann Strom einspeisen oder beziehen können, wenn er am Markt teuer ist, können unsere Kunden sparen.»

Nur für Grosskunden zugänglich

Auf den Dächern vieler Landi-Filialen thronen Photovoltaik-Anlagen. Kann auch dieser Strom über die Bilanzgruppe verkauft werden? Nein, erklären die beiden Spezialisten. Das sind zwei unterschiedliche Gebiete von Agrola-Solar, die nichts miteinander zu tun hätten. «Wir bauen als Agrola Solaranlagen, sind aber nicht Besitzer davon und betreiben sie meist nicht selbst», so Keller. Die Anlagen gehören also zum Beispiel den Landis. Und Bögli ergänzt: «Für gewisse Grossbetriebe sorgen wir für die komplette Betriebsführung der Anlagen.»

Aufgrund der Teilliberalisierung des Strommarktes ist die Bilanzgruppe derzeit nur grossen Kunden zugänglich. Agrola biete aber auch kleinräumige Speicher- und Vermarktungslösungen für Industrie- und Landwirtschaftsbetriebe. Mit den Energy Hubs erhalten Landwirtschaftsbetriebe Anschluss an die digitale Wertschöpfungskette. Beispielsweise könnte ein Landwirt mit einem Energy Hub künftig eine Schnellladestation für E-Traktoren und -Fahrzeuge auf seinem Hof betreiben und die Abrechnung über die Plattform abwickeln.

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